Christa Eva Walter

Sigmund Klemmer Erster Teil !

 

                                                        Sigmund Klemmer
 
Ich freute mich sehr, der lang ersehnte Abend zum Tanz war gekommen. Meine Freundin Inge wartete schon ungeduldig und sehr aufgeregt an der Tür auf mich.
Einen letzten Blick in den Spiegel wollte ich mir aber nicht nehmen lassen. Ich hatte mich nett gekleidet. Das schönste Kleid dass man in dieser Zeit in der Armut besaß, war wie ein Schatz für mich. Die Haare trug ich hoch gesteckt und in meinem Gesicht gab es nicht viel Farbe. Ein Lippenstift reichte dennoch völlig aus, denn mehr gab es auch nicht. Die Zeit, von der ich erzähle war nicht leicht, aber sie nahm uns leicht in ihre großen Hände. Ich ging zur Tür und hatte nur einen Gedanken an diesem Abend,... lass mich ein wenig Freude spüren.


Lass mich für einen Moment vergessen, wie hart das Leben zu mir ist. Inge und ich liefen durch die Straßen. Der Weg zu unserem Tanzlokal war nicht sehr weit. Wir lebten in einem kleinem Dorf, da gab es nichts, was eine große Entfernung gewesen wäre. Als
wir dort ankamen, sahen wir vertraute Gesichter. Es kam nicht allzu oft vor, dass man ein neues Gesicht entdeckte, aber heute
sollte sich mein Leben verändern!...  Auf der anderen Seite der Tanzfläche stand ein junger, sehr 
gut aussehender Mann. Meine Freundin Inge bemerkte ihn im selben Augenblick.


Ich würde ihn gern kennen lernen, dachte ich. Inge war nicht schüchtern, was man von mir eher behaupten konnte. Ich glaubte keine Chance zu haben und sah den hübschen Mann nur an. Plötzlich kam er auf uns zu, den Blick auf mich gerichtet. Mein Herz schlug schneller, ich wurde nervös. Inge flüsterte mir zu,... ich werde ihn fragen ob er mit mir tanzen möchte. Ich spürte ein
leichtes Gefühl der Eifersucht in mir aufsteigen. Er stand vor mir. Inge versuchte sich zwischen seinen und meinen Blicken zu drängen und stellte die mir zuvor angekündigte Frage an den jungen Mann. Möchtest du mit mir tanzen? Ich heiße Inge. Das ist meine Freundin Anna. 
Er nahm den Blick nicht von mir und sagte lächelnd,... ich bin Sigmund,... Sigmund Klemmer... Ich möchte dich nicht beleidigen, aber ich würde gern mit deiner Freundin Anna tanzen. Möchtest du mit mir tanzen, Anna? Meine Knie wurden weich und ich fühlte mich auf Wolken schweben,... das musste wohl der Beginn einer großen Liebe sein.  Sigmund führte mich
mit seinem faszinierenden 
Charme über die Tanzfläche. Er hatte Stil und ich erfuhr bei einer kleinen Unterhaltung, während des Tanzes, dass er ein Mann war der genau wusste was er wollte.


Nach diesem Abend, der leider viel zu schnell vorüber ging, brachte Sigmund mich nach Hause. An der Haustür fragte er mich,
kann ich dich  wiedersehen. Ich wollte nichts auf der Welt lieber, als ihn wieder zu sehen!... 
Er verabschiedete sich höflich,... ich
eilte die Stufen zur Wohnung hinauf um ihn vom Fenster aus noch sehen zu können. 
Ich hatte mich verliebt. Er war ein
besonderer Mann und Mensch.  In der nächsten Zeit trafen wir uns immer häufiger. Ich war zutiefst beeindruckt, von seiner Erscheinung und von dem was er zu sagen hatte. Die Gespräche mit ihm waren weit dieser Zeit voraus. Er wollte etwas aus
seinem Leben machen, aber nicht allein. 
Er hob seinen Kopf und sah mir fest in die Augen, dann lächelte er mich liebevoll an
und sagte, Anna möchtest du meine Frau werden? Ich war glücklich. Das Gefühl, dass dieser Mann mich so sehr liebte, so sehr
wie auch ich ihn liebte.  Ich berührte zärtlich seine rechte Wange und sagte,... Ja... :)) 



Er nahm mich in seine Arme und hielt mich geborgen und sanft, wie ein Kind. Wenige Tage später stand er vor unserer Tür. Er
trug einen Anzug und hatte einen kleinen Blumenstrauß in der Hand. Meine Mutter öffnete ihm die Tür. Guten Tag, sagte er. Sein Charme und seine besondere Ausstrahlung erreichten auch meine Eltern. Sie hatten nichts gegen eine Heirat mit Sigmund.
Am 9. Februar 1946 nahm er mich Anna Selma Richter zu seiner Frau. Von nun an hieß ich Anna Selma Klemmer,...  es war der schönste Tag in meinem Leben. 
Wir lebten in einer kleinen bescheidenen Wohnung. Sigmund machte jede Arbeit die unser Brot sein sollte. Er war sich für nichts zu Schade. Es dauerte nicht lange und ich wurde schwanger. Die Zeiten aber waren noch
immer nicht
 besser geworden, eher schlechter. Es gab kaum noch etwas zu essen!... Alles was man zum Leben benötigte,
Brot, Milch oder Käse musste man durch stundenlanges Anstellen in einer Schlange, vor dem Lebensmittelladen geduldig
erringen. Wenn sehr viele Menschen 
vor mir standen, konnte es passieren, dass es nur noch Kartoffeln gab. Das war leider oft
der Fall. Aber wir waren stark, das 
Leben war hart  und von Entbehrungen geprägt, doch eines konnte es mir nicht nehmen,... Sigmund!... Er war mein eigener Stern der immer nur für mich leuchtete. Er zeigte mir den Weg, nahm stets meine Hand und
wollte niemals aufgeben.



