Daniela Nitz

Zwei Freundinnen

An einem schönen Herbstmorgen, es war noch recht frisch, trafen sich zwei Freundinnen im Park. Sie gingen nebeneinander her und unterhielten sich über dies und jenes. Nachdem sie schon eine Weile gelaufen waren, hielten sie bei einer Bank und setzten sich. Susan, eine zierliche, kleine Frau Mitte zwanzig mit schönen grünen Augen, pechschwarzem langen Haar und ebenmäßigen Lippen, redete ununterbrochen, während ihre Freundin Elaine, genau das Gegenteil von Susan, ihr aufmerksam zuhörte. Elaine war groß, stämmig mit blonden, kurz gewellten Haaren und Augen so braun wie Haselnüsse. Sie fand es erstaunlich, dass Susan bei all dem Reden das Luftholen nicht vergaß. Sie konnte wirklich reden wie ein Wasserfall, über Gott und die Welt. Der Klatsch und Tratsch war ihre größte Leidenschaft, obwohl Susan nicht gleich alles für bare Münze nahm. Irgendwie hatte Elaine Susan für ihre offene und ehrliche Art immer bewundert, denn sie selbst wirkte eher zurückhaltend und nur nicht zuviel über sich preisgebend.
Aber was soll’s dachte Elaine, es spielte keine große Rolle, was die Leute über sie selbst dachten, hauptsache, sie vergaß nie, wer sie wirklich ist. „...und dann kam er doch tatsächlich auf mich zu und was hielt er in der Hand, eine süßes, schwarzes Katzenbaby. Oh Elaine du kannst dir gar nicht vorstellen, wie...Elaine hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Susan. Elaine antwortete nicht sofort. Sie war mit ihren Gedanken noch ganz woanders. „Elaaaine, hallo“, rief Susan abermals. Als Elaine endlich reagierte, meinte sie nur: „Schwarzes Katzenbaby. Keine Sorge Susan, ich war zwar in Gedanken, doch habe ich mitbekommen was du sagtest.“ Und lächelte sie an. Susan machte ein besorgtes Gesicht und fragte Elaine, was mit ihr los sei. Doch stur wie sie war, wollte sie mit der Sprache nicht rausrücken und meinte ein anderes Mal vielleicht.
Sie gingen zurück und setzten sich dann in Amy’s Cafe, um zu frühstücken. Das Cafe war rustikal und dennoch gemütlich eingerichtet. Die Wände und Decken in warme Brauntöne eingetaucht, verliehen dem Raum noch einen extra Touch an Wärme und man könnte sagen, auch etwas Geborgenheit. Dekoration wie Bilder, Tücher an den Decken und Pflanzen sorgten für gute Stimmung und Entspannung. Beide Frauen gingen sehr oft und gern hierher. Sie waren schon so was wie Stammgäste. Wie immer bestellten sie Brötchen, Ei, Orangensaft und Kaffee. Eine gute Mischung, um einen Tag so richtig schön anzufangen. Susan ging in ihr Büro, pünktlich wie sie immer war, machte sich Kaffee und fing dann an, den Stapel unerledigter oder neu hinzugekommener Briefe zu bearbeiten. Sie arbeitete schon seit 2 Jahren bei Caro & Telli, einer kleinen, bescheidenen Mediengestaltungsagentur. Die Arbeit machte ihr Spaß, weil es immer irgendetwas zu tun gab, ob es nun die Korrespondenz, die Organisationen von Events oder andere Aufgaben waren. Susan war und ist nie der Typ, der darauf wartet, dass es etwas zu tun gibt oder einen Job hat, wo sie vielleicht für eine halbe Stunde was zu tun hat und denn nur rumsitzen muss.
Elaine dagegen musste heute wieder zu ihrem "Lieblingsamt" das Jobcenter. Für sie war es fast genauso unmöglich einen Job als Verkäuferin zu bekommen, wie für viele ihrer Leidensgenossen auch, aber eines und das war eines der wichtigsten Dinge, die ihr Susan beigebracht hatte, sich niemals unterkriegen zu lassen oder aufzugeben. Früher war das anders, da verlor sie schnell mal den Mut und die Hoffnung. Es war bereits 10 Uhr und wie immer war Elaine überpünktlich, so konnte sie sich noch einen Becher Kaffee genehmigen, bevor sie halb 11 zur Sachbearbeiterin rein ging. Eigentlich sind diese Besuche für sie so unsinnig, wie es für jemanden, der seine Zeit besser nutzen könnte, anstatt hier für vielleicht 5 - 10 min redet und dann mit leeren Versprechungen und nichts Erreichtem wieder hinausgeht. Aber was soll's, sie musste und tat es. Ganz einfach! Es war soweit, Elaine klopfte an die Tür und trat nach einem lauten "Herein" ins Zimmer. Sie setzte sich auf den Stuhl und das Gespräch konnte beginnen. "Schönen guten Morgen Frau Lingens. Wie geht es ihnen und was gibt es neues?", wollte Frau Martens, die neue Sachbearbeiterin wissen. Elaine erwiderte den Gruß und meinte dann: "Nun es geht mir eigentlich gut, zumindest kann ich mich nicht darüber beklagen. Was die Stellenangebote betrifft, sieht es da nicht so gut aus. Leider immer noch unverändert. Ich hatte gehofft, dass sie mir noch einige Stellen geben könnten oder irgendetwas für mich haben." Frau Martens überlegte kurz, dann widmete sie sich ihrem Computer und schaute nach. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder sprach. "Nun, ich habe einiges, was für sie zutreffend ist, rausgesucht. Ah da sind sie ja, der Drucker ist etwas langsam. Aber hier bitte sehr und ich hoffe das sie bei einer dieser Stellen Glück haben werden. ", entgegnete sie und gab Elaine 4 Seiten mit Stellenangeboten. "Vielen Dank und auf Wiedersehen!", sagte sie und ging hinaus. Tja, was hab ich gesagt, nur 8 min dachte Elaine bei sich. Und dafür lohnt sich der ganze Aufwand eigentlich überhaupt nicht. Aber nun ja, erstmal schauen, was ich da so alles habe. Ist zwar nicht gerade viel, doch immerhin etwas. Sie wusste, dass es viele gab, bei denen so gut wie nie Angebote reinkamen und selbst sehen mussten, wie sie klar kamen.
Gesagt, getan ging sie nach Hause, um die Bewerbungen fertig zu machen. Sie saß am PC und wollte losschreiben, als das Telefon klingelte. Elaine nahm ab und hörte die vertraute Stimme ihrer Freundin Susan. "Hallo Elaine, na wie war's beim Amt?" "Naja sie hat mir wieder einige Stellenangebote mitgegeben. Wollte grad mit den Bewerbungen anfangen. Vielleicht sehen wir uns später beim Essen?", entgegnete Elaine. Susan freute sich natürlich auf das gemeinsame Abendessen und versicherte, dass alles so bleibt wie abgesprochen. Nachdem sie fertig war mit schreiben, alles in die Briefumschläge packte, schaute sie auf die Uhr und stellte fest, dass sie noch genügend Zeit hatte, um zur Post zu gehen, duschen und fertig machen für den Abend. Natürlich war es bei Amy's, ihrem Stammcafe. Wo auch sonst?!
Beim Essen fragte Susan: "Also was war denn heute früh los mit dir? Du klangst auf einmal so geheimniskrämervoll. Außerdem wolltest du es zu einem späteren Zeitpunkt erzählen. Und wie es aussieht, ist es jetzt später. " Und lachte dabei. Elaine ließ sich davon ein wenig anstecken, doch dann wurde sie ernst. Susan wusste eigentlich nicht viel über ihre Freundin, schon garnichts über ihre Vergangenheit. Doch sie wusste, dass Elaine in diesem Augenblick versuchte, etwas von sich und ihrer Person preis zugeben.

