Jennifer Konrad

Vermächtnis der Elbenväter-3-Sindarin, die Sprache des Lebens

Sindarin, Sprache des Lebens

 

,,Serafin, du musst schon ein bisschen näher kommen, wenn du nicht entdeckt werden willst!’’

Schluckend ließ er zu, dass Ana sich dicht an seine Schulter kuschelte. Dann erkannte er den Grund und senkte sofort den Kopf, damit ihn der Schwarze Reiter nicht entdeckte. Er wusste, dass dieser ihm nachstarrte. Er bemerkte, dass sein Herz raste und er sich sicher war, dass er entdeckt worden war. Auch Ana erkannte seine Unruhe und fasste seine Hand. Erst versteifte er sich, doch dann verspürte er eine gewisse Ruhe, als sie seine Hand umklammerte.

Serafin atmete erleichtert auf, als sie um die Ecke bogen. ,,Das hätte auch schief gehen können...’’ Er hatte gar nicht gesehen, dass ihnen jemand entgegen gekommen war, als er angerempelt wurde. Er knallte mit dem Rücken an die Wand und merkte, wie seine Kapuze verrutschte. Ana ließ ihn los und stellte sich vor ihn. Hastig rückte er sie wieder über die Ohren und versuchte einen Blick auf den Rempler zu erhaschen. Er hielt die Luft an, ein Schwarzer Reiter!

Er war stehen geblieben und musterte Ana aus seinem Umhang heraus. Diese drehte sich um und nahm Serafin bei den Händen.

,,Ist dir auch nichts passiert, mein Schatz?’’ Er schüttelte den Kopf, darauf bedacht, dass seine Ohren nicht zu sehen waren.

,,Nein, meine Liebe, alles in Ordnung. Lass uns weitergehen.’’ Ana nickte und hakte sich bei ihm unter. Der Reiter überragte Serafin beinahe um einen halben Meter, so groß konnte doch kein Elb oder Mensch sein!

Erschrocken wich er einen schritt zurück, als der Reiter sich verbeugte. ,,Entschuldigung, der Herr, die Dame. Es tut uns Leid aufgrund eines lächerlichen Menschens solch eine Unruhe zu verbreiten. Sobald wir ihn gefasst haben, werden wir Ihre Stadt nicht mehr belästigen.’’ ,,Dann fangen sie ihn schnell’’, hörte sich Serafin selbst sprechen und zog Ana schnell mit sich.

Zum Glück mussten sie nur noch die Straße überqueren, dann waren sie in der Gaststätte. Serafin pochte drei mal laut gegen das Eingangstor. Es öffnete sich ein Spalt und ein altes, jedoch immer noch feines Gesicht blickte ihm entgegen.

,,Das Leuchten der Sterne möge Euch den Weg zeigen, Ihr müsst Serafin sein! Tretet ein, tretet ein.’’ Der Mann nestelte an dem Schloss herum und öffnete das Tor.

Der Elb war trotz beachtlichen Alters völlig faltenfrei, nur seine Haut schimmerte ein wenig grau und sein Blick wirkte trübe.

,,Ich bin Broad, Bratak hat euch zu mich geschickt, nicht wahr? Kommt, meine Freunde, denn ihr müsst wissen, Brataks Freunde sind auch meine Freunde. Nun, kommt schon, kommt!’’ Der Elb wuselte um sie herum und brachte Decken und schleppte zwei Beutel heran.

,,Ich habe euch getrocknetes Fleisch eingepackt, Geräuchertes ist auch dabei. Eben alles, was sich lange hält. Ich würde euch liebend gerne begleiten, aber mein Alter... Außerdem würde es auffallen, wenn plötzlich drei Elben aus der Stadt verschwinden.’’ Serafin zog die Stirn kraus. ,,Drei? Kommt Ana mit?’’ Die Elbenfrau sah ihn durchdringend an. ,,Deine Taten in Ehren, Serafin, aber ich glaube nicht, dass du ohne uns weit kommen würdest. Ich weiß einiges über dich und dein Schicksal.’’ Nun wurde er ein wenig ungehalten. ,,Schön, dass so viele so vieles über mich wissen. Wer will mich denn noch besser kennen, als ich mich selbst? Sie wissen doch bestimmt auch Dinge über mich, die ich nicht kenne, oder?’’ Broad schüttelte sein weißes Haupt.

