Birgit Seitz

Feng-Shui und andere (Ab-)Gründe

Im Dezember will unsere hiesige Volkshochschule einen elfstündigen Kurs für Feng-Shui anbieten. Eigentlich würde ich da wirklich gerne hingehen, aber ich glaube, mein Mann wird an diesem Tag irgendetwas tun, um mich davon abzuhalten. Vielleicht kauft er Blumen oder Kinokarten oder wir gehen Essen. Vielleicht wird ausgerechnet an diesem Tag der Flug für die Kurzreise nach Rom sein, die wir schon seit einer halben Ewigkeit planen, wo aber natürlich immer wieder etwas familienterminliches oder finanzielles zwischen kommt. Sie kennen das ja vielleicht – meist ist es das Finanzielle. Kann auch sein, dass er uns Besuch einlädt, und ich dann wirklich nicht fehlen darf, weil’s lieber Besuch ist, der mich natürlich gerne sehen würde und es demnach wirklich unhöflich wäre, den Tag mit einem Kursus auszufüllen. Ich nehme aber mal an, dass sein Boykottierungsversuch einfach nur ein schlichter, gezielter Schlag in meinen Nacken sein wird. Oder, weniger brutal, er sperrt mich ein.
 
Meine Bücher über Feng-Shui, das waren fünf, hat er mittlerweile nämlich schon dem Altpapier zugeführt, nicht ohne sie vorher unrettbar in Millionen und Abermillionen kleine Schnipsel zu zerreißen. Eins hatte ich mir von meiner Mama geliehen, das konnte er aber nicht wissen, deshalb werden wir es ihr ersetzen müssen. Obwohl ich schon gar nicht mehr weiß, wie der genaue Titel und Verlag war, wenn man mehrere Exemplare zeitgleich liest, kann einem das schon mal entfallen, nicht wahr?
 
Nun, meine Mutter wird aber sicherlich einen Geheimpakt mit ihm geschlossen haben, und es ist ihr wahrscheinlich sogar ein bissel egal, ob sie das Buch jemals wieder bekommt, oder nicht. Wissen Sie, meine Mutter wohnt nämlich bei uns nebenan, und wenn irgendetwas in unserem Haushalt passiert, was unsere organisatorischen Tagesabläufe stört, dann geht unser 12-jähriger Sohn hinüber zu seiner Oma, weil es da ruhiger und beschaulicher ist. Kontrollierbarer für seine kleine Kinderseele, die ja eigentlich nix anderes will, als nachmittags nach der Schule wenigstens ein Stündchen GameCube zu spielen oder im Internet zu daddeln oder eben solcherlei. Mein Sohn würde sicherlich, sollte ich diesen Kurs buchen, erwägen, auszuziehen oder dem Geheimpakt beizutreten. Bei Letzterem schätze ich, er würde mir höchstpersönlich die Hände zusammenbinden und die Schnüre am Stuhl fest tackern. Den Knebel würde er mir auch noch in den Mund stopfen, damit ich nicht nach Hilfe rufen könnte.
Wobei, wenn ich so recht überlege ... mir würde hier eh niemand helfen wollen, glaube ich. Unsere Nachbarn, und davon haben wir viele, stehen vermutlich auch schon auf der imaginären Geheimbundmitgliederliste.
 
Wieso das alles, fragen Sie mitleidig?
Ja, ich weiß auch nicht so recht. Ich hatte eigentlich nur ein Feng-Shui-Buch zu Rate gezogen, weil ich Farben für unseren Flur aussuchen wollte. Wohnzimmer und Kinderzimmer sind gemütlich in gelben Tönen tapeziert, die ehemalige Küche ebenso. Da konnte ich meinen Mann schon verstehen, dass er meinte, wenn ich nun auch noch den Flur in angenehm sonnigen Tönen renovieren wolle, würde er ausziehen.
Feng-Shui, müssen Sie wissen, ist aber nicht nur die Lehre der Farben und derer Wirkung auf das menschliche Gemüt, nein. Diese knapp 7000 Jahre alte Lehre von den Energien der Dinge um uns herum geht auch davon aus, dass Räume und die Anordnung der Möbel in Ihnen auf unsere Psyche wirken. Aber diesen Diskurs möchte ich eigentlich gar nicht führen, Feng-Shui ist im Internet zuhauf zu finden, die können das dort sicherlich besser erklären als ich.
Kürzer auch. Ich will’s mir ja nicht mit Ihnen auch noch verscherzen.
 