Man merkte ihr an, dass es ihr sehr schwer fiel, aber trotzdem... „Weißt du Susan, ich beneide dich um deine Familie sehr.“ Susan fielen bei dem Satz fast die Augen aus, denn damit hatte sie ja nun überhaupt nicht gerechnet, doch blieb sie still und hörte zu. „Ja wirklich! Deine Familie hat mich so nett bei sich aufgenommen, als ich das erste Mal bei dir gewesen bin. Und das, obwohl sie mich gar nicht kannten. So was ist mir fremd, von Seiten meiner Familie. Verstehst du?“ Susan verstand schon was sie meinte. Elaine erzählte von Anfang an. Wie ihre Eltern sich kennen lernten...Elaine war noch nicht auf der Welt, als ihr leiblicher Vater wegging. Doch als ihr Stiefvater bei ihnen einzog, fing alles an. Es waren anfangs nur Kleinigkeiten, dann als ihre Schwester geboren wurde, wurden die Unterschiede umso deutlicher. „... hatte ich etwas angestellt, musste ich meine Strafe absitzen. Doch wenn meine Schwester etwas tat, dann quengelte sie so lange herum, bis meine Eltern meinten...na gut, du kannst spielen gehen oder sonst was. Elaine mach dies, mach das, räum das Zimmer deiner Schwester auf. Und und und...“ Sie erzählte noch viel, wie schlimm es wurde, als sie ihre Ausbildung anfing, ja als sie überhaupt ihr erstes Geld in den Händen hielt. Es war kaum zu fassen, aber letzten Endes war sie nur ein Sparschwein für ihre Eltern und ein geduldetes Kind ihres Stiefvaters, der im verborgenen dafür gesorgt hatte, dass beide Kinder auf dermaßen unterschiedliche Art und Weise erzogen und aufgewachsen sind.

Elaine wollte das früher nie wahrhaben, doch im Grunde ihres Herzens wusste sie es schon sehr sehr lange. „... ich war immer die Dumme!“, schloss sie unter Tränen ihre Geschichte ab. Zum ersten Mal wurde Susan bewusst, dass sie für Elaine nicht nur eine gute Freundin war, sie hatte ihr auch gezeigt, was wirklich Familie und Freundschaft bedeutet. Sie nahm Elaine in die Arme und beide blieben den ganzen Abend noch so sitzen. Seit diesem Abend ist einige Zeit vergangen, doch Susan dachte noch sehr oft daran zurück. Sie und Elaine wurden noch engere Freunde und ihre Freundschaft zueinander hatte auch einen neuen Sinn bekommen, denn nicht alles ist nur bunt sondern auch schwarz und weiß.

 

 

- Ende -

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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