Schweißgebadet sah ich mich um. Jeden Moment könnte er aus irgendeiner Ecke des Waldes kommen. Ich merkte, wie ich zitterte. Ich hatte Angst, so sehr, dass mir die Luft weg blieb. Ich hörte ein Rascheln, drehte mich um und sah... ihn, Andre. Der einzige Junge, von dem ich sagen konnte, dass er mir wirklich etwas bedeutete. Aber auch der einzige Junge, vor dem ich wirklich Angst hatte. Ich merkte, wie ich schrie. Ich wollte nicht schreien, versuchte gegen meinen Verstand anzukämpfen. Wenn ich schreien würde, würde er böse werden.. würde mich fassen. Ich schloss meine Augen, wieder hatte ich die Bilder von dem Tag vor Augen. Ich schüttelte den Kopf, wollte nicht daran denken, tat alles um den Gedanken zu verdrängen. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und erschrack. Ich schüttelte mich. Er sollte die Hand von mir nehmen, nie wieder wollte ich von ihm berührt werden. "Nein", glitt es mir über die Lippen. "Nun wehr dich nicht.", sagte Andre mit seiner sanften Stimme. Jedesmal von neuem erschrack ich bei der Liebe, die seine Stimme ausdrückte. Ich liebte diese Stimme... und doch hatte ich schreckliche Angst. In meinem Kopf gab' es einen Wettkampf zwischen Liebe und Angst.. die Angst siegte. Ich schlug um mich, sah wie er einen Moment taumelte und nutzte die Gelegenheit um loszurennen. Ich rannte so schnell ich konnte, rutschte ständig auf den nassen Blättern aus und hörte seine wütende Stimme. "JEN! Bleib hier, wenn ich mit dir reden will.", schrie er, doch ich hörte nicht auf ihn, ich rannte nur noch schneller. Die Luft blieb' mir weg.. Was wollte er? Wollte er mich küssen? ich musste zugeben, ich liebte seine Küsse. Aber was, wenn er mich wieder schlagen würde? Was, wenn er mich festhalten würde? Was, wenn er mich wieder zu etwas zwingen würde, was ich nicht wollte? Ein Schauer durchströmte meinen Körper. Er schrie noch lauter. "Du sollst hierbleiben hab' ich gesagt!". "Nein!", schrie ich und rannte weiter. Ich stolperte und fiel hin. Dann wurde es plötzlich schwarz...
.. das Nächste, was ich weiß ist, dass ich in einem Raum, ganz in weiß, aufgewacht bin. Ich hatte schreckliche Kopfschmerzen, und alles an mir brannte vor Schmerz. "Was ist passiert?", fragte ich eine Frau, die neben meinem Bett stand. "Wo bin ich?" Sie sah mich an, ich glaubte ein Lachen auf ihren Lippen zu sehen, doch ich irrte mich, wie sich herrausstellte. Besorgt blickte sie mich an. "Du bist im Krankenhaus... und .. was passiert ist, soll dir besser einer der Ärzte erzählen. Ich bin von der Polizei. Man hat mich hier rein gelassen, um dich zum gestrigen Tag zu befragen.. Kannst du dich an irgendetwas erinnern? .. ich darf doch du sagen?" Ich stockte. Es fiel mir schwer ihr zuzuhören. "Ich... nein.. ich kann mich nicht erinnern... aber...", brachte ich noch über die Lippen. Dann schlief ich ein. Einige Stunden später wachte ich auf. Zumindest kam es mir so vor, als wären es Stunden gewesen. "Wie ich sehe, hast du leichte Schwäche-Anfälle.. was nach so einem Erlebnis durchaus berechtigt ist.", sagte ein weiß gekleideter Mann. "Er muss ein Arzt sein", schoss es mir durch den Kopf, aber ich wollte ihn nicht danach fragen. "Ich bin Dr. Hellinger, Christian Hellinger...", sagte der junge Arzt und setzte sich auf einen Stuhl neben meinem Bett. "Ich muss nun einige Untersuchungen durchführen.. ich hoffe das bereitet nicht allzu große Umstände.", sagte er und lächelte freundlich. Ich konnte nichts erwidern. Natürlich hatte ich nichts dagegen, doch mir fehlte die Luft und die Kraft zu Sprechen. Also nickte ich nur.
