Lothar Krist

Bubendummheiten

(Ein bösartiges Sittenbild der Zeit von Heute im Prosa-Stil des brutal-realistischen Exzessionismus. Ein Blick hinter eine Zeitungsgeschichte.)
 
Nacktes Popscherl, zart und weich. Weißer Spalt, der doch so dunkel aus dem Spiegel leuchtet. Der Herr Pfarrer hat den ehrwürdigen Herrn Spiegel mit dem schwulstig-breiten güldenen Rand einer sterbenden Frau Parkinson so darum zitternd abgeluchst. „Oh Herr, verzeih’! Doch versteh, bitte, ´s ist Renaissance! So echte. Alt-Kultur. Uralt. Uralt. In ihren lichten Momenten wollte sie dieses Kulturgut ihrer langjährigen Putzfrau vermachen, die den Wert des Spiegels doch gar nicht versteht. So als Dank, weil sie immer nur nett, so aufmerksam und freundlich zu ihr war. Und sonst hat sie Alles einer Enkelin vermacht, das dumme Weib. Verdammt! Und die hat Alles mit einem Notar gleich klar gemacht.“ Für so Dummheiten hat Herr Pfarrer nicht viel übrig. Die arme Kirche braucht doch Geld.
 
Und nun vergeilt Herr Pfarrer am kleinen Süßarsch seines Ministranten, der ihm auf ihm kniend und in so unschuldigem Unschuldsweiß entgegenspiegelt. Herr Pfarrer kann es einfach nicht mehr lassen. Er muss einfach mit seiner Zitterhand nach dem ministrösen Knackarsch fassen. Mit der anderen Hand fummelt er an seinem Zumpferl. Mmmhhh. So mmmhhh. Herr Pfarrer fühlt nur Mmmhhh. Er ist doch mmmhhh so Mann. Er hat doch auch Gefühle, die der Herr verstehen kann.
 
Und sein Schwanz wird hart, so hart und immer härter. Er fängt an den Jungknabenkörper zart zu streicheln. Er muss die weiße Brust bebusseln. Seine Handfläche – oh, so ooooh – ein Rücken, so knochig dünn und doch so weich befleischt, die Haut so weicher noch als weich, so zartes und gerade noch so Kinderfleisch.
 
Des Pfarrers Fingerkuppen fliegen, fliegen, fliegen – sie gleiten wie flockige Siriuswolken, das Blau des Himmels weiß beflockt, über des Blauen Planeten so sommerheiße Breiten. Herr Pfarrer ahnt die knäbliche Enge und die Defloration vorher. Der Junge zittert. Der Junge hat keine Ahnung nicht. Seine Nerven flattern. Seine Angstverkörperung vibriert. Sein Herz gebricht. Der Junge will – der Junge will eigentlich nicht.
 
Doch Herr Pfarrer wirft ihn auf den Bauch, ein wenig Gel, das Löchlein kurz beschmiert. Herr Pfarrer sticht.
 
Der Ministrant – er schreit. Der Ministrant brüllt sich seine Seele vor lauter Schmerzen aus dem Leib. Das macht Herrn Pfarrer geil, so viel geiler noch als geil. Herr Pfarrer fühlt sich urplötzlich wie Der Herr. Herr Pfarrer weiß: er vertritt auf Erden seinen Herrn. Herr Pfarrer ist der Bote, der den Glauben der Menschen vertieft.
 
Und der Junge wimmert, jammert, fleht. Der Junge bittet um ein bisschen Gnade. Doch Gnade kannte nur der Herr. Und dieser Herr ist schon so lange tot. Und dieser Herr hätte doch nie gedacht, dass in seinem Namen einmal so was Böses könnt geschehen. Der Herr hat doch die Kinder sooo geliebt. Aber doch nicht so.
 
