Michael Lieshoff

Nur ein toter Troll ist ein guter Troll

 
Von den Tagen möchte ich Euch erzählen, von den Taten möchte ich sprechen, von großen Geschichten will ich es zu Euch verlauten lassen. In einer Zeit in der das Land nach Helden suchte, in der die Abenteurer glorreich waren, in der es Drachen und Dämonen gab und ha ! Einer Zeit, in der das Gold aus den größten Krügen fiel, die das Falkomannenreich zu bieten hatte ! Zu dieser Zeit lebte der Schwertmeister Eldoroth, gewandt und schnell mit dem Schwerte wie kein Anderer vor ihm. Es war auch die Zeit der Heilerin Brunhilde und des Handwerkers Paulus, die Eldoroth auf ihren Reisen begleitete. Von diesen Geschichten über meinen Meister möchte ich Euch nun erzählen ...
 
“Ja meine lieben Gäste ...” brummte der Trollvater mit dumpfen Worten in der dunklen feuchten Höhle in die kleine Feuerstelle hinein, “heute essen wir dieses leckere Lamm und morgen den kleinen Zwergenbraten dort oben.”
Der Tollvater mit dem langen grauen Bart zeigte mit der Hand an die Höhlendecke. Dort oben baumelte ein stabiler Holzkäfig hin und her. Er erzeugte wirre Schattenspiele an der Höhlendecke durch das helle Feuer der Feuerstelle.
“Helft mir !” klang eine leise Stimme von dort oben herunter.
“Frau !” brummte der Trollvater weiter, “du kannst unseren Gästen auftischen. Von den leckeren fetten Maden zuerst !”
Die dicke Trollfrau trabte herbei und hielt einen kleinen Toneimer in der einen Hand. Mit der anderen griff sie hinein und tat zuerst dem Trollvater, dannach Eldoroth, Paulus und zum Schluß Brunhilde eine reichliche Portion Bittermaden in die kleinen Tonteller auf. Dann kamen die Kinder herbei und auch ein Jungtroll, die sich ihre Portionen von der Trollmama abholten und sie sich vorzüglich munden ließen.
“Laßt es euch munden !” rief der Jungtroll, “dannach kommt der Hauptgang, das schöne Lamm !”
Brunhilde aß die Bittermaden mühelos, während Paulus und Eldoroth sie verabscheuten. Sie brachten es aber zustande wenigstens ein paar dieser fetten ekelriechenden Maden zu essen. Im Hintergrund über der Feuerstelle schmorrte das Lamm. Es roch erbärmlich nach verwestem Fleisch. Das Lamm hatte schon gut ein oder zwei Wochen in totem Zustand verbracht, bevor man es zubereitet hatte.
“Mutter, wir möchten die Schmankerl essen !” rief einer der Trollinge.
“Na sicher, hier, gib´ unseren Gästen auch welche ab !”
Die Mutter holte aus einem Korb kleine längliche mit schwarzem Fell bestückte Fleischspieße hervor. Sie rochen sehr streng und sehr verwest. Die Trollinge bissen die Toten Rattenkörper von den Spießen ab und schmatzten lecker dabei. “Schmakerl schmecken Trolling gut !”
Die drei Abenteurer brachten es beim besten Willen nicht zu stande die Schmankerl zu essen, während der Trollvater gleich zwei davon zu den Bittermaden verzehrte.
“Frau ! Du hättest sie noch ein paar Wochen reifen lassen sollen, dann würden sie besser auf der Zunge zergehen !” beschwerte er sich, nachdem er die Metallspieße ableckte, “Du kannst jetzt das Hauptgericht auftun !”
“Ich verstehe schon, das ihr Menschen die Schmankerl nicht mögt, aber probiert ersteinmal vom Lamm, sehr gut !” entgegenete der Jungtroll eifrig Schmankerl essend.
Die Trollmama tat den drei Gästen ein paar Stücke des jetzt sehr knusprigen verfaultem Lammes auf und würzte die Stücken mit etwas abscheulich stinkenden Bratensuts. “Laßt es euch richtig schmecken, ihr Menschenkinder !”
Wieder tat sich nur Brunhilde daran, von dem fauligem Fleisch zu essen, während Paulus und Eldoroth es gelang ihre Teller unauffällig in einer der vielen Höhlenecken zu entleeren.
Zu späterer Stunde legten sich die Trolle und die Gäste in ihre Schlafstellen und die Flamme der Feuerstelle losch langsam aus. Nur etwas später war die Höhle von lauten Schnarchgeräuschen erfüllt, die es den drei Abenteuerern schwer machten einzuschlafen.
“Helft mir !” rief es von der Höhlendecke herab, “Ich werde euch reich belohnen, so helft mir doch !Hört ihr mich ? Helft mir endlich !”
“Psst ! Zwerg, gib Ruhe” erwiderte Eldoroth, “wir haben einen Plan, sei endlich still !”.
Minuten verstrichen und Stunden vergingen. Flüsternde Stimmen waren zu hören. Plötzlich war Bewegung in der Höhle. Brunhilde richtete sich leise auf und entzündete eine Fackel an der Glut der Feuerstelle. Sie leuchtete die Höhle sehr schlecht aus. Aber für Eldoroth war es genügend Licht, um den Zugmechanismus des Holzkäfigs zu erblicken. Leise zog er sein Schwert und schlich sich gekonnt durch die Schlafstellen der Trollinge zum entfernten Mechanismus. Vor diesem schlief der Trollvater einen unruhigen Schlaf. Dann versuchte Eldoroth den schweren Mechanismus zu bedienen, doch es war vergeblich. Er bewegte sich kein Stück. Paulus schlich herbei und gemeinsam versuchten die beiden das Unmögliche.