Jedenfalls hatte ich bereits viele hübsche und energieerfrischende Kleinode in der Wohnung verteilt, also in Fenstern, in Zimmerecken, die eine energetische Aufwertung benötigten, ich hatte das Chi durch glänzende Kristalle gestärkt und dergleichen. Das mit der Farbe und den Wänden .. na ja, ich muss sagen, daran ist Obi schuld, echt. Und ganz ehrlich, mein Mann war ja auch gar nicht abgeneigt. Achja, und hätte das Jakobihaus nicht mein Fortbildungsseminar angesagt, dann hätte ich wahrscheinlich auch nie die Idee gehabt, nun endlich mal den Flur zu renovieren. Ich und meine Bücher haben uns dann auch meinem Mann zuliebe auf ein frisches Grün und frisches Blau geeinigt. Obi hatte dann diese wunderbare Farbe. Die, die sich mit einer Bürste in einfachen Wischbewegungen auf der Wand verteilen lässt – ich brauchte nicht vorstreichen, nichts ausbessern, keine Technik erlernen, denn wischen kann ich als Frau ja ganz gut ... ich sag Ihnen, diese Farbe, also diese Farbe .. wunderbar. Und das Beste: der weiche Fluss des Chi wird durch diese Auftragstechnik ganz optimal unterstützt.
 
Als mein Mann dann abends von der Arbeit heimkam und das Ergebnis betrachtete, war er sehr, sehr angetan. Meine Malutensilien hatte ich bereits wieder verstaut, die Einfachheit der Arbeit beeindruckte meinen Mann ebenso wie mich. Vielleicht ist er deshalb auch so mutig gewesen, eine lang gehegte Idee wieder zu erwähnen?
Auf dem Balkon gemütlich eine Zigarette inhalierend sagte er: „Das sieht ja wirklich toll aus, Schatz. Jetzt wär’s cool, die Wand zwischen Küche und Flur wäre nicht da, dann würde man aus der Küche einen ganz fantastischen Blich in den Flur haben und ein schönes, weites, freiheitliches Woh(n)lgefühl.“
 
Ich sag Ihnen, mir blieb ja fast das Herz stehen.
 
Ach, das Leben konnte ja so schön sein. Die Schmutzschleuse, die sich Flur nennt, ...weg.
Die Küche .. endlich groß und wohnlich.
 
Nun.
Sie wissen, ich bin eine Frau.
Frauen denken über die einfach mal so dahingesagten Äußerungen ihrer Lieblinge nach.
Ob er das ernst gemeint hatte? Keine Ahnung, ich zumindest meinte es ernst.
Sehr ernst.
 
Aus dieser Nummer kam er dann halt nicht mehr raus, mein Mann, wissen Sie. Das wäre ja auch noch schöner, mir erst den Mund wässrig machen und dann gnadenlos in der Luft verrotten lassen, neee.
Aber Spaß beiseite, so einer ist er ja auch nicht.
 
Für ihn ist bei dieser Aktion jedenfalls eine neue Stichsäge abgefallen, seine alte hätte es nienie gebracht, die Gipswand zu zersägen, das war sogar mir klar. Und ein neues Schleifgerät, das haben wir auch gleich angeschafft, denn wenn wir schon mal dabei sind, dann könnten wir auch gleich die grottenhässlichen braunen Türen abschleifen und in weichem Vanilleton lackieren. Fand er auch. Ich selbst habe einen Tapeziertisch bekommen, denn der, den ich mir aus dem Kindergartenbestand geliehen hatte, ist zusammengebrochen, nachdem ich eine Tapetenrolle darauf abgelegt hatte. Der Tisch war ein Geschenk von netten Eltern, wissen Sie? So ein Kindergarten kann doch immer mal für diverse Second-Hand-Märkte Tapeziertische gebrauchen, fanden die. Nun, auch die nächsten Second-Hand-Märkte werden ohne diesen Tisch stattfinden müssen. Ich hab den nicht kaputt gemacht, ehrlich nicht. Ich kann nämlich gut tapezieren.
Außer diesmal, da mussten wir die angeklebten Tapeten wieder von der wand reißen, weil die Falten, die sich normalerweise beim Trocknen aus den Bahnen herausziehen, sich diesmal eben nicht herausgezogen hatten. Das lag aber an der Tapete, nicht an mir. Echt!
 