Die Nadel schwebt über der zarten, verletzlichen Haut in meiner Armbeuge. Ich spüre den winzigen Stich, als sie sich in meine Haut bort, dann einen starken, tiefen Schmerz während sie sich in die Vene schiebt. "Fast fertig.", sagt der Arzt. Als er die Nadel herrauszieht, quillt etwas Blut aus dem Einstich. Er hält ein Wattebausch darauf, den ich festhalten soll, damit er nicht wegrutscht. Dann klebt er es mit etwas Klebeband fest. Er gibt das Blut in drei verschiedene Phiolen, die mit Farbstreifen versehen sind.. lila, grau und rot. "Hast du irgendwelche Allergien?", fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf. "Nimmst du zurzeit irgendwelche Medikamente ein?" Mein Mund formt das Wort "Nein". Es dürfte kaum hörbar sein, aber es scheint auszureichen. "Besteht die Möglichkeit, dass du schwanger bist?" Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Was sollte das? "Diese Frage muss ich dir stellen, damit die Untersuchungen vorrangehen..", sagte er lächelnd, als schien er meine Gedanken lesen zu können. Ich schüttelte den Kopf. "Wann hatten sie das letzte mal Geschlechtsverkehr? Auch das müssen wir wissen." Ich dachte nach.. Wann war das gewesen? Es musste lange her sein. Ich konnte mich nicht genau erinnern. Wahrscheinlich war es noch aus der Zeit mit Andre. Der Arzt schien mein Grübeln zu bemerken. ".. darf ich vorher wissen, wie alt sie sind?" Ich blickte ihn an. "17", sagte ich kaum hörbar. "Den letzten Geschlechtsverkehr hatte ich vor ungefähr 6 Monaten", sagte ich noch leiser. "Und die letzte Periode?" Wieder sah ich ihn mit großen Augen an. Ich dachte nach.. "vor 3 Wochen", sagte ich dann entschlossen. Er sagte etwas, doch ich hörte nicht was es war. Mich überkam schreckliche Müdigkeit. Meine Augen fielen zu und ich schlief erneut ein.
Langsam schlug ich die Augen auf. Wie spät war es? Ich sah die Uhr an der Wand, doch ich konnte nicht erkennen, wie viel Uhr sie anzeigte. Dann sah ich Dr. Hellinger. Ich blickte ihn fragend an. Er schien zu verstehen. "Es ist 17 Uhr. Du hast ungefähr 4 Stunden geschlafen.. Ach.. nch etwas. Könnte ich deinen Namen erfahren?" Ich lächelte gequält. "Jen.. Jennifer Müller." Er erwiderte mein Lächeln. "Okay, Jen." Irgendwie fühlte ich mich bei ihm geborgen.. Er war Arzt, das wusste ich, aber er war sehr nett, groß, braungebrannt, hatte dunkle Haare und blaue Augen.. einen perfekten Körper außerdem. Er sah mich an und schien meinen musternden Blick zu bemerken. Schnell sagte er: "Hast du sonst irgendwelche Schmerzen?" Ich nickte. "Mein Bein tut weh... oder eher mein Oberschenkel.. die Innenseite." Er nickte und blickte besorgt drein. Er drückte einen Knopf neben meinem Bett und wenig später stand eine Schwester im Raum. "Würdest du sie kurz nach Wunden untersuchen?" Sie nickte freundlich und Dr. Hellinger verließ den Raum. Sie untersuchte mich, erwähnte, dass ich am Rücken einige Schirfwunden hatte, wahrscheinlich von einem Sturz. Dann sah sie meine Beine genauer an. Sie blickte erschrocken drein. Ich wollte mich aufrichten um nachzusehen, was sie so erschrocken machte, doch mir fehlte die Kraft. "Ähm.. entschuldige mich kurz." Mit diesen Worten verließ sie den Raum und kam wenige Minuten später wieder herrein, mit einem Mann im Schlepptau. "Ich finde, das sollten sie vielleicht fotografieren.", sagte sie zu dem Mann und erklärte mir, dass er der Polizeifotograf sei. Ich nickte. "Sind Sie einverstanden?", fragte mich der Fotograf. Wieder nickte ich. Zu mehr war ich nicht fähig. Als er fertig war brachte mir eine andere Schwester etwas zum Anziehen. Ich lag, abgesehen von einem Zerissenen T-Shirt und einem ebenfalls zerissenen Slip völlig nackt im Bett. Ich stand mit Mühe aus dem Bett auf und zog mir die Sachen an. Dann brachte mir eine der Schwestern das Abendessn. Auseinanderhalten konnte ich die Schwestern nicht. Alle sahen so gleich aus.