,,Nein, weiß ich nicht. Aber ist es denn verwunderlich, wenn sich die Elben für einen Menschen interessieren, der auf ihre Schulen geht, die selbe Sprache spricht und die selbe Kleidung trägt? Sie fragen sich, ob es bald soweit sein wird, dass die Menschen noch mehr Menschen in unser Land schicken und uns vertreiben. Ist es denn so schwierig zu verstehen, dass du hier sehr bekannt und nicht unbedingt beliebt bist?’’

Traurig senkte Serafin den Kopf. ,,Es tut mir Leid, ich habe nicht gewusst welche

Konsequenzen mein Aufenthalt birgt. Bitte, vergebt mir.’’

Der Alte sah ihn nur eine Weile an und ging dann wieder seinen Vorbereitungen nach. Ana sah ihn aufmunternd an und schloss sich dann Broad an. Schon bald hatten sie alles zusammen.

,,Es wird Zeit. Die Reiter haben mein Haus noch nicht durchsucht und werden bald kommen. Ich zeige euch jetzt den Tunnel.’’

Serafin schulterte einen Sack Fleisch und nahm ihre Decken auf den Arm. Ana hatte sich den anderen Sack, in dem Brot, Käse und Milch eingepackt waren, auf den Rücken geschnallt und ebenfalls eine Decke genommen. So folgten sie dem Elb in das Kellergewölbe. Es war feucht und roch moderig durch die vielen Tiere, die hier hausten. Ein alter, klobiger Bücherschrank befand sich an einer Wand. Der Elb murmelte etwas und klopfte gegen ein paar Bücher. Als er die hohle Stelle gefunden hatte, zog er das Buch heraus und legte einen Schalter um. Dann rückte er die Bücherwand zur Seite und gab die Öffnung frei.

,,Seid vorsichtig, meine Freunde und wartet, bis das Horn erklingt, dann erst könnt ihr sicher sein, dass euch kein Schwarzer Reiter entdeckt. Mögen die Sterne euch den Weg zeigen.’’ Und schon klappte die Wand wieder zu und lieferte sie der Dunkelheit aus. Ein Schnippen erklang und Ana reichte ihm eine flackernde Lampe. Sie befanden sich in einem gemauerten Tunnel, er war nicht sehr hoch, weshalb die Beiden sich bücken mussten um voranzukommen.

,,Warum sagte er das ständig, Sterne den Weg weisen?’’ ,,Broad ist Seefahrer gewesen. Er hat sich auf seinen Reisen übers Meer von den Sternen leiten lassen, sie waren seine Landkarte und haben ihn bisher an jeden Ort gebracht, den er erreichen wollte’’, hörte er Ana hinter sich sagen. Zwar versuchte er noch mehrmals sie in ein Gespräch zu verwickeln, doch sie antwortete jedes Mal nur das, was nötig war und verfiel wieder in dunkles Schweigen.

Serafin hatte jegliches Zeitgefühl verloren, seiner Meinung nach schlichen sie schon eine halbe Ewigkeit durch den niedrigen Gang. Sein Rücken schmerzte und machte jeden Schritt zu einer Qual.

,,Da ist die andere Öffnung!’’, flüsterte Ana plötzlich aufgeregt und deutete nach vorn. ,,Wo?’’ Serafin konnte beim besten Willen keine Öffnung erkennen, aber er verließ sich darauf, Elben haben nämlich ein schärferes Sehvermögen als Menschen. Und sie hatte Recht.

Ana spähte durch die Öffnung und glitt vorsichtig durch den Spalt. Serafin zögerte, doch als Ana ihm mit der Hand ein Zeichen gab, kam auch er heraus. Während er sich streckte stellte er verwundert fest, dass die Sonne schon ihren Höchststand überschritten hatte, es musste also schon Nachmittag sein. Trotzdem verließen sie das deckende Gebüsch nicht und warteten geduldig auf Bratak.

,,Warum bin ich nur hier?’’, fragte Serafin mehr sich selbst als Ana. Doch sie überraschte ihn, indem sie auf einmal gesprächig wurde.