Zu den Dingen, die wir für uns beide angeschafft haben, besser .. anschaffen mussXX!?!wollten, zählt eine qualitativ hochwertige Trittleiter und eine schicke Sackkarre.
 
Lange Rede ... viermeter mal zweifuffzig Gipswand aussägen, Lücken, wo mal Wand war, mit Estrich im Fußboden bzw. Putz an den Wänden ausspachteln, Fliesen aussuchen, schneiden und kleben sowie verfugen, zwei durchgesägte Stromleitungen wieder neu verkabeln (die hätten da gar nicht sein dürfen!), verputzte Flächen abschleifen, Decke streichen, zweimal tapezieren (alte Tapete vorher natürlich runter, is klar, ne?), ungefähr dreißig Besuche im Baumarkt (wo sie uns mittlerweile mit Namen ansprechen .. auf der Müllkippe übrigens auch, denn dorthin haben wir schließlich die Mauer und diverse übriggebliebene Möbel und Dreck abtransportiert), weil irgendwas vergisst man immer, zwei neue Lampen anbringen, sieben Türrahmen nebst Türen abschleifen und neu lackieren (ist ja ein Flur, das sind echt sieben!), eine neue Türschwelle bauen, weil im Flur hat’s irgendwie immer gezogen und wenn das ab jetzt Küche ist, ist das unschön, noch eine neue Türschwelle bauen, weil Mama wollte auch so gerne eine haben ... nebst einwöchiger Reinigungsaktionen, denn Gipsstaub kommt überall durch und abgeschliffener Lack von Türen auch.... alles in allem: 3 Wochen Arbeit. Und Lärm.
 
Ohne Urlaub – nach der Arbeit, versteht sich, aber ich war auch froh, aus all dem Dreck mal raus zu kommen. Mein Mann, glaub ich, war auch froh. Vor allem, als wir endlich fertig waren. Na ja, ich will nicht übertreiben, fertig sind wir ja irgendwie noch nicht, die Türen sind noch nicht fertig lackiert, Gardine in der Küche fehlt noch und wenn wir vielleicht in zwei/drei Jahren mal eine neue Küche brauchen, denn die Möbel haben wir nicht mit ersetzt, dann würde ich auch gerne die geflickten Stellen im Fußboden loswerden und den Küchen/Flurboden neu fliesen lassen. Oder selbst fliesen, schaun wir mal, ist ja auch schön, wenn man das Resultat seiner eigenen Hände Arbeit so vor sich sieht – und mein Mann kann das schon ganz gut, nech? Und einen neuen Fliesenspiegel bräuchten wir dann auch.
 
Aber wissen Sie, es hat sich gelohnt. Das Wohngefühl ist fantastisch. Und seitdem wir die Wand eingerissen haben, haben sich auch gleich drei Freundinnen von mir nach langer Zeit mal wieder blicken lassen. Ich schätze mal, das liegt daran, dass die Mauer vorher den Freundesbereich im Bagua, sie wissen ja, Feng-Shui, nech, gestört hat. Mauern im Bagua sind nämlich erhebliche Störfaktoren für den Fluss des positiven Chi.
 
Unser Badezimmer ist übrigens auch ein wenig gestört, das liegt mitten im Karrierebereich.
 
Ich denke mal, hätten wir die Mauer im Badezimmer schon vor ein paar Monaten entfernt, dann wäre meine Fortbildung nicht ausgefallen, das hätte mir beruflich vielleicht schon einen Kick verpasst. So hat uns beiden das ganze Event nur einen herben Muskelkater und ein sattes Minus auf dem Girokonto eingebracht.
 
Aber ich sollte wohl erst mal ein bissel Gras über die Sache wachsen lassen, den Volkshochschul-Feng-Shui-Kurs im nächsten Jahr absolvieren, wenn niemand mehr daran denkt und dann das Thema noch mal ganz harmlos anschneiden. Bis dahin werde ich im Bagua die Bereiche Partnerschaft und Familie mit lieblichen Kristallen, neckischen Delphinen und DNA-Spiralen aufwerten.
Nicht, dass mein Mann, mein Sohn und meine Mutter mich vorher noch umbringen. Sonst hab ich ja nix mehr von dem schönen, neuen Wohngefühl.
 
© Birgit Seitz

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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