Da hat Herr Pfarrer auf einmal ein so störend dummes Gedankenproblem. Er ist so geil und er stoßt und stoßt und stoßt und stoßt und beobachtet sich dabei im Spiegel. Und doch und doch: sein Schwanz ist auf einmal nicht mehr ganz so hart, er schrumpelt ein. Herr Pfarrer bekommt ein leichtes Flattern. Er hält sein wildes Stoßen ein. In sein gerade noch so Blut entleertes Hirn presst sich ein böser und so überaus dummer Gedanke:
 
Verdammt! Noch bei der letzten und so überaus ungut ernsten Vieraugenbesprechung hat der Herr Bischof doch zu ihm gesagt: „Okay, Herr Pfarrer, okay, okay! Ich kann es ja verstehen. Ich war ja auch einmal so jung. Wir Kirchenmänner sind ja echte arme Hund. Auch wir Kirchenmänner sind ja leider Gottes aus so schwachem Fleisch und Blut. Und unser alter Herr Papst besteht auf unserem Zölibat. Auch ich kann da Nichts machen. Und wenn ich ehrlich bin, ich habe auch gar keine Absicht mehr dazu. Diese Bubendummheiten, diese blöden Kindereien, sind für mich Gott sei’s gedankt, passee. Ich habe auch gar kein Verlangen mehr dazu. Ich bin ja auch schon alt und wohl auch viel zu fett. Na ja, und wenn’s mal wirklich in meinen Lenden brennt, dann hilft Gott Alkohol hinweg, hihi. Ha, aber Spaß beiseite, hi, haha. Und Eines ist wohl klar, Herr Pfarrer, ja? Tu mir, bitte, und auf jeden Fall, einen Gefallen und in Hinkunft keine so dummen Bubendummheiten mehr machen. Ja? Ist das auch klar?“
 
Herr Pfarrer hat es dem Herrn Bischof hoch und heilig und man stell sich vor, nicht einmal die Finger überkreuzt, versprochen. Und jetzt hat Herr Pfarrer deshalb mitten drin im geilen Stoßen auf einmal ein doch wohl so irres und auch so ungut dummes, schlechtes Gewissen. Sein gerade noch so geiles Ding schrumpelt weiter ein. Das kann, das darf nicht sein, nein, nein. Nein, nein.
 
Sein Ministrant hört endlich auf zu schreien. Sein tränennasses Gesicht verengelt sich im Spiegel. Der arme Bub schnauft auf befreit. Herr Pfarrer streichelt dann dem Buben wohlwollend durch sein schweißig nasses und doch so flaumig-feines Haar. Da denkt Herr Pfarrer: Ach, ist ja egal! Eigentlich! Der Herr Bischof wird es schon wieder verstehen. Der Herr Bischof wird es schon wieder richten. Der Herr Bischof ist ja ein braver Diener seines Herrn. Und so ein Diener des Herrn muss ja immer verzeihen. Wer beichtet, der wird von aller Schuld befreit. Und klar, so klar: so ein hoher Diener des Herrn muss ja auch vertuschen. So ein hoher Diener des Herrn hat die Kirche unseres Herrn doch zu beschützen. Also, was soll diese dumme Angst? Was sollen diese dummen Gedanken?
 
Und da wird Herr Pfarrer wieder geil und geiler, so viel geiler noch als geil. Herr Pfarrer fängt wieder an zu Stoßen und der Ministrant zum Schreien. Sein schlechtes Gewissen hat sich zu seinem braven Verzeih’-mir-Gott verflogen. Und aus dem abgeluchsten Spiegel blickt ein Bild für Götter.
 
© Copyright by Lothar Krist (14.7.2004 von 22.50 – 02.00 Uhr im Smaragd und Herberstein)
 
Kommentar des Autors zur Geschichte, die von den Vorfällen im Priesterseminar St. Pölten inspiriert ist:
 
In dieser Geschichte steckt keinerlei Verallgemeinerung. Die Mehrheit der Seelsorger nimmt ihre Aufgabe wohl sehr, sehr ernst. Dass dieser Sumpf jedoch gegeben und trocken zu legen ist, wird selbst von hohen Kirchenmännern bestätigt.
 