Ich rieb' mir die Augen. Anschienend war ich wieder eingeschlafen.. das Tablett stand noch so wie es war auf dem kleinen Tisch neben meinem Bett. Ein Wecker stand dort außerdem, und ein Zettel mit einer Telefonnummer lag ebenfalls dort. Es war 8 Uhr Morgens. Ich überlegte. Sollte ich die Nummer anrufen? Ich griff zum Höhrer und wälte.. "Ja? Christian Hellinger hier?", hörte ich die sanfte Stimme des Arztes am anderen Ende der Leitung. "Aeh... hier ist Jen. Ich hab Ihre Nummer hier liegen sehen." Das Sprechen fiel mir schon wesentlich leichter heute. Ich hörte ein Lachen in der Leitung. "Ich dachte, ich lege sie dir dort mal hin, falls du mit mir sprechen möchtest. Wie geht es dir?" Ich lächelte. "Schon viel besser." "Das ist schön.. Naja, ich habe hier noch einen Haufen Arbeit. In zwei Stunden bin ich dann in der Klinik. Wenn etwas wichtiges ist, oder dir etwas wieder einfällt was mit dem Tat-Tag zu tun hat, ruf mich wieder an. Ciao." "Ciao", sagte ich noch, doch er hatte schon aufgelegt. Somit hörte ich nur ein lautes, durchdringendes Piepen in der Leitung. Ich legte den Höhrer wieder hin und stand auf. Ich streckte mich. Ein stechender Schmerz durchfuhr mich. Ich blickte mein Bein an. "DEAD", stand dort in Großbuchstaben reingeritzt. Sicher, ich hatte eine Zeit lang geritzt... Aber daran konnte cih mich nicht erinnern. Ich schloss die Augen, einige Bilder schossen mir durch den Kopf. Andre neben mir, er hat ein Messer in der Hand, hält es an mein Bein, und zieht es über meine Haut. Bei der Vorstellung begann ich zu schreien. Ich konnte nicht mehr unterscheiden was real war und was Vorstellung. Eine Schwester platzte herein. "Ist etwas passiert?", fragte sie besorgt. "Ich habe nur schlecht geträumt", sagte ich, was ja nicht einmal gelogen war. Sie nickte und verließ den Raum wieder. Ich setzte mich auf mein Bett und biss einen Stück von dem Brot von Abends ab. Es schmeckte alt.. war trocken. Ich legte es zurück und legte mich hin. Gedanken schwirrten mir durch den Kopf......
