Anna Schwegmann

Die Konferenz der Gefühle

Vor langer Zeit gab es eine Konferenz aller Gefühle. Der Tagesordnungspunkt war die Frage, wer nun die wichtigste Rolle im Leben eines Menschen spielen würde. Natürlich entbrannte hierüber eine heisse Diskussion. Doch verfolgt sie in Ruhe und dann entscheidet selbst:

Als Erstes meldete sich das V E R T R A U E N zu Wort. Also, ohne mich, sprach es, geht im Leben doch wohl gar nichts, oder? Wie sollte sich jemand auf andere Menschen einstellen, wenn er nicht vertrauen kann? Oder sich aus den Irrungen des Lebens einen Weg bahnen, wenn er kein Vertrauen auf das Morgen hat?

Hmmmmmmmmm, sagten da die anderen Gefühle, da hast du Recht Vertrauen. Ohne dich geht es nicht. Du bist das wichtigste Gefühl.

Nach einigen Minuten meldete sich die E H R E zu Wort: Also, sagte sie, wenn jemand keine Ehre empfinden kann, dann weiss er die Grenzen des Zwischenmenschlichen nicht zu schätzen. Würde bedeuten, er liefe Gefahr, ständig Dinge zu tun, die moralisch nicht oki wären. Somit würde er andere Menschen ständig verletzen.

Hmmmmmmmmm, sagten da wieder die anderen Gefühle, da hast du auch Recht. Welch ein Chaos würde wohl entstehen?Du bist sicher das wichtigste Gefühl.

Die Zeit verging; alle Gefühle schauten sich lange an. Jeder von ihnen war überzeugt das Wichtigste im Leben zu sein. Doch einige waren zu scheu um sich zu melden. So starrten sie ein Weile wortlos vor sich hin.

Auf einmal meldete sich die H O F F N U N G zu Wort: Also, sprach sie, mal im Ernst, was würden die Menschen ohne mich machen? Sie würden alle an ihren Sorgen, Ängsten und ihrem Leid zerbrechen. Die Menschheit würde aussterben ohne mich. Ich bin also das Wichtigste Gefühl.

Hmmmmmmmmm, sagten wieder die anderen Gefühle, ja, du hast Recht. Ohne dich wäre gar kein Leben möglich. Denn, wenn die Hoffnung stirbt, ist der Mensch verloren. Du biste bestimmt das wichtigste Gefühl.

Ein endloses Schweigen war im Raum. Niemand wagte lange Zeit etwas zu sagen. Eine angespannte Stimmung lag in der Luft.

Die nächste, die ihre Fassung zurück bekam, war die W U T: I C H , sprach sie, I C H bin das wichtigste Gefühl.Wo sollten die Menschen denn sonst hin mit all ihren Sorgen und Probleme? Die Ungerechtigkeiten in der Welt würden sie krank machen oder gar töten. Sie brauchen ein Ventil um sich frei zu machen. Dafür bin I C H da.........ICH die WUT. Ohne mich geht auf dieser Welt gar nichts.

Hmmmmmmmm, raunte es abermals durch den Raum. Du hast Recht Wut. Wir wissen ja alle, daß das Leben für die meisten Menschen sehr schwer ist. Und Gerechtigkeit ist nicht immer gegeben. Stimmt, du bist das wichtigste Gefühl.

Kopfschüttelnd stand die T R A U E R auf: Nein, ihr Lieben, ICH bin das wichtigste Gefühl. Wie sollten Menschen unterscheiden können, was es bedeutet etwas Wertvolles ( einen Mitmenschen z.B.) zu verlieren, wenn sie mich niemals kennen gelernt haben? Es gibt so viele Gründe zu trauern............nein......ICH bin das wichtigste Gefühl.

Hmmmmmmmmm, ja Trauer, wir glauben du hast recht. Wenn Menschen nicht Abschied nehmen können, das heisst dich zu spüren................das wäre wirklich schlimm. Sie würden verrückt werden, weil sie nicht mit dem Tod z.-B. umgehen könnten. Du bist also das wichtigste Gefühl.

Es war den anwesenden Gefühlen anzusehen, wie schwer ihnen ihre Auswahl fiel. Ihre Köpfe rauchten. Doch jeder hielt sich zurück. Niemand wollte einen Streit vom Zaun brechen. Wieder minutenlanges Schweigen.

Nun sprangen die F R E U D E und der S C H M E R Z auf. Sie sprachen wie aus einem Munde: So ein Unsinn.........W I R sind die wichtigsten Gefühle der Menschen! Daran gibt es gar keinen Zweifel. Stellt euch doch mal vor, wie es wäre, wenn niemand der armen kleinen Menschenseelen jemals etwas von uns wissen würde. Wie sollten sie die Schönheit der Welt verstehen und geniessen können? Die blühenden Felder, die Blumenwiesen, lachende Kinder, die Jahreszeiten uvm.Und dann verstehen und sich damit auseinander setzen, daß der Kreislauf des Lebens ein Erwachen und Sterben der Natur beinhaltet. Wenn sie mich, die Freude nicht kennen, kennen sie auch meinen Bruder, den Schmerz nicht. Also sind wir die wichtigsten Gefühle. Ihr Leben wäre sonst sehr arm und leer.

Hmmmmmmmm, sprachen die anderen Gefühle, da ist was dran. Wir haben nichts, daß eure Aussagen widerlegen könnte. Also habt ihr wahrscheinlich Recht. Ihr seid die wichtigsten Gefühle.

Laut polternd meldete sich nun der H A S S zu Wort: Ihr seid doch alle verrückt! I C H bin das wichtigste Gefühl! Wie sollen die Menschen sonst spüren wie ungerecht die Welt ist und sich zur Wehr setzen?.Nur wenn sie mich kennen und mich teilhaben lassen an ihrem Leben, werden sie stark sein und dieses Leben meistern. Dann wird es niemanden mehr geben, der sie unterdrücken kann. So kommt die Gerechtigkeit zurück. ICH bin also das wichtigste Gefühl.

Hmmmmmmmm, sprachen wieder einmal die anderen Gefühle. Ja Hass, deine Worte kann jeder hier verstehen. Sie sind mehr als berechtigt. Du hast Recht. Du bist das wichtigste Gefühl.

Ganz langsam und leise erhob sich die L I E B E . Sie ging um den grossen Tisch herum. Schenkte jedem Gefühl ein sanftes Lächeln. Am Fenster angekommen, zog sie die Jallousien hoch. Schaut her, ihr Lieben, sprach sie mit sanfter Stimme und jedem Gefühl wurde auf einmal so warm ums Herz. Sogar der Hass und die Wut mussten ein wenig lächeln. Schaut einmal genau auf das Bild, welches sich nur hier vor unserem Fenster ergibt. Alle Gefühle standen auf und folgten dem Zeigerfinger der Liebe. Ein ganz schönes Gedränge entstand da plötzlich vor dem Fenster. Doch die Liebe trat lächelnd beiseite um ihren Brüdern und Schwestern Platz zu machen. Gebannt starrten alle Gefühle lange aus dem Fenster.

Fröhlich lachende und spielende Kinder tollten auf der Blumenwiese mit ihren Hunden und Katzen herum. Viele Pärchen saßen in dem wunderschönen Park auf Bänken oder lagen sich auf der Wiese eng umschlungen in den Armen. Manche küssten sich innig. Ein altes Ehepaar ging Hand in Hand spazieren. Mittendrin blieb es immer wieder mal stehen und fütterte die vielen Tauben, die ihnen auf ihrem Weg begegneten. Dabei huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Schaut mal weiter dort hinten am Hügel entlang, sprach die Liebe. Dort lassen Kinder Drachen steigen. Andere malen, holen sich in ihren Träumen die Sterne vom Himmel, oder malen den Regenbogen neu an. Könnt ihr fühlen, woraus all ihr Handeln geboren ist??? Spürt ihr den Frieden, der hier zu finden ist????

Allmählich setzten sich alle Gefühle wieder auf ihren Platz. Wir müssen uns beraten, sprachen sie zur Liebe. Bitte, gedulde dich einen Augenblick.Natürlich, flüsterte die Liebe. Ich bin sicher, ihr werdet eine Antwort finden. Eure Entscheidung ist gewiss nicht leicht. Lasst euch Zeit und hört auf die Worte der WEISHEIT.

Stundenlang debattierten nun die Gefühle. Jedoch über eine Erklärung, warum ausgerechnet die Liebe den Anspruch auf den Titel des wichtigsten Gefühls haben sollte, wurden sie sich nicht einig. Immerhin erkannten sie an, daß Nichts im Leben ohne die wahre Liebe Bedeutnug hätte. Es Nichts geben würde, wofür es sich zu leben lohnen könnte. Doch es war ihnen nicht genug. Sicher, sagten sie, sie könnte das wichtigste Gefühl sein. Aber sicher waren sich alle nicht.

Erneut meldete sich die L I E B E zu Wort: Meine Brüder und Schwestern; warum diskustieren wir eigentlich um einen Rang im Leben der Menschen? Sie verschenkte ihr schönstes Lächeln an all ihre Kollegen. Seht her, ich reiche euch meine Hand. Finde, daß niemand von uns Allen hier über einem anderen Gefühl stehen sollte. Wir sind ebenso wie die Menschen eine Gemeinschaft. Ein Teil des Ganzen. Wer hat das Recht, sich über jemand anderen zu erheben? Keiner von uns könnte ohne den Anderen leben! Bedenkt...........nur gemeinsam können wir den Menschen ein erfülltes Leben schenken! Und sie werden dankbar ihre Erfahrungen an ihre Kinder und Kindeskinder weiter reichen.

Die Liebe schaute alle Gefühle eindringlich an. Auch ihr, Brüder und Schwestern, die ihr bisher geschwiegen habt........niemand von euch Allen ist wirklich für die Menschen entbehrlich! Kommt deshalb mit mir.................und lasst uns zum Wohle der Menschen unseren Dienst tun. Denn Eines ist ganz gewiss:

Es wäre kein Leben möglich auf diesem Planeten, wenn auch nur einer von euch Brüdern oder Schwestern verloren ginge! Wie schön, daß es euch alle gibt!

So schloss die Liebe diese Konferenz.

Ein tosender Beifall zeigte ihr, daß alle Gefühle endlich einer Meinung waren. Der lange Streit wer das wichtigste Gefühl sei war für alle endlich zu Ende.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Lyrik verbindet Menschen auf der ganzen Welt. Sie gibt Glauben, Hoffnung, Zuversicht und vor allem Kraft. So viel Leid gibt es auf dieser Welt. Wir können die Welt nicht verändern, aber oft hilft es schon, wenn der Mensch spürt, dass er mit seinen Problemen nicht alleine da steht, dass es Menschen gibt die ähnlich fühlen. Ich habe mich hauptsächlich auf Mut machende Gedichte spezialisiert, doch auch Gedichte zum träumen wirst du hier finden. Gedichte über das Leben eines jeden von uns, voller Leidenschaft, Liebe, Erotik, Hoffnung , Familie und der Kampf des Lebens.

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