Hans-Peter Zürcher

Der Weihnachtsbaum

17. Dezember 2005

Auf der Suche nach einem Weihnachtsbaum schlenderte ich an einem frühen Abend Mitte Dezember zwischen ausgestellten, auf Holzständern stehenden Tannen, durch die Rosenthal Anlage. Mitten drin zwischen den Bäumen stand eine kleine Holzhütte mit einem Schild. Mit < Holzhandlung Martin Nebel Hochwald > war dieses an -geschrieben. Neben der Hütte lag eine Fuchsschwanzsäge am Boden. – Nebel ist eigentlich der richtige Name für diesen trüben, neblig düsteren Wintertag -, ging mir durch den Kopf, – so etwas müsste man eigentlich nicht noch speziell anschreiben -. Nur wenige Leute standen, wie ich, zwischen den Bäumen, suchend nach dem richtigen. Eine jüngere Frau mit zwei kleinen Kindern war ebenfalls auf der Suche nach dem Baum. „Und, welcher gefällt dir denn besonders gut?“ fragte sie den älteren der beiden.

...Ich schaute Grossvater fragend an, als ob er mir sagen sollte, welcher mir gefallen würde. Die Auswahl war riesig, eben so riesig, wie mir die Tannenbäumchen selbst vorkamen. Der Wald wie auch die ganze hügelige Landschaft beim Schochenberg waren tief verschneit, wir warm angezogen und ausgerüstet mit einem Schlitten, Rücksack, Fuchsschwanz, einem Seil und Schnüren zum Binden des Christbaums.  Außer uns war niemand im Wald, das heisst, fast niemand. Spuren kreuzten sich im Schnee von Rehen und Hasen, aber auch eine Fuchsspur war auszumachen. „Das sieht man an der Schleifspur zwischen den Fußabdrücken“, erklärte Grossvater, „ die stammen von seinem langen, buschigen Schwanz“. Von den Tieren war nichts zu erblicken. Außer einer Elster, die von uns aufgeschreckt krächzend davon flog, war es still. Der Schnee unter unseren Schuhen knirschte bei jedem Schritt und die Schlittenkuven hinterließen ein schleifendes Geräusch. Gesprochen wurde nichts. Dampfender Atem stieg aus unseren Nasen und Mündern auf, als würden wir rauchen. Nebelschwaden zogen zwischen verschneiten Hecken und Bäumen hindurch. Trotz der Düsterheit des Tages war es wunderschön, konnte ich doch einmal mehr mit Grossvater im Wald herumstreifen. Nun standen wir da und hatten die Wahl. „Trinken wir zuerst einmal einen heissen Tee“, sagte Grossvater und machte den Schlitten frei, damit wir uns setzen konnten...

Der Bub wandte sich, ohne überlegen zu müssen, einem kleinen etwa siebzig Zentimeter kleinen Baum zu. „Dieser gefällt mir“, sagte er spontan. Seine Augen leuchteten hell auf und strahlten, als er mit seiner Hand fast zärtlich über die Äste der kleinen Tanne strich.

...der Weihnachtsbaum, der eigentlich noch eine gewöhnliche Tanne war, überragte mich um mindestens einem Meter. Als ich mit meiner Hand so über seine mit dunkelgrünen Nadeln bespickten Äste strich, löste sich Schnee und rieselte zu Boden. Grossvater saß noch auf dem Schlitten, blinzelte mir zu und nickte. „Ja, der ist schön, der wird sicher auch dem Christkind gefallen. Zuerst müssen wir ihn vom Schnee befreien“.  Als nun Grossvater neben mir beim Baum stand, schien mir dieser nicht mehr so riesig. Mit seinem Spazierstock rüttelte er am Stamm des Bäumchens und befreite ihn so vom Schnee...

Er war wirklich schön, dieser kleine, einmetersiebzig grosse Christbaum. Schön gerade gewachsen, die unteren Äste nicht zu dicht aufeinander. Auf der Lichtseite waren die Äste etwas länger, dies verlieh ihm eine gewisse Natürlichkeit. „ Der wurde gestern frisch in Hochwald geschlagen“. Der Händler hob ihn aus dem Holzständer, „da oben haben wir Schnee, darum ist dieser Baum noch nass“, meinte er weiter. Ich musste ihn ungläubig angeschaut haben, denn er meinte weiter: „ehrlich, alle kleinren Tannen sind aus unserer Pflanzung, die Größeren kaufe ich in Deutschland ein“. So kamen wir in ein Gespräch über die Haltbarkeit und dass ich letztes Jahr bei einem anderen Händler in Riehen einen < Dreitagesbaum > erwischt hatte. „Sie werden sehen, dieser Baum, eine Nordmanntanne hält garantiert länger und sie werden nächstes Jahr wieder einen beim mir Kaufen“. Während wir so daherredeten, schritten wir die < Baumparade > ab, Ausschau haltend nach etwas schönerem. Der Händler trug den auserwählten Baum mir ständig hinterher. „Ja, der ist wirklich sehr schön, also, der ist gekauft“, sagte ich letztendlich. „Eine gute Wahl“, meinte der Händler, „ich schneide ihnen noch den angespitzten Stumpf vom Stamm, der Baum nimmt das Wasser und sie Nahrung zwischen dem Holz und der Rinde auf. Bitte ins Wasserstellen, am Anfang säuft der wie ein Kamel“.

 ...“So, nun müssen wir ihn mit der Schnur zusammenbinden, so können wir ihn besser transportieren“ sagte Grossvater. Er begann von unten nach oben den Weihnachtsbaum einzuwickeln und noch eine Runde von oben nach unten. „Das müsste reichen, bitte bring mir doch den Fuchsschwanz“. In die Stille des Waldes ertönte nun das Raspeln der Säge, als wäre ein Bär am Schnarchen, jedenfalls dies stellte ich mir so vor. Nach kurzer Zeit lag die verschnürte Tanne im Schnee und wurde alsdann von Grossvater auf den Schlitten gebunden. Bevor wir den Heimweg antraten, holte er aus dem Rucksack eine Tafel seiner berühmten < Feldschiesserschoggi > hervor. „Eine kleine Stärkung haben wir uns nach dieser schweren Arbeit verdient, den Rest muss dann noch am morgigen Weihnachtstag das Christkind erledigen. Bis dahin stellen wir den Baum im Estrich in einen Kübel mit Wasser und damit das Wasser nicht gefriert, mischen wir Glyzerin dazu“, meinte er und brach für jeden ein Stück davon ab. Glücklich und zufrieden zogen wir mit unserer Beute durch die verschneite Landschaft nach Hause...

In ein weißes Kunststoffnetz gehüllt brachte ich dieses < Prachtexemplar > nach Haus. Auf dem Heimweg stellte ich mir vor, wie dieser Weihnachtsbaum wohl aussehen wird, nachdem er vom Christkind geschmückt worden ist.

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