In der Person des Herrn Pfarrer sind mehrere Personen zu einer verschmolzen. Eine mir bekannte Putzfrau hat mir vor Jahren die Geschichte mit dem Spiegel erzählt. Und man hört da ja manchmal auch so einiges über ähnliche Vorfälle. Mir ist aber nicht bekannt, ob dieser Kirchendiener auch Kinder missbraucht hat. Ich habe aber von mehreren Kirchendienern erfahren, die letzteres sehr wohl getan haben. Bei diesen Herren weiß ich jedoch wieder nicht, ob sie sich auch in Altersheimen an fremdem Erbgut bereichert haben. Aber es wird schon vorkommen, dass der eine oder andere beide bösen Dinge tut. Pfarrer sind ja auch nur Menschen. Ähnlichkeiten mit anderen lebenden Personen sind nicht beabsichtigt. Es könnte jedoch sein, dass in diesem Sumpf Ähnlichkeiten existieren.
 
Und noch etwas sei gesagt: Der Dichter dieser so bösen Zeilen liebt den Herrn. Er glaubt an ihn. Und genau deshalb schreibt er ja so, wie er halt schreibt. Weshalb diese so blumige „Prosa des Bösen“? Kann es denn erlaubt sein, dass da ein Dichter ist, der hinter die oft so trocken-kalten und so unpersönlich klingenden Worte schauen will, ja muss, die wir in den Medien hören, sehen oder lesen, weil er von irgendeinem ihm selbst so unverständlichen Drang oder was auch immer angetrieben ist, das in diesen Worten versteckte Leid, das zugedeckte Grauen der von unserer Gesellschaft ins Schweigen gedrängten Opfer zu verdeutlichen? Doch geht dies überhaupt? Der Dichter weiß es nicht. Er tut halt, was er kann. Er dichtet.
 
Ich weiß, dass diese Geschichte sehr, sehr „heiß“ ist. Sollte man bei e-stories.de daher der Ansicht sein, dass dieser Thread zu löschen ist, dann habe ich Nichts dagegen. Ich war mir ja selbst auch nicht ganz sicher, ob diese Geschichte überhaupt veröffentlichungstauglich ist. Aber ich habe in den letzten Monaten eine Unmenge ähnlich „böser“ Geschichten zu meinem Buch „Ich Täter. Ich Opfer.“ geschrieben, und mir nun gedacht, es wird Zeit, mal mit einer dieser Geschichten einen Versuch zu starten.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Seinen wohlverdienten Urlaub hat sich Kommissar Heinz Kelchbrunner anders vorgestellt: Erst stößt er beim Graben in seinem Garten auf menschliche Gebeine, dann beschäftigt ihn ein weitaus aktuellerer Todesfall in seiner freien Zeit: Anna Einarsdóttír wird beim Spaziergang von einem Ast erschlagen – und das ist, wie sich herausstellt, nicht dem stürmischen Wetter geschuldet. Kelchbrunner und seine Kollegin Katharina Juvanic nehmen die Ermittlungen auf. Die Spur führt schließlich nach Island, die Heimat der Toten, und zum geplanten Bau eines Staudammes, der eine wertvolle Naturfläche akut gefährdet. Dass Kelchbrunner von oberster Stelle dorthin beordert wird, um weitere Nachforschungen anzustellen, kommt dem umweltbewussten Kommissar gerade recht. Vielleicht gelingt es ihm, nicht nur Licht ins Dunkel zu bringen, sondern gleichzeitig seine eigenen Schlafstörungen und einen schmerzhaften Verlust zu überwinden. Kaum in Island angekommen, muss er sich jedoch gleich mit störrischen Behörden und verstockten bis feindseligen Einheimischen auseinandersetzen. Es scheint, als sei niemandem hier an der Auflösung des Falles gelegen …

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