... Ich schlug die Augen auf. Wieder dieser weiße Raum. Ich stand aus dem Bett auf. Mein Bein schmerzte noch etwas, aber sonst ging es mir relativ gut. Zumindest den Umständen entsprächend. Ich öffnete den Kleiderschrank. Dort hingen einige Jeans und Oberteile.. Jemand musste mir Klamotten gebracht haben. Aber sie waren nicht von mir. Ich ging ans Waschbecken und wusch mich. Dann schlüpfte ich in eine Jeans und einen warmen Pulli. Ich wollte mich gerade auf das Bett setzen, als es an der Tür klopfte. Ein Polizist kam herein. "Miss Müller, nehme ich an?", fragte er und reichte mir die Hand. Sie fühlte sich warm an. Ich nickte und blickte ihn mit großen, fragenden Augen an. "Nun.. ich muss ihnen etwas nicht sehr erfreuliches mitteilen." Mein Atem stockte, ich schluckte. "Ihr Bruder... er wurde ermordet. Das heißt, wir vermuten, dass es ihr Bruder ist. Wenn sie sich stark genug fühlen, kommen sie bitte mit mir um ihn zu identifizieren. Wir konnten weder ihre Mutter, noch ihren Vater ausfindig machen.", fuhr er fort. Tränen schossen mir in die Augen. Daniel? Tot? Nein, das konnte nicht sein. Das war einfach nicht möglich. Hab ich richtig gehört? Ermordet? Wer konnte so etwas tun.. Er war doch erst 8 Jahre alt. Ich dachte an die Schnittwunde auf mienem Bein. "DEAD", hatte dort gestanden. War das damit gemeint? Dass jemand mienen Bruder umgebracht hatte? Ich merkte, wie mir etwas nasses auf den Arm tropfte. Ich weinte.. Ich hatte Daniel mehr geliebt als alles andere. Er war so jung, und doch so reif. Er war immer für mich da gewesen, wenn Mama und Papa sich wieder gestritten hatten. Ihn hatte das ganze viel weniger mitgenommen als mich. Eine Hand streifte meinen Rücken. Christian Hellinger hatte einen Arm um mich gelegt. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er herein gekommen war. Völlig automatisch legte ich mienen Kopf an seine Schulter und weinte. "Jen?" Ich hob den Kopf und sah ihn an. "Gehst du mit Herr Paulo mit? Danach kannst du wieder nach Hause.. deine Wunden müssen nurnoch fertig heilen. Aber dafür musst du nicht hier bleiben." Ich nickte und stand auf. Packte miene Sachen zusammen und folgte Herr Paulo ins Auto. Natürlich hatte ich auch den Zettel mit Christians Telefonnummer eingepackt.. Vielleicht würde ich ihn irgendwann anrufen.
Wir kamen an. Ich stieg aus dem Wagen und betrat zusammen mit Herr Paulo die Leichenhalle.. Eine Gerichtsmedizinerin kam auf uns zu. "Ich bin Sabrina Schuster", stellte sie sich vor. "Sie sind hier um ihren Bruder zu identifizieren, nehme ich an?" Ich nickte. Sie hob die Schutzhaube von einem der Betten. Ich schluchzte. "Er ist es.", sagte ich unter Tränen. "NEIN!", schrie ich. Und weinte bitterliche Tränen. "Er wurde im selben Wald gefunden, in dem wir auch sie gefunden haben.", erklärte Herr Paulo. Ich schluckte. War es Andre gewesen, der uns das angetan hat? Ich wusste, wie grausam er sein konnte. Aber ich wusste auch, dass er mich liebte und immer versucht hat nichts zu tun, was mich verletzten würde. Ich stürzte aus dem Raum, rannte zum Auto, riss meine Sachen heraus und lief so schnell ich konnte davon. Wohin, wusste ich noch nicht. Warum, wusste ich auch nicht. Ich hörte die Stimme des Polizisten hinter mir, doch ich verstand nicht, was er sagte. Ich kam an eine Kreuzung.. überlegte, kam zu dem Entschluss nach Hause zu gehen und lief rechts um die Ecke.. Mir blieb der Atem weg, ich konnte nicht mehr und ließ mich erschöpft auf den Hausstein fallen. Ich klingelte. Niemand öffnete. Wie sollte ich jetzt rein kommen? Ich erinnerte mich, dass Mutter immer einen Schlüssel unter einem Stein versteckt hatte, hob den Stein hoch und tatsächlich, der Schlüssel war noch da. Ich nahm ihn und schloss mit zittriger Hand die Tür auf. Ich ging hinein. "Mum? Dad?", rief ich und betrat das Wohnzimmer. Anscheinend war niemand hier. Es lag ein Zettel auf dem Tisch. Er trug das Datum von Mittwoch.. also vor 3 Tagen. "Hallo Jen, Vater und ich sind einige Tage verreist. Werden vorraussichtlich am Dienstag zurück sein. Falls du nach Hause kommst und das liest, möchte ich, dass du dich um deinen Bruder kümmerst. Er kommt morgen Abend von Thomas zurück. Er hat bei ihm geschlafen. In Liebe, Mum." Ich weinte. Das erklärte, wieso Daniel sich im Wald aufgehalten hat. Heute war Samstag. Wie sollte ich es so lange allein aushalten? Ich ging in die Küche. Ein Zettel auf dem Küchentisch. Eine Schrift, die ich nie zuvor gesehen hatte. "Jenny, wenn du deine Eltern wiedersehen willst, behalt besser alle deine Erinnerungen für dich." Wer hatte das geschrieben? Auf jeden Fall jemand, der auf irgendeine Weise ins Haus gekommen war. Ich hatte einen Klos im Hals und bekam kaum Luft. Wer einmal ins Haus kommt ohne ein Schloss zu knacken, schafft das auch ein weiteres mal. Aber wer war es? Jemand, der nicht wusste, dass ich mich an nichts mehr erinnern konnte.
