Yvonne Breuer

Ein Leben mit “FIF“

Ihr wollt wissen wer oder was "FIF" ist? FIF gehört zu der Sorte
"Freunde meiner Mutter" und er begegnete mir gestern zum ersten Mal in
meinem Computerzimmer. Fast wäre ich über ihn gestolpert, aber zu
meinem Glück konnte ich mich noch rechtzeitig mit meiner Gürtelschnalle
an der quietschenden Messingklinke der Tür von meinem vier Quadratmeter
großen, begehbaren Schuhschrank aufhängen. Nachdem ich mich von der
Klinke erfolgreich abmontieren konnte, drehte ich mich zu Mamas neuem
Freund um. Er lehne mit seinem Teleskophals locker-lässig an der
zitronengelben Zimmerwand. Insgesamt strahlte das Wesen vor mir
ziemlich blau und wirkte relativ ungelenkig im Gegensatz zu manch
anderen Genossen seiner Art. Ich sprach es schließlich mit folgenden
Worten an: " Meine Güte, schon wieder ein neues Ding von dieser Sorte
hier, so langsam nimmt eure Gesellschaft wirklich Überhand. Seh' bloss
zu, dass du dich nicht noch einmal in meinen Weg stellst!" Auf diese
zwei Sätze, die aus mir heraussprudelten wie das Wasser aus einer
Quelle, antwortete das Wesen nur mit einem leisen "KNACK". "Toll",
dachte ich laut, "und was nun? Wo ist denn deine Freundin? Ich bin es
sicherlich nicht..." Ich ging eine Weile in mich und erinnerte mich an
meine haarsträubende Kindheit zurück und an die vielen Erfahrungen mit
Mamas "Freunden". Damals, an meinem siebten Geburtstag (ein königliches
Alter), erlebte ich das ganze Theater zum ersten Mal mit, als meine
Mutter mir mein Geburtstagsgeschenk wegnahm. Anstatt des gewünschten
Radios, bekam ich einen, meiner Mutter zufolge, wunderschönen Gefährten
für mein Leben von meiner Familie geschenkt; ganz für mich alleine, zum
Knuddeln und Liebhaben geeignet. Es handelte sich dabei um einen
lindgrünen, sportlich-eleganten, leistungsstarken, attraktiven und
praktischen Staubsauger.... Vor lauter Freude konnte ich mich kaum auf
den Beinen halten.Wow, war ich stolz auf dieses Exemplar, fast so stolz
wie ein Bauer auf seinen impotenten Bullen. Aber mir blieb ja nicht
viel übrig als innerlich vollkommend deprimiert den Staubsauger
irgendwie in mein junges Leben zu integrieren. Doch so sehr ich mich
auch um eine Freundschaft mit ihm bemühte, es wollte einfach nicht
funktionieren. Er wurde größtenteils von mir ignoriert, da er sich
total unkooperativ mir gegenüber verhielt und meine Interessen nicht im
Geringsen teilte. Doch angeblich, so predigte meine Mutter Tag für Tag,
sind so Staubsauger ziemlich bewegungsfreundlich und brauchen
regelmäßig ihre Zuwendung. Aber auch diese Aussagen ignorierte ich, bis
ich eines Tages von der Schule nach Hause kam und vor meiner Zimmertür
stand. Ich erschrak tierisch und hörte nur noch den dröhnenden,
monotonen Sound des lindgrünen, sportlich-eleganten, leistungsstarken,
attraktiven, praktischen Staubsaugers und das Getrampel meiner Mutter,
die vergnügt mit meinem Geburtstagsgeschenk durch mein Kinderzimmer
heizte. Bei dieser Konstellation blieb es dann. Meine Mutter verstand
sich mehr und mehr mit MEINEM Staubsauger, ja, sie hatten sich richtig
lieb. Ihren alten, unmodernen Staubsauger vernachlässigte meine Mutter
dafür.Sie und der Neue wurden Freunde fürs Leben und führten eine
intakte Beziehung. Von ihm bekam sie auch, so vermute ich, ihren ersten
Zungenkuss, als sie wieder einmal zu tief in sein Rohr guckte. Ich weiß
nicht, ob er auch in ihrem Bett schlief, aber gewundert hätte mich das
nicht. Nach ca.dreijähriger, äußerst intensiver Beziehung mit meiner
Mutter, gab der Sauger schließlich seinen Geist auf. Drei Jahre lang
hielt er es mit meiner Mutter aus, ohne zu jammern! Das verdient
höchsten Respekt und einen ehrwürdigen Abgang. Wir schenkten Mamas
Freund zum Abschied seiner Laufbahn eine Intensivzerstörung beim
Schrotthändler. Damit meine Mutter keine Depressionen,durch Einsamkeit
ausgelöst,bekommen musste, handelte mein Vater schnell. Er hatte Angst,
dass sie wohlmöglich noch selbst zum Staubsauer mutieren würde. Daher
kaufte er einen Staubsauger, der dem Vorgänger sehr ähnlich war. So
konnte mein Vater in Frieden weiterleben, denn meine Mutter war stets
beschäftigt und der neue Sound des neuen Staubsaugers übertönte die
grelle Sirenenstimme meiner Mutter bestens, was für unsere Familie eine
reine Wohltat war. Irgendwann wurde meine Mutter dann größenwahnsinnig.
Sie kam mit einem Staubsauger nicht mehr aus und brauchte dringend
Abwechslung und den neusten Sound. Also schlappte sie kurze Zeit später
durch die Hightech- Lädchen der Weltmetropole Wipperfürth, auf der
Suche nach Freunden. Bis heute hatten wir ca. 15 Staubsauger in den
verschiedensten Varianten, aber keiner von ihnen übertraf MEINEN
lindgrünen, sportlich-eleganten, leistungsstarken, attraktiven und
praktischen Staubsauger. Zurzeit besitzen wir (oder eher gesagt meine
Mutter) dank dem Wesen, dem ich gestern begegnete, drei Staubsauger.
Klasse. Den Neuen nannte man dann liebevoll "FIF", damit ich ihn von
den anderen unterscheiden kann.Irgendwie ist er mir mitlerweile auch
sympatisch, denn er tut (ebenso wie die anderen beiden) ein gutes
Werk. Er hält uns Mama grundsätzlich vom Leib und sorgt bei ihr für
gute Laune. Was wäre unser Leben bloß für uns ohne einen Genossen wie
FIF?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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