Andre Sabais

Bankraub

Es klingelte an der Haustür. Zweimal kurz einmal lang. Das war das verabredete Zeichen. Aldo erhob sich schwerfällig aus seinem zerschlissenen Sofa und ging zur Tür. Hey Aldo, sagte Bruno, und steuerte mit forschem Schritt auf das zu, was im Volksmund wohl Wohnzimmer genannt wird. Na Alter alles im Lot? Tom, gekleidet in Seidenhemd mit Goldkettchen und Armanianzug, kam federnden Fußes hinter her. Nun saßen alle drei um den alten Holztisch, auf dem sich leere Chipstüten und Bierdosen häuften, umsäumt von deren charakteristischen Krümel und Rändern. Hast du noch so `n interessantes Getränk, fragte Tom, Aldo in freudiger Erwartung. Klar doch, schmaler Freund! Und du Bruno, auch so ´n Bier? Hört zu Jungs! Hört mir gut zu! Also, was wir brauchen, wir brauchen jetzt `nen klaren Kopf! Wir haben äußerst wichtige Dinge zu besprechen. Unsere Zukunft wird sozusagen hier und heute neu geschaffen. Schluss jetzt mit dem sinnlosen dahin vegetieren, und um der Sache auch den richtigen Nachdruck zu verleihen, nickte Bruno gewichtig in die Runde. Na ja, fügte er nach kurzem zögern hinzu, ein oder zwei können nich` schaden. Sie ließen die Dosen zischen. Also, passt mal auf Jungs, übernahm Bruno die Gesprächsführung erneut, ich hab´ das große Ding für uns! Versteht ihr, wir sahnen ab, ganz groß. Und während Aldo und Tom noch etwas verdutzt auf Bruno starrten, ließ er die Bombe platzen. Wir machen `ne Bank. Was, entglitt es Aldo und Tom gleichzeitig. Wir überfallen `ne Bank wiederholte Bruno grinsend. Ich hab` alles genau ausbaldövert. Ihr wisst schon, meine Kontakte und so. Hab´ hier gelauscht und da `nen bisschen was recherchiert, und zack, jetzt hab` ich den absolut totsicheren Plan. Wir überfallen die Hauptfiliale der Volksbank. Tom fasste sich als erster, cool Alter, und wann startet das Ding? Diesen Freitag, zehn Minuten vor Vier, kurz bevor die Bank schließt! Na, da seit platt was? Ähm Freitag kann ich nicht, sagte Aldo in die darauf folgende Stille. Was, fuhr Bruno herum, was soll das heißen, Freitag kannst du nicht, und seine Stimme glich dem zischeln einer Kobra kurz bevor sie es ihrer Beute besorgte. Ja, gab Aldo zurück am Freitag um 16 Uhr spielen die Roten. Die Roten, fragte Tom jetzt etwas verwirrt und dachte dabei irgendwie an Kommunisten. Hannover 96 Mensch, Heimspiel, da muss ich hin, is´n Pokalspiel. Mensch Aldo, nach dem Bruch kannst du dir so viel Spiele der Roten oder Schwarzen oder was auch immer angucken bist du platzt, sprudelte es aus Bruno hervor, außerdem beschlich ihn der Verdacht, das Aldo noch nicht so ganz den Sinn, Zweck und Ernst dieser bevorstehenden Aktion begriffen hatte. Es geht um das Halbfinale, grummelte Aldo trotzig, aber jetzt doch wesentlich leiser. Bruno fixierte Aldo durchdringend, bis dieser seinen Blick demütig senkte. Könn` wir nich` am Samstag die Bank überfallen? Noch gab Aldo sich also nicht geschlagen. Verdammt Aldo, explodierte Bruno, am Samstag ist niemand, verstehst du, verdammt noch mal niemand in der Bank! Und jetzt halt die Klappe. Also, wir treffen uns am Freitag, Bruno wartete einen Moment, während er auf sein Gegenüber starrte, und wiederholte Freitag noch einmal etwas langsamer, dafür aber ausdrücklicher, um viertel vor Vier vor der Volksbank. Genau fünf Minuten später stürmen Aldo und ich in die Bank. Während du Aldo die Leute in Schach hältst, ballere ich zweimal in die Decke und schreie: Das ist