,,Du musstest viel durchmachen, oder? Sechs Jahre lebst du nun schon unter Fremden, oder sind wir dir mittlerweile eine Familie?’’ Abfällig schnaufte er und setzte sich neben Ana. ,,Sechs Jahre, und doch seid ihr mir fremd wie die Zwerge oder der König selbst. Als Einzigster der ganzen Schule hatte ich ein Einzelzimmer, damit die anderen die Besuche von Aranon-vom-großen-Fluss nicht mitbekamen. Unterricht erhielt ich anfangs, angeblich wegen meiner geringen Sprachkenntnis, gesondert. Später waren kaum mehr Lehrer bereit, mich, einen Menschen, zu unterrichten. Freunde hatte ich keine, im Gegenteil! Lasnoras und seine Gefährten waren ständig in meiner Nähe und versuchten, mich wütend zu machen. Einmal, da haben sie meine Mutter beleidigt, wie sie nur solch ein Mischlingsbalg zeugen konnte, da bin ich ausgerastet. Drei Tage später, als ich bei unserem Heiler aufwachte, bereute ich es jedoch schon wieder. Ich kenne weder eure Bräuche, noch irgendwelche besonderen Anreden. Teilweise denke ich immer noch in meiner Muttersprache, weil mir niemand wirklich beigebracht hat, eure Sprache zu sprechen was bei dem Sprachumfang eines Elfjährigen manchmal ziemlich schwierig ist.

Lord Ermundo war der Einzige, mit dem ich reden konnte, allerdings hatte er nicht viel Zeit, er war Vorsitzender bei den Lehrern und musste sich um ihre Probleme und denen der Schüler kümmern. Ist es da erstaunlich, dass ich euch kaum kenne?’’

Er war völlig in Selbstmitleid versunken und erwachte erst wieder daraus, als Ana leise zu sprechen begann.

,,Du hattest eine schwere Zeit. Aber ich teile dein Leid. Meine Eltern sind nicht froh über meine Geburt gewesen, Mutter hatte noch viele Pläne gehabt, aber ich zerstörte diese. Sie kam nicht zurecht mit mir und gab mich zu meiner Tante, die mich dann aufziehen sollte. Sie hasste mich, sie hasste mich so sehr, wie der König die Rebellen.

Sie hatte eine eigene Tochter, ein verwöhntes, stures Biest. Sie bekam immer was sie wollte und das in Massen.

Ich war so stolz, als mich die Lehrer für begabt genug hielten, die alte Sprache zu studieren. Die Begeisterung meiner Tante hielt sich in Grenzen, denn sie wollte nicht, dass ich als einfaches Bauernmädchen eine bessere Bildung erhalten sollte, als ihre faule Tochter. Ich durfte nicht studieren und musste für einen Freund der Tochter auf dem Hof aushelfen. Bis Bratak kam. Er fragte nach einer tüchtigen Arbeitskraft und wählte mich aus. Ich war schon erfreut, dass sich der Mensch für meine Arbeit interessierte, aber noch erstaunter war ich, als er mir anbot, bei ihm die alte Sprache zu lernen, die Sprache der Grau - Elben, Sindarin. Sei froh, dass du ihn gefunden hast.’’

Serafin war sprachlos, diese elegante, hübsche Elbin ein armes Bauernmädchen? Er konnte nicht einmal etwas erwidern und so schwieg er betroffen. Innerlich schalt er sich dafür so töricht gewesen zu sein, um nicht zu erkennen, dass auch andere sein Schicksal teilten.

Irgendwann siegte dann doch die Neugierde.

,,Ana, ihr habt doch nicht all die Gefahren auf euch genommen, nur um mich nach Hause zu bringen? So langsam kommen mir Zweifel, ob ihr mich überhaupt zum Fluss führt...’’ ,,Zweifelst du an Brataks Worten?’’ Zögernd schüttelte Serafin den Kopf. ,,Na dann siehst du. Aber du hast recht, er hat zwar gesagt, dass er dir den Weg zum Fluss zeigt, aber er hat nicht gesagt wann. er hat mir nicht gesagt wo er hin will, aber ich vertraue ihm und dir bleibt nichts anderes übrig, als dies auch zu tun.’’

Wieder einmal verblüfft über ihre direkte Art lehnte er sich an den Fleischsack. So saßen sie eine ganze Weile da, warteten, doch nichts geschah. Als die Sonne sich bereits wieder dem Horizont näherte, beschloss Ana nach ihm Suchen zu gehen, Serafin sollte warten und Ausschau halten und so verließ sie ihn. Er sah ihr lange nach und dachte an die nächste Zeit und was Bratak wohl mit ihm vorhatte. Gedankenverloren nahm er sein Amulett und drehte es in seinen Fingern.

 

Schon von weitem hörte er aufgeregtes Pferdegewieher. Er schleppte die Säcke zurück in den Schacht und hockte sich hinter einen Dornenbusch, den Bogen zusammen mit ein paar Pfