Marvin C. Stahl

Seltsame Sammler und Jäger!

Wort zum Sonntag

Wöchentliche Satire
(C) Marvin C. Stahl

Seltsame Sammler und Jäger!

Hallo Allemiteinander!

Menschen sammeln, horten, katalogisieren und tauschen die abartigsten Dinge. Ob es nun präparierte Aalaugen, alte Wurstzipfel, Strafmandate, benutzte und unbenutzte Kondome oder Gerippe von Totgeburten sind... nichts ist pervers und absonderlich genug, dass es nicht gesammelt werden würde. Es ist die ewige Jagd nach Vollendung, denn die Sammlung muss einfach 'komplett' sein, was immer das auch heißen mag. Das Sammeln erfüllt keinen tieferen Zweck, außer dem Sammeln selbst. Einem begehrten Stück hinterher zujagen ist sehr viel befriedigender, als es letztendlich zu besitzen.... denn der Weg bzw. die Jagd ist das Ziel!

Das klassische Sammeln von Briefmarken, Bierdeckeln und Zigarrenkisten voller ordentlich gebügelter 1000-Mark-Scheine ist ja noch zu verstehen, aber das erwachsene Menschen kleine Plastikfiguren aus Überraschungseiern zu zum Teil astronomischen Preisen kaufen und sammeln... Einige dieser Spielzeugpüppies kosten mittlerweile Hunderte und mehr Mark, so z.B. der auf Stelzen laufende Schlumpf. Und weshalb? Es gibt bestimmte Figuren seltener als andere und Sammler wollen selbstverständlich, dass ihre Sammlung vollständig ist. Die Nachfrage reguliert wie immer den Preis!

Der Preis den viele Sammler für ihre Leidenschaft zahlen ist hoch. Sie werden das, was die Psychologen 'Messies' nennen. Menschen die ihrer selbst produzierten Unordnung nicht mehr Herr werden. Messies gibt es in mehreren Stufen bzw. Klassen. Klasse 1 dürfte die häufigste sein, denn wer bekommt seinen Schreibtisch und dessen Schubladen denn wirklich in den Griff? Socken liegen bei diesen Leuten gemischt mit Kugelschreibern, Einwegfeuerzeugen und abgegriffenen Pornoheften in Küchenschubladen oder quellen einer Lawine gleich beim Öffnen des Kleiderschranks hervor und begraben alles, was im Wege steht.

Die zweite Klasse, zu denen die Sammler größerer Objekte wie Bierkrüge, Teddies, alte Wasserpumpen oder Nähmaschinen zählen, wird nicht nur nicht mehr Herr ihrer 'Ordnung', sie arrangieren sich mit dem Chaos. Bevor sie zu Bett gehen werden erst einmal eine Stunde lang Unmengen Objekte auf den Boden umgehäuft, auf Sitzflächen von Stühlen gestellt usw. Diese Leute verstehen einfach nicht, weshalb keine ihrer Freundinnen länger als 20 Minuten bei ihnen bleibt. Dabei könnte man vor dem 'Kuscheln' doch schnell gemeinsam alles auf den Boden stellen bzw. eine schnelle Nummer auf einer alten 1926er Singer schieben oder!?

Die dritte Klasse geht soweit, dass diese Messies nicht einmal mehr ihren Müll wegwerfen. Sorgfältig nach Kunststoff-, Papier- und Kompostmüll getrennt stehen Dutzende prall gefüllter großer, blauer Müllsäcke überall in der Wohnung verteilt. Da jede Woche neuer Müll anfällt, können sie nach einigen Jahren ihre Wohnung, die meistens aus 4 und mehr großen Räumen besteht, nur noch durch sorgsam zwischen den Müllbergen 'gebaute' Tunnels und Pfade betreten. Die sozialen Kontakte dieser 'Müllneandertaler' kommen für sie unverständlicherweise völlig zum Erliegen.

Allen Messies ist gemein, dass sie das kürzlich von mir entdeckte 'Laubenpieper'-Gen besitzen. Sie KÖNNEN einfach nix wegwerfen, denn sie leben in dem Wahn, daß alles irgendwann einmal gebraucht werden könnte... krumme, rostige Nägel kann man ja mal geradebiegen, ein wenig Öl und der aus der Kaiserzeit stammende Wasserhahn könnte wieder benutzt werden usw. usw. Die Schlüsselwörter sind KANN und KÖNNTE. Echte Messies werden niemals Nägel geradebiegen oder Wasserhähne ölen, aber sie KÖNNTEN es jederzeit tun. Bereit sein ist für sie alles!

Viele Sammler werden den Vorwurf ein Messie zu sein, natürlich weit von sich weisen. Es ist halt nur so, dass sich im Laufe ihrer langjährigen Sammlerleidenschaft Hunderte und Tausende Spielzeugautos, Sammeltassen, Bücher oder Holzbeine angesammelt haben, die nun auf unzähligen Regalen und Stapeln ihr tristes Dasein fristen. Ein entfernter Bekannter von mir lässt sich seit Jahren, von jedem den er kennt, LEERE Bierbüchsen aus aller Herren Länder mitbringen. Zuerst sahen die fünf, sechs Regale mit farbenfrohen Bierbüchsen recht dekorativ aus, aber inzwischen ist JEDE freie Fläche seiner Wohnung mit 8 Zentimeter breiten Brettern bedeckt, auf denen knapp 3000 (!) Bierdosen stehen. Er ist natürlich KEIN Messie!

Ich wünsche euch ein ordentliches und Sammeltrieb freies Wochenende!

Amen

Marvin

 

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