Ich ging einmal durchs Haus. Alles hier war genau so, wie an dem Tag als ich abgehauen bin, um nicht zuhören zu müssen, wie Mum und Dad sich stritten. Aber anscheinend war alles wieder in Ordnung. Ich ging in das Zimmer von Daniel. Es sah verwüstet aus. Anscheinend lagen meine vorherigen Vermutungen falsch. Daniel war nie unordentlich gewesen. Scheinbar wurde er hier von irgendjemandem überrascht. Als er fliehen wollte, warf er mit Sachen um sich, um dem Verfolger den Weg zu versperren, oder zu erschweren. Ich schloss die Augen, wollte nicht weiter darüber nachdenken, versuchte alle Gedanken zu verdrängen. Dann hörte ich plötzlich, wie die Tür ins Schloss fiel. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Schwere Schritte waren unten im Flur zu hören. Ich hatte Angst, wollte schreien, doch meine Stimme versagte. Wer war dort im Haus? Woher hatte er einen Schlüssel? Und was zum Teufel wollte er hier?
Ich ging auf den Balkon direkt an Daniels Zimmer. Diesen Weg hatte Daniel oft genutzt, um das Haus unbemerkt zu verlassen. Er war sehr sportlich und der geborene Kletterer, doch ich musste einfach dort hinunter. Konnte keine Minute mehr warten, denn die Schritte waren schon am oberen Ende der Treppe, also nurnoch wenige Meter von der Zimmertür entfernt. Der Unbekannte kannte sich anscheinend gut in unserem Haus aus. Ich kletterte so schnell ich konnte über das Gelender des Balkons, ich hörte wie sich die Tür öffnete und sprang, ohne nachzudenken herunter. Es war ein harter Aufprall, und ich rannte ins Gebüsch, anscheinend hatte der Unbekannte meinen Aufprall gehört. Er war jetzt auf dem Balkon, aber ich konnte nicht erkennen wer es war. "Komm raus Kleines. Ich hab dich gesehen. Ich weiß, dass du hier bist.", sagte eine ernste, tiefe Stimme. Ich atmete erleichtert aus. Es war nicht Andre gewesen. Andres Stimme war ganz anders. Die Erleichterung hielt nicht lange an, als der Unbekannte weitersprach. Ich verstand nicht, was er sagte, aber seine Stimme machte mir Angst. Sie klang so brutal und gefährlich. Mit leisen Schritten ging ich weiter durch das Gebüsch und versuchte keinen Ton von mir zu geben, und nicht zu rascheln. "RUMS!", machte es hinter mir. Er war vom Balkon gesprungen. Ich wusste, dass er wusste wo ich war. Also stürmte ich aus dem Gebüsch und rannte so schnell ich konnte davon, seine Stimme wurde immer lauter, kam immer näher. Ich war immer eine gute Läuferin gewesen, aber er war schneller...
Er schlang seine Hände um meinen Hals und packte mich. Er drückte mir die Luft ab. Ich wurde ruhig, zappelte nicht mehr und hielt still. Er ließ locker und ich konnte mich umdrehen. Er trug eine Halloween-Maske. Ich sah ihn an. "Keine Angst, Kleines.", flüsterte er. "Ich werde dir nichts tun, solange du mir nichts verweigerst." Er griff grob nach meinem Arm und zog mich zurück ins Haus. Er führte mich ins Wohnzimmer. Ich hatte schreckliche Angst, doch ich sagte keinen Ton, schwieg vor mich hin und spürte wie der Schweiß mir auf der Stirn stand. Ich wusste, er hatte die Maske abgenommen, denn ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Nacken. Ich zitterte und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Er küsste meinen Hals. Ich wollte das nicht, doch ich ließ es über mich ergehen. Langsam, und sehr sanft zog er mein Oberteil hoch und strich es über meinem Kopf ab. Er drückte mich auf die Couch und verband mir die Augen. Jetzt öffnete er langsam den Knopf meiner Hose. Ich schrie. "Ruhig, Kleines. Denk an meine Worte", sagte er leise. Ich blieb' still liegen. Ich wollte noch nicht sterben. Nicht so, nicht, wenn ich die wahl habe. Also bewegte ich mich nicht. Ich konnte mir ausmalen, was jetzt gesehehen würde und bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht. Ich hätte auf der Stelle kotzen können, doch ich verkniff es mir. Er zog sanft meine Hose und mienen Slip aus, und machte auch seine Hose auf, das hörte ich. Ich spürte nichts mehr, traute mich nicht einmal zu atmen. Plötzlich durchzog ein stechender Schmerz meinen Körper. Er war in mich eingedrungen und bewegte sich in mir. Ich schrie auf. Es tat weh. Nie zuvor hatte mir jemand dabei so weh getan. Irgendwie schoss mir plötzlich eine Zeitschrift durch den Kopf, wenn es weh tut, solle man sich entspannen. Also versuchte ich mich zu entspannen. Die Bewegungen wurden sanfter. Oder kam es mir nur so vor? Auf einmal wurde mir klar, dass ich es genoss. Ich lächelte. "Gut so, Kleines.", sagte er und stieß stärker in mich hinein. Es tat gut. Aber andererseits wollte ich es nicht. Ich zappelte. War unsicher, was ich tun sollte. Wieder tat es weh, also versuchte ich mich zu entspannen. Ich konnte spüren, wie er lächelte. Dann war es auf einmal vorbei. Ich hörte, wie er den Reißverschluss seiner Hose zumachte. Dann knallte die Tür. Er war weg.
Ich lag regungslos auf der Couch, vermochte es nicht mich zu bewegen. Was war passiert? Hatte dieser Mann mich gerade vergewaltigt? Konnte man es so nennen? Ich wollte es nicht, aber im Nachhinein tat es doch gut. War es also eine Vergewaltigung? Ja, war es. Ich war vergewaltigt worden. Ich erschauderte. Warum? Was hatte ich, was ihm nicht jemand anders geben konnte? Wieso gerade ich? Wieso suchte er sich nicht einfach jemanden, der es wollte? Ich war verwundert über mich selbst. Wieso nahm ich es ihm so übel, wenn es mir doch gefallen hatte? Langsam strich ich mir die Augenbinde von den Augen und blickte durch den Raum. Er war tatsächlich weg. Ich zog mich wieder an und schaltete das Radio ein. Ich drehte es so laut es ging und sang aus vollem Hals mit. Dann schossen mir Bilder durch den Kopf, von mir und meinem kleinen Bruder, wie wir oft zusammen getanzt haben. Ich schlug die Hände vors Gesicht, bekam kaum Luft, konnte nicht mehr richtig atmen und sank langsam auf den Boden. Dort hockte ich stundenlang zusammengekauert und weinte.. Ich würde der Polizei helfen, den Täter zu finden, dass war mir jetzt klar.
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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sarah Lang).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.12.2005.
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Sinnenflut
von Gerhild Decker
Eine Flut von Sinneseindrücken wird in den Gedichten von Gerhild Decker heraufbeschworen. Die Themenvielfalt ist so bunt, wie sie nur von einem intensiven Leben vorgegeben werden kann. Die Autorin ist mit der Realität fest verwurzelt, wagt aber immer wieder Ausflüge in die Welt der Träume und Wünsche. Kleinigkeiten, die an ihrem Wegrand auftauchen, schenkt sie genauso Beachtung, wie den grossen Zielen, die jeder Mensch in sich trägt.
Ein Gedichtband, den man immer wieder gerne zur Hand nimmt.
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