"Ich fühle mich scheiße." brummt er und zündet den Joint an. "Ich hab geträumt, ich wäre Gott."
"Was ist so schlimm daran?" frage ich.
Ich liege neben ihm auf dem Bett und nippe an einer halbvollen Flasche Wein. Im Hintergrund spielen die Doors.
Er zuckt mit den Schultern.
"Weiß nicht." sagt er und zieht kräftig an der Tüte, "Ich glaube, ich habe mich noch nie so arm gefühlt."
Dichter, weißer Rauch erfüllt die Luft.
"Glaubst du Gott ist arm?"
Ich nehme ihm den Joint ab.
Er trinkt Wein.
"Ich glaube, Gott hat seinen Reichtum verloren." murmelt er, "Ich glaube, er ist abgemagert. So'n dünner Strich, dem die Kraft fehlt. Vielleicht geht er auch kotzen. Keine Ahnung."
Ich trinke wieder Wein.
Er raucht.
"Ich glaube, er ist einsam." sage ich nach einer kurzen Pause.
"Warum?"
"Weil keiner an ihn denkt."
Ich ziehe. Ein ungemein entspanntes Gefühl macht sich in mir breit. Ich fühle mich leicht. Irgendwie schwerelos.
"Manchmal fühle ich mich auch verdammt einsam." sagt er.
Er seufzt.
Seine Augen sind vom Rauchen ganz rot. Er muss grinsen, obwohl er traurig ist.
Ich stelle die Musik lauter. Ein Elefant schwebt über meinen Körper hinweg.
"Glaubst du Gott wird sterben?" frage ich.
Auf einmal habe ich Angst.
Er dreht seinen Kopf und sieht mich an. Seine Stirn ist in Falten gelegt.
Er sagt nichts.
Sieht mich nur an.
Der Elefant schwebt aus dem Fenster.
Die Decke ist rosa.
Ich lache.
Obwohl ich weinen muss.
Er lacht auch.
Obwohl er weinen muss.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.06.2002.
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