Plötzlich drehte sich der Trollvater im Schlaf um und griff Paulus´ Bein. Er umklammerte es mit seinen großen Pranken und schlief weiter. Verzweifelt versuchte Paulus sein Bein zu befreien, doch wieder vergeblich. Es bewegte sich kein Stück und Panik breitete sich in Paulus Gesicht aus.
“Verdammt !” rief er, “Er hält mein Bein, Eldor helf mir !”
“Helft mir !” rief der Zwerg von oben herab.
“Psst !” rief Brunhilde aufgeregt, denn der Jungtroll drehte sich im Schlaf auf eine andere Seite.
Eldoroth zögerte und betrachtete das dicke Seil, daß mit dem Meschanismus und dem Holzkäfig an der Decke verbunden war. Abwechselnd dazu schaute er zu Paulus, dessen Bein fest von der Pranke des Trollvaters umschlossen war.
“Wir sitzen fest !” rief Eldoroth zu Brunhilde.
“Holt mich hier endlich raus !” schnaubte der Zwerg.
Dann richtete sich an der hinteren Höhlenwand ein Schatten auf. Groß und gespenstisch war er über die Hälfte der Höhlenwand verteilt. Ein junger Trolling war erwacht und beobachtete die Situation. Sein Blick schweifte von Brunhilde an der Feuerstelle zu Paulus, der verzweifelt den Trolling anschaute. Dann schaute er weiter und erblickte Eldoroth mit gezogenem Schwert vor dem Mechanismus stehen. Er schweifte weiter am Seil entlang und betrachtete mit hin und her schaukelndem Kopf den sich an der Höhlendecke bewegenden Holzkäfig. Plötzlich vergrößerten sich seine Augen und sein Mund öffnete sich um einen gellenden Schrei von sich zu geben.
“Menschen ! Böse Menschen wollen Zwergenbraten befreien !” hallte es durch die Höhle hindurch in die Ohren der schlafenden Trolle hinein.
“Schlag ihm das Schwert in den Kopf !” befahl Eldoroth. Mit einem mächtigen Schwung durchtrennte Eldoroth das dicke Seil, das den Käfig an der Decke hielt.
Paulus rammte dem gerade aufwachenden Trollvater sein Schwert in den Schädel. Schmerzerfüllt schrie er auf und Blut drang aus einer großen Wunde am Kopfe aus, während er den Griff an Paulus Bein verstärkte.
Die Trollinge erwachten. Der Jungtroll schreckte auf und griff zu seinem Speer. Die Trollmama erhob sich ebenfalls und griff nach einer schweren Keule. Ein quietschendes Geräusch erklang von dem in die Tiefe rasenden Holzkäfig, der mit einer gewaltigen Wucht auf dem Höhlenboden aufschlug und unter sich drei Trollinge begrub, die hier ihre Schlafstelle hatten.
Im gleichen Moment raste Eldoroth´s Schwert auf den Trollvater hinab und beendete den qualvollen Tod, den ihm Paulus besiegelte. Dieser bekam sein Bein wieder frei und wich sofort dem tödlichen Speerstoß des Jungtrolls aus.
Brunhilde hielt einige der Jungtrolle mit der Fackel in Schach. Die Schatten meherer Wesen spielten an den Höhlenwänden ein bizarres Spiel miteinander. Eldoroth sprang einen weiten Satz und sein Schwert glitt durch die Luft und versetzte der Trollmama einen tödlichen Hieb in die Seite. Grunzend und sich die offene Seite haltend ging sie zu Boden und verendete auf ihrer Schlafstelle. Paulus griff den Jungtroll an, doch dieser parierte die Angriffen voller Eifer. Von Zorn und Haß getrieben kämpfte der Jungtroll mit unerbittlicher Stärke und Paulus hatt Mühe sein harten Speerstößen auszuweichen.
“Hilfe !” rief Brunhilde, die von den Trollingen umstellt war.
Eldoroth rannte wie vom Berserkerwahn getrieben durch die Höhle und teilte Schwerthiebe in alle Richtungen aus, bis auch der letzte Trolling bei Brunhilde am Boden lag. Indessen hatte sich der Zwerg vom Sturz erholt und lehrte die letzten Trollinge, die in der Höhle wild umher liefen, saures. Mit einem sauberen Schlag beendete Paulus den Kampf mit dem Jungtroll. Er ging als letzter seiner Familie zu Boden und verfluchte die drei Gäste und den rebellischen Zwergenbraten. Dann schloß er seine Augen für immer.
Wie dichter Nebel hüllte der Tod die Höhle ein und Eldoroth säuberte seine Klinge an einigen Stoffresten, die am Boden lagen. Der Zwerg nickte zum Dank und versprach den drei Abenteurern eine reichliche Belohnung, wenn er seine Schatzkammer aufgeräumt hätte. Dann verschwand er in der Dunkelheit und auch die drei verließen diesen Ort des Grauens. Eldoroth warf einen kleinen Lederbeutel mit ein paar Mondrädern darin in die Höhle, auf daß der Fährmann diese Familie über den großen Fluß geleiten möge.
Ehrenvoll oder nicht ? Oder war es einfach nur Zwergenliebe zu dem gefangenen Zwergenbraten ? Man muß eben Prioritäten setzen, auch wenn die Gastfreundschaft noch so hoch erscheint, gibt es immer eine noch höhere Belohnung abzusahnen. Denn ... Nur ein toter Troll ist ein guter Troll !
 
So steht es geschrieben und so ist es geschehen,
aus den Geschichten über Eldoroth von Hügeltann.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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