Am 4. Dezember 1947 brachte ich in Leipzig ein kleines Mädchen gesund zur Welt. Christa Eva,... sie war eine besondere Freude
in unserem Leben. Ein Teil von Siggi und mir... Gibt es eine größere Freude, als ein Geschenk zwischen zwei Menschen... die
sich lieben. Wir Menschen grenzen nicht an einem Wunder, nein...  wir sind das Wunder dieser Welt. Ein kleines Herz fängt an
zu schlagen und zu pochen, die Organe entwickeln sich und übernehmen ihre Funktionen. Das Gehirn leistet Feinarbeit. Persönlichkeit und Charakter machen den kleinen Menschen zu etwas 
Eigenem,...  wie durch unsichtbaren Fäden verknüpft,... 
hat alles seinen festen Platz. Bestechend und auffällig schön, waren Christas Augen,... die sie von ihrer Oma geerbt hatte,.. sie waren grün, und jeder der in den Kinderwagen sah, konnte nicht genug hinsehen, da musste ich verdammt aufpassen, dass
man mir sie nicht 
wegnahm,... dagegen war Siggi ein eher dunkler Typ, braune Augen, braunes Haar, er sah eher etwas
südländisch aus, daher kam er zu dieser Zeit, auch so gut bei den Frauen an. Ich habe stets auf ihn achtgegeben und hatte es
nicht leicht meine Eifersucht zu kontrollieren. Siggi reagierte dann immer etwas gereizt, er mochte es nicht wenn ich eifersüchtig war. Die Zeit verging, und Siggi wurde immer unzufriedener,... das Leben versprach nicht das wovon er träumte, sein Herz
wollte weiterziehen,... in Richtung Westen.



Eine Stadt von der er hörte, dass es sich dort zu leben lohnte. Es sollte alles einfacher werden und seine Ziele, seine wahren
Ziele sollten ihn hier in Essen weiterbringen. Es gab viele Zechen dort. Man verdiente gutes Geld, auch wenn ich immer noch
mit Wertmarken an Lebensmittelläden anstehen musste, so bot sich doch mehr Nahrung an, als je zuvor. Um seinen Traum 
zu verwirklichen,  musste er hier arbeiten, und fleißig sparen,... um später einmal seinem Bruder Herbert Klemmer folgen zu 
können, der schon vor Jahren  ausgewandert war,... nach Amerika. Die große Freiheit, ein Stück Land, eine Ranch... und seine kleine Familie,... dafür war kein Preis zu hoch. 
Er beschloss auf einer Zeche zu arbeiten. Unter Tage,... das machte mir ein wenig Angst!  Es geschahen häufig Unglücke dort. Verschüttungen, Explosionen, Unfälle mit denen niemand rechnete wenn er in die
Tiefe stieg am frühen Morgen. 
Sigmund arbeitete zunächst in Bochum, Schacht 6/ 7 aber die Strecke war auf Dauer zu weit,
sodass er sich weiterleiten ließ zur Zeche Zollverein nach Essen Katernberg. In seinem Gesundheitszeugnis standen
folgende Vermerke,... zahlreiche Kalkflecke in beiden Hili, etwas vermehrte Lungenzeichnung sonst kein 
Befund von
Bedeutung,... sind sie im Krieg verwundet worden? Ja, Streifschuss am Knie!... Sigmund kam als Fördermann- Hauer zur
Zeche Zollverein nachdem er vom 22.1.1949 bis 29.8.1951 in Bochum tätig gewesen war. Sigmund war fleißig 
und zielstrebig in seinem Tun. Er brachte für unsere Verhältnisse zu dieser Zeit, viel Geld nach Hause, das meiste sparte er,... für unseren Traum.



Einmal kam er nach Hause, stellte sein Fahrrad zur Seite, und eilte mir entgegen. Es wunderte mich, dass er unter seiner Jacke
kein Hemd trug,... ich fragte ihn wo er sein Hemd gelassen hatte, das machte mich doch sehr stutzig. Er erzählte mir, er habe auf dem Nachhauseweg einen Mann getroffen. Er besaß noch schlechtere Kleidung als ich, Kleidung die nicht mehr dazu geeignet
war den Mann zu wärmen. 
Ich zog das Hemd aus und schenkte es diesem Mann,... mit den Worten ich habe noch ein anderes Hemd, das kann ich ebenso tragen!...  Ich war zutiefst berührt,... Sigmund war wahrhaftig ein edler Mensch, der nicht nur mit den Augen sah, sondern auch mit der Seele,... dafür liebte ich diesen Mann umsomehr. Am 9.5.1953.... Ein Zechenwechsel stand bevor. Dieses Mal sollte es die Zeche Friedrich - Ernestine in Essen - Stoppenberg sein. Sigmund bekam ein neues Gezähe - Buch mit
der Nummer: 290 !  Dort war er Lehrhauer, tief unter der Erde schlug er sich mit den anderen Bergleuten durch die schwarze
Kohle und baute sie Stück für Stück ab. Es war eine mühselige und schmerzhafte Knochenarbeit, aber Siggi blieb stark und
wollte es schaffen. Es würde nicht mehr lange dauern, sagte er, dann haben wir das Geld zusammen.
Vielleicht noch ein oder zwei Jahre, Annchen....
 
 

Fortsetzung folgt...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.01.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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