"Sie ist recht hübsch"

 

Sie steht am Fenster und sieht dem Schnee beim Fallen zu. Ihre Hände bewegt sie auf der Heizung immer wieder hin und her. Sie wärmt sie von allen Seiten. Sie ist in ihren warmen Wintermantel gehüllt, er ist schneeweiß. Ihr Gesicht ist bis zu ihrer Nasenspitze in ihre grünen Schal vergraben. Jetzt hebt sie ihre Füße an den Heizkörper und wärmt auch ihre Zehenspitzen, bevor sie sich wieder auf  ihren Platz setzt. Ich sitze schon hier auf meinem Stuhl ganz hinten im Raum und sehe ihr dabei zu, wärme mich meinerseits auch an einer Heizung, mehr jedoch an ihrem Anblick. Jetzt sitzt sie da vorn und ist einen Apfel. Für den Moment habe ich das monotone Gemurmel der übrigen Klasse vergessen.

Jetzt kehrt es zurück.Kurz schweift mein Blick durch den Raum und hält sich an ein paar Augen, an zerzausten Haaren oder an Mikiken fest. Dann kehrt er zu ihr zurück. Sie hat ihren Apfel fast aufgegessen. Ich warte auf ein konkretes Gefühl, das mich erfasst, aber da ist nichts. Die Welt besteht nur aus kalten und warmen Augenblicken.

Die Lehrerin betritt den Raum. Die Klasse stöhnt enttäuscht. Einige Begrüßungen, flache Witze und die Vorphase zum Stundenbeginn. DIe durchdringende Stimme der Lehrkrafft erhebt sich über das allgemeine Gemurmel.

Sie hat ihren Apfelgriepsch schon weggeschmissen. Ich habe das verpasst. Jetzt sitzt sie da und schaut apathisch auf - gar nichts wirklich. Immer noch kein echtes Gefühl. Aber ein unangenehmes Bauchkribbeln. Ich habe den Test nicht unterschreiben lassen. Er ging schlecht für mich aus, wie immer. Hab eigentlich auch nicht vor, ihn unterschreiben zu lassen. Die Stunde hat endgültig begonnen, die Lehrerin kommt zu mir. Ich muss aufhören.