Silvia Pree

Ich hasse Krankenhäuser

Wenn ich zurückdenke.
Ich mochte Krankenhäuser nie.
Dieser unangenehmre Geruch.
Formaldehyd.
Putzmittel.
So steril.
So nah bei Krankheit und Tod.
Untrennbar für mich damit verbunden.
Schon als ich wegen des Blinddarms im Spital lag.
Ich war zehn Jahre alt.
Und verbrachte acht Tage dort.
Eine riesengroße Narbe blieb mir.
Und die Erinnerung an ein großes, weißes Zimmer.
An ein weißes Hemd und eine weiße Hose.
Ich trug beides jeden Tag.
An die großen Schmerzen nach der Operation…
An die orange Farbe am Körper.

Die Aversion hatte sich festgesetzt.
Akut wurde sie erst später.
Eine falsche Krebsdiagnose bei meiner Mutter.
Tage der Sorge.
Und der großen Angst.
Bis die Furcht der Freude Platz machte.
Diesmal.
Und auch noch öfter.
Man geht jedes Mal wieder durch die Hölle.
Wenn ein Elternteil ins Krankenhaus muss.
Oder jemand von der Familie.
Auch wenn aus vermeintlich harmlosen Gründen.
Die Angst sitzt im Hinterkopf.
Sie wird drängend, wenn ich das Spital betrete.
Dass ich kaum Luft bekomme.
Und dennoch betrete ich es immer wieder.
Obwohl ich mich dort krank fühle.
Kränker als außerhalb.
Kein Mensch kann sich vorstellen, wie ich mich dabei fühle.
Niemand.
Ich bin ein oft Nervenbündel im Spital.
Bisweilen unfähig, klar zu denken.
Und das als Besucher.
Und ich glaube dort den Tod zu spüren.
Jedes Mal wieder.

Sie war eine Kollegin von mir.
Als ich in die Firma kam, erkrankte sie an Krebs.
Ein Tumor an der Niere.
Der entfernt wurde.
Zunächst viel Grund zur Hoffnung.
Sie könnte es schaffen.
Mit ihrer Kraft.
Mit ihrem Willen zum Leben.
Die Hoffnung hielt lange.
Sehr lange.
Sie brach nicht, als Monate später Metastasen festgestellt wurden.
Sie kämpfte sich weiter.
Glaubte immer wieder an ihre Chance.
Sie ging sogar arbeiten.
Bis es nicht mehr ging.
Ich besuchte sie im Spital.
Immer wieder.
Sie redete ständig nur von ihren Plänen.
Obwohl die Krankheit sie veränderte.
Sie zu entstellen begann.
Sie verlor ihre Haare.
Der Krebs brach überall aus.
Und doch gehörten ihre Gedanken immer dem nächsten Tag…

Ihr Siechtum war furchtbar anzusehen.
Es kostete mich mehr Kraft als sie.
So kam es mir zumindest manchmal vor.
Sie verlor ihre Hoffnung nicht.
Und schmiedete Pläne.
Bis zuletzt.
Selbst kurz vor dem Sterben.
Redete sie nur davon, wann sie wieder nach Hause gehen würde.
Sie wollte leben.
Sie war erst vierzig Jahre alt geworden.
So alt wie ich heute…

Ich hasse Krankenhäuser.

Vivienne

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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