ein Überfall! Alles auf den Boden!! Jetzt unterbrach Tom sichtlich interessiert, sag` `mal, wenn du in die Decke schrotest, weckt das nicht unnötiger weise die Aufmerksamkeit der Passanten. Bruno war etwas überrascht, so eine intelligente Frage hätte er Tom nicht zugetraut. Doch nun konnte er natürlich mit seinem Wissen zeigen, was für ein gewiefter Hund er doch war. Also, Jungs passt auf, das ist psychologisch! Nach diesem glorianischen Schachzug blickte Bruno triumphierend in die Runde. Dann fuhr er fort, dazu musst du die Psychologie des Menschen kennen. Wenn ich in die Decke knalle, Putz spritzt durch die Gegend, signalisiere ich, Leute, ich mein ´s verdammt ernst! Und die Leute denken, verdammt der meint es ernst, bis jetzt spritzt nur die Decke durch die Gegend, aber wenn ich nicht tue was der sagt, knallt er mir das nächste mal eine vor den Latz, und dann spritze ich durch die Gegend, also leg` ich mich lieber auf den Boden, bevor der mich umlegt. Habt ihr das verstanden Jungs, beendete Bruno seine äußerst bildliche Ausführung. Aldo brummelte irgendetwas, das man bei genauerem hinhören vielleicht als „gegen Schalke“ interpretieren könnte, und Tom zurückgelehnt und selbstsicher wie immer, klar Psychologie, da müssen wir den Hebel ansetzten. Dann arbeitet Toms Gehirn noch ein wenig, bis er endlich die Frage, welche schon die ganze Zeit auf ihm lastete, herauskristallisiert hatte, ähm, was mach` eigentlich ich dabei. Gut das du fragst, konterte Bruno, der genau darauf gewartet hatte, das zeigt das du mitdenkst. Du besorgst den Fluchtwagen, und wirst vor der Bank warten, wir kommen dann mit der Beute raus gelaufen, springen in den Wagen, und du braust dann wie der Teufel los. Alles Klar? Und übrigens klau` `nen möglichst unauffälligen Wagen vielleicht irgendetwas in Beige. Bist du bekloppt Bruno, ich setz` mich doch in kein beiges Auto! Na dann vielleicht in braun. Hältst du mich für ´nen Faschisten? Mann, von mir aus auch in rot, nur unauffällig, hast du verstanden? Rot? Bin ich `ne Tunte, oder was? Halt die gottverdammte Klappe Tom, besorg` einfach ein unauffälliges Auto!! Das wirst du doch wohl hinkriegen. Alles klar, alles klar Bruno, nun reg` dich nich´ auf. Und noch was Tom, fuhr Bruno, jetzt wieder auf Normaltemperatur abgekühlt, fort, versuch` dich bitte nur die halbe Stunde während des Bruchs möglichst unauffällig zu kleiden. OK, OK Bruno ich hab` alles im Griff! Kannst dich auf mich verlassen! Diesen Freitag zehn vor Vier mit `nem gestohlenen unauffälligen Auto in dem ein unauffälliger Tom sitzt, vor der Hauptfiliale der Sparkasse.
Brunos cholerische Explosion war enorm, VOLKSBANK DU IDIOT!! VOLKSBANK!! HAST DU DAS VERSTANDEN ODER SOLL ICH `S DIR AUFSCHREIBEN?? Nun war es doch an Tom den Beleidigten zu spielen, hältst du mich für blöd oder was, natürlich weiß ich das es die Volksbank ist, hab´ mich nur grad` eben versprochen. Dann kehrte wieder Frieden zwischen den abgebrühten Halunken ein, man kippte noch ein paar Dosen Bier und als Tom und Bruno, im Aufbruch begriffen, in der Wohnungstür standen, fragte Bruno noch einmal vorsichtshalber, ihr wisst also was zu tun ist? Freitag um diese Zeit sind wir bereits reich! Alles klar, alles klar, antworteten Aldo und Tom fast gleichzeitig. Und als Aldo die Wohnungstür schloss, meinte Bruno noch so etwas wie, Samstag wär` mir lieber gewesen zu vernehmen, aber wahrscheinlich hatte er sich einfach nur geirrt.
