Angela Heise
Weihnachten wie früher!?
Weihnachten wegfahren kommt nicht in Frage, darüber waren mein
Mann und ich uns absolut einig. Um nichts in der Welt möchten wir auf
unseren Weihnachtsbaum und die behagliche Ruhe unserer Wohnung
verzichten.Wieso mir gestern dann doch plötzlich die Tränen kamen
vermag ich nur schwer zu erklären.
Das Wochenende stand unter dem Zeichen der Weihnachtsbäckerei.
Eigentlich sollten wir aus figürlichen Gründen auf Süßes verzichten,
aber Weihnachten gehören die Selbstgebackenen einfach dazu. In bester
Laune schmiss ich eine CD mit Weihnachtsmusik in den Player und knetete
zu „Leise ireselt der Schnee“ fleissig Teig. Nach 4 Sorten Feingebäck
und einem Samstag in der Küche sedtzte ich mich entspannt zu meinem
Liebsten und trank genüsslich den heissen Kaffee, den er gekocht hatte.
Das der Mohnstollen noch ein wenig warm war störte dabei überhaupt
nicht.
Gestern war Teil 2 der Großbäckerei dran und mir war nach einer anderen
CD. „Stillee Nacht“, „Adeste fidelis“, alles prima und dabei konnte ich
auch wunderbar Kipferl backen und mitsingen.
Dann plötzlich kam dieses vertrackte Lied „Weihnachten bin ich bei
Mutter zuhaus unterm Weihnachtsbaum“. Vor meinen Augen schwamm der
Plätzchenteig plötzlich und ich wusste, ich will Weihnachten daheim
sein.
Weihanchten lief immer im gleichen Rhythmus ab. Am Nachmittag sind wir
in die Kindermette gegangen. Die ist bei uns daheim immer unendlich
feierlich und schön. Die Kinder sitzen meistens auf den Altarstufen,
die Kirche ist bereits 15 Minuten vor Beginn brechend voll, die Krippe,
oben am Altar liegt noch im Dunkeln. Dann beginnt die Messe und die
herrlichen alten und neuen Weihnachtslieder werden gesungen. Kinder
spielen die Weihnachtsgeschichte und dann wird die Krippe endlich
beleuchtet. Letztes Mal, als ich Weihnachten bei uns daheim verbrachte
hatte ich meine kleine Enkelin auf dem Arm. Beim ersten Ton der Orgel
verzog sie ein wenig das Mündchen, kuschelte sich dann fest an mich und
schlief ein. Nichts und niemand konnte sie wecken, nicht einmal als ich
sie zur Kommunion mitnahm wurde sie wach und liess daher auch die
Segnung klaglos über sich ergehen. Für mich war es wunderschön mein
kleines persönliches Christkindchen im Arm zu halten!
Nach der Kindermette war dann immer bei meinen Eltern Bescherung. Mama
hatte alles aufgebaut, ,was das Christkindchen uns zugedacht hatte.
Papa las die Weihnachtsgeschichte vor, dann musste wenigstens ein Lied
gesungen werden, bevor die Bescherung anfing. Anschliessend gab es das
Essen, was traditionell am Heiligen Abend aus Kartoffelsalat, Würstchen
und Braten bestand. Egal, wie reichlich wir gefuttert hatte, nach dem
Essen machte sich jeder noch über seinen süßen Teller her. Bei mir war
immer zuerst Nugat und Blätterkrokant weg, mein Bruder
vernichtete erstmal das Marzipan. Es war gemütlich. Die Kinder
spielten mit den neuen Sachen, die Erwachsenen unterhielten sich
und immer schieden wir mit dem Vorwurf zu reich beschenkt und zu
reichlich gegessen zu haben.
Dieses Weihanchtsfest ist es, was ich mir so wünsche. Unerfüllbar! Mein
Papa ist tot, meine Tochter hat ihre Familie und wird den Heiligen
Abend bei sich feiern. Die Kinder meines Bruders sind mir fremd. Ich
habe sie zu selten gesehen und auch nicht mehr recht den Kontakt zu
ihnen.
Dann sind auch ganz realistische Gründe anzuführen. Die Fahrt von
Berlin ins Rheinland ist recht lang und wer weiss schon, wie das Wetter
wird. Stundenlang auf der Autobahn womöglich i m Stau ist nicht
unbedingt mein Traum. Wohnen müssten wir bei meiner Mutter. Sie macht
sich dann immer viel Stress und für meinen Schatz ist es auch nicht das
Richtige. Und wer sollte unseren herrlichen Weihnachtsbaum bestaunen,
wenn wir nicht da sind?
Nein, es ist ganz klar, dass wir Weihnachten hier bleiben, und trotzdem
werde ich sicher am Heiligen Abend ein paar Tränchen vergiessen. Vor
allem meine kleine Enkelin hätte ich gern in die Kindermette begleitet,
denn es gib nichts schöneres, als strahlende Kinderaugen, wenn alles,
was dunkel ist hell wird.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2005.
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