Cathrine Tuschar

Stilleben in der Schule, II

29.11.05 Der Tag beginnt jetzt. 11.45. Vorher nichts. Eine Stimme über den internationalen Handel. Ein RitterSport wird geknackt. Neben dem steten Klicken der Mauls – mal schneller, mal gar nicht- wird die Stimme nur vom Beißen auf Bonbons und Schultaschenöffnen durchbrochen. Ein Zettel wird hoch genommen. Ein Kugelschreiber gedrückt. Irgendjemand schneidet Papier mit einem Messer. Überkreuzte Füße, die mir einschlafen, die gewechselt werden und hinabgesetzt auf den Boden. Ranrücken des Stuhles. Ein anderer knarrt. Ein zustimmendes Brummen – irgendein Thema bezeichnend. Ein Ellebogen auf den Tisch gelegt, der wackelt. Greifen nach Müll. Spiel eines Bleistiftes in der Hand mit dem Tisch. Geldzählen. Sich strecken. Das Spielen mit einer Kette, umblätternd. Dazwischen das Klicken. Herabwürdigende Blicke streifen die Maus, oder das RitterSportstückchen das zwischen gierigen Lippen verschwindet. Neid? Hunger? Ein Reißverschluss neben mir wird auf und ab gezogen, da hinein mischt sich ein Räuspern und ein entgegen gesetztes Papierrascheln. Das Durchblättern einer Mappe kontrastiert sich von der Hand des Redners am Tisch. Sein Papier in der Luft – mit den Händen wirbelnd. Seufzen und lautes Ausatmen bei den Zuhörern. 3. Punkt, der Einwand von rechts - Lehrer – hervorruft. Ohne wirklich Ahnung zu haben, was Kritik verdiente, stimmt der Redner zu und erklärt erneut. Das Links hat nichts mitbekommen, dass etwas sich verändert habe. Zufriedenheit rechts. Noch genauerer Erklärung bedürfend, äußere ich mich aber nicht, streife mir stattdessen über die Hose – eine reine Ersatzhandlung. Wohl auch das Klicken. Und das Sprechen zur Klasse. Terms of Trade, Rohstoffe und Fertigprodukte. „Nona. Mhhhh...“ Unbeeindrucktes Aufreißen eines Plastiksackerls. Abwechslung suchendes Nagen am Bleistift. Mit den Haaren spielend. Den Kopf auf die linke Hand gestützt. Mit den anderen Mitlächeln ob der brasilianischen Computerindustrie. Abwischen der Fussel am Pullover. Handpositionenwechsel. Fingerspiel. Vorbeugen am Sessel. Kratzen des Kopfes. Greifen nach Süßem in der Schultasche. Klicken. Dreimal. Schnell. Laut im Vordergrund der Stimme. Ins Federpennal greifend. Anfangen zu zeichnen. Das Schweizerkreuz wird grau. Tiefe Männerstimme steht im Gegensatz zum Schnee vor dem Fenster. Selten bricht ein Teil auf den Boden. Kurzes Husten. Viel unruhiger im Gesamten. Öffnen einer Cappyflasche – Trinken. Haribo macht Schüler froh. Sesselknarren, Klicken, Zettel, Bleistift, Schokolade – alles. Viel bewegt sich: Ein Balken am Bildschirm; die Hand auf der Maus; ein Euro über den Tisch; die sich schwingenden Referatszettel; ein Muskel – viele – ; meine Finger; ein Auf- und Abzittern, nach rechts, am Ende der Zeile wieder schnell nach links; ein Kugelschreiber, alle Zeilenenden ein wenig weiter gedreht; meine Augen, die sich schließen; die angepeilte Uhr. 12.06. Ungläubigkeit. Lange. Langsam. Aber still ist es. Für jetzt damit zufrieden, dass nach der Analyse der Geräusche, sie mir verschwinden. Hör dir ein Geräusch an, und du bildest dir ein, du habest dich verhört und hörst weg.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.01.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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