Dann war der Freitag da. Aldo machte sich bereit. Wenn er schon nicht zum Spiel gehen konnte, wollte er wenigstens seiner Mannschaft huldigen. Er zog sein Trikot an, darüber die Jeansweste mit den aufgenähten 96 Emblems, dazu seine Fanmütze und sein Fanschal. So bewaffnet wollte er nur kurz am Stadion vorbei, um zu schauen wie die allgemeine Stimmung ist. Außerdem lag der Sportpark ja so gut wie auf dem Weg. Kurz vor dem Niedersachsenstadion traf Aldo auf eine Polizeieskorte, welche die Schalker Fans vom Hauptbahnhof zur Fußballarena begleiteten. Und dort musste er solche Hetz- und Schmutzparolen wie: Die machen wir fertig, alles schwule Säue, mitanhören. Das wollen wir doch erst mal sehen, Aldos innerer Kämpfergeist war losgelassen, die Büchse der Pandora geöffnet, die machen wir platt, Aldo war außer sich. Eine Geisterhand führte ihn in den Fanblock des Stadions, wo er ein Bier nach dem anderen kippte und mit seinen anderen Geistesbrüdern Seeechsundneuuunzig grölte. Nur ganz kurzzeitig musste er an Brunos Plan denken, aber was soll `s, sie konnten den Überfall genauso gut Samstag machen! Und wenn, wie Bruno sagte, niemand am Samstag in der Bank war, gab es auch niemand, der ihnen Schwierigkeiten bereiten konnte. Ein Aspekt, den Bruno anscheinend nicht bedacht hatte. Nun ja, er würde nachher Bruno darauf aufmerksam machen, denn so genial wie er immer denkt, ist er wohl doch nicht. Dann erfolgte der Anpfiff und Aldos Gedanken nahmen andere Wendungen. Schalke 04 was ist das überhaupt? 04 ist doch keine Zahl! Ja 96, das ist eine Zahl, nahe 100%, aber 04? Dann allerdings musste Aldo aufspringen und seine Empörung auf das Spielfeld hinaus schreien. Dieser parteiische Schiedsrichterhund, hatte doch glatt `nen glasklaren Elfer für die Roten nich` gepfiffen.
Bruno wartete vergeblich vor der Bank, seine Gesichtsfarbe wechselte sekündlich zwischen kalkweiß, giftgrün und tiefrot. Nahe einem cholerischen Anfall, wenn ich diese Verräter erwische, die drehe ich eigenhändig durch den Fleischwolf, stürmte er sieben Minuten vor Vier in die Bank, schoss zweimal in die Decke und schrie: Überfall ihr verdammten Schweine!! Los auf den Boden!! Dann stockte er plötzlich, starrten ihn doch zwei Uniformierte an, die am Schalter standen und Geld für die Wochenendeinkäufe abheben wollten. Fast gleichzeitig wurde Bruno schlagartig klar, das er vor lauter Wut und Rage vergessen hatte, seine Skimaske aufzusetzen, währenddessen filmten die Überwachungskameras alles was sich gerade in der Bank so tat. Als er versuchte, diesen unverzeihlichen Faux pas ungeschehen zu machen und an der Maske in seiner Tasche herum nestelte, fiel ihm die Waffe aus der Hand, knallte auf den Boden und das Magazin sprang heraus, in die Unendlichkeit des Schalterraumes. Noch ehe er alles richtig begriffen hatte, waren die beiden Polizisten bereits über ihm und legten Handschellen an. Jetzt brach in Bruno endgültig die Hölle los: LASST MICH LOS!! DAS IST EIN ÜBERFALL!! LASST MICH SOFORT LOS!! ODER ICH ERSCHIEßE ALLE GEISELN!! LÜCKENLOS, KNALL ICH EUCH AB!! ICH SCHIEß EUCH ALLE TOT!! Die letzten Ausbrüche: ICH BIN EUER ALBTRAUM, ICH LASS EUCH KEINE NACHT MEHR RUHIG SCHLAFEN, gingen im klappen der Fahrzeugtür und dem eingeschalteten „Lalü“ unter.
