Manfred Kotgasser
E-Mail ans Christkind
Das fünfte Türchen am Adventkalender war offen, trotzdem wollte sich bei Bettina keine Weihnachtsfreude einstellen. Noch hatte es keine einzige Flocke geschneit. Nicht nur die Felder waren grau, ihre Gefühle ebenso.
Vor einigen Tagen hatte ihr der große Bruder verraten, es gäbe gar kein Christkind. Sie glaubte ihm natürlich kein Wort und lief nach Hause, um Mama zu fragen. Diese druckste eine Weile herum ehe sie zögernd etwas zu erklären versuchte...
Doch Bettina wollte gar nichts davon hören und war weinend in ihr Zimmer gelaufen. Es war, als stürze eine heile Welt zusammen. Nächtelang brütete sie traurig vor sich hin, sie wollte es einfach nicht wahr haben.
Doch heute, an diesem frühen Nikolausmorgen, kam ihr die geniale Idee! Lange vor dem Frühstück hüpfte sie aus dem Bett und startete ihren Computer. Sie konnte sein zähes hochfahren kaum erwarten, um endlich die Suchmaschine im Internet aufzurufen. Flink zappelten ihre Finger über die Tastatur, um alles, was mit dem Christkind zu tun hatte, möglichst schnell in die Suchzeile einzugeben.
Und schon bald erschienen zahlreiche Christkindbegriffe auf dem Bildschirm. Hastig blätterte sie von Seite zu Seite und notierte etwa 20 Adressen, die ihr ernsthaft genug erschienen. An alle gleichzeitig schrieb sie diese E-Mail:
„Liebes Christkind! Wenn es dich gibt, bitte schreibe mir zurück, du fehlst mir so sehr!
Deine Bettina“
Am liebsten hätte sie den ganzen Tag beim Computer auf eine Antwort gewartet. Doch da gab es erst mal Frühstück, dann Besuch von der Tante und noch so vieles, was ihre Geduld auf eine harte Probe stellte. Endlich, am frühen Nachmittag hatte sie wieder ein bisschen Zeit für sich... und für den Computer. Sofort klickte sie sich in ihre Mailbox.
Wow!!! Gezählte 12 Antworten waren gekommen. Hastig öffnete sie eine nach der anderen.... und ihre Enttäuschung wuchs. Werbung, nichts als Werbung für Handys, Kleidung, Spielzeug, das konnte sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen.
Verzweifelt wollte sie diesen dummen Kasten schon wieder ausschalten, als sich eine weitere Mail ankündigte. Im Betreff stand: „vom Christkind“. Geschwind öffnete sie die Nachricht und las...
„Liebe Bettina!
Natürlich gibt es mich, das Christkind. Du kannst mich vielleicht nicht sehen, aber du spürst mich ja. Immer wenn du glücklich bist, bin ich bei dir und bei allen Menschen, die anderen Freude bereiten. Darum bin ich zu Weihnachten besonders nah bei euch. Mit diesem Wissen wirst du auch heuer wieder ein fröhliches Weihnachtsfest erleben, kleine Bettina. Das wünscht dir in großer Liebe
Dein Christkind“
Mit jedem dieser Worte wurde dem Mädchen wärmer ums Herz, während draußen in der Kälte die ersten weißen Flocken auf diese Erde fielen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.12.2005.
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