Tom wartete wie verabredet vor der Hauptfiliale der Sparkasse. Er sollte zwar ein unauffälliges Auto klauen, aber an den silbermetallic Alfa Spider konnte er einfach nicht vorbei. Erst später ging ihm auf, das sie die Flucht zu dritt antreten würden, und der Alfa war nur ein Zweisitzer, aber so ist das nun einmal, über solche Belanglosigkeiten sah ein echter Profi und Mann von Welt hinweg. Das Verdeck war herunter, er hörte laut Musik, sein linker Arm hing lässig über der Wagentür, unter der teuren Designersonnenbrille klebte eine Kippe gekonnt im linken Mundwinkel. Tom hupte zwei ultrascharfen Blondinen hinter her, als Mann von Welt wusste er natürlich, dass die Beiden auf dem Weg zu ihrem Friseursalon waren, waren Blondinen nicht immer irgendwie auf dem Weg dorthin? Tom trank bereits die fünfte Dose Bier, als er sich so langsam fragte, wo bleiben die Beiden nur? Der Mann von Welt war eingefleischter Clint Eastwood Fan, das mit dem Bier hatte er sich aus „Für eine Handvoll Dollar“ abgeschaut. Clint trank ein paar Schnaps, dann ging er raus, und besorgte es den Bastards. Tom vertrug keinen Schnaps, davon bekam er immer Sodbrennen, aber Bier war in Ordnung, und den Bastards würde er es auch besorgen, wenn er erst einmal reich war. Langsam fragte er sich, ob Bruno nicht doch Samstag gemeint hatte. Es war ja eigentlich egal, ob sie nun Heute oder Morgen reich werden würden. Also beschloss Tom das er sich wohl geirrt hatte, er würde dann einfach Morgen, selbe Zeit selber Ort, wiederkommen. Als Tom losfuhr, war das Auto bereits seit über zwei Stunden als gestohlen gemeldet. Er war mittlerweile so an den Wagen gewöhnt, dass er, als er in die Polizeikontrolle fuhr, etwas Zeit brauchte, um von alleine darauf zu kommen, das der Alfa Spider geklaut war, und zwar von ihm. Als diese Tatsache in sein Gehirn eindrang, riss er die Wagentür auf und versuchte zu fliehen. Die handgenähten, aus Schlangenhaut gefertigten, wahnsinnig teuren Cowboystiefel, waren sicherlich dazu geeignet, in bestimmten Kreisen Aufsehen zu erregen, aber nicht, um mit ihnen eine Flucht anzutreten. Tom stolperte, fiel hin und ruinierte seinen teuren Armanianzug. Die Polizeikontrolle nahm ihn in Gewahrsam, und plötzlich bekam Tom es mit der Angst zu tun! Ich war `s nich` brüllte er was das Zeug hielt, das war alles Brunos Idee, ich hab` nichts mit dem Banküberfall zu tun!! Ich hab` nur das Auto geklaut!! Die beiden für die Verhaftung zuständigen Polizisten schauten sich nur an, verdrehten die Augen, und einer ließ seinen Zeigefinger in Uhrkreisrichtung um seine rechte Schläfe rotieren. Später überlegte Tom, ob er nicht die Bullen auf Schadensersatz verklagen konnte, immerhin zwangen sie ihn zur Flucht, und damit zum Ruin seines teuren Anzugs?
Bruno saß in Untersuchungshaft. Nie wieder würde er mit solchen dilettantischen Schwachköpfen ein Ding drehen. Nein, er würde nur noch mit echten Profis arbeiten. Nachdem seine Wut etwas abgeklungen war, fragte er sich selbstkritisch, ob die Idee die Volksbank zu überfallen wirklich so gut war? Eigentlich hatte das Volk kein Geld, das Volk blutete. Vielleicht war es ein Wink mit dem Zaunpfahl, erhebe niemals einsame egoistische Ansprüche gegenüber dem Volk? Ja, so muss es gewesen sein, eine höhere Fügung, er wollte das Volk bestehlen und demütigen, und so wurde er gedemütigt. Die Lösung war eindeutig, er Bruno, würde das nächste Mal die Sparkasse überfallen! Nur Leute die sparen konnten hatten wirklich Geld. Geld das sie dem Volk abgepresst hatten. Darin lag seine wahre Bestimmung! Er spürte ganz deutlich, beim nächsten Mal würde es klappen! Dann wäre er reich! So in Gedanken versunken begann er vor sich hin zu grinsen, schöpfte neue Hoffnung, und war den Dilettanten nicht mehr ganz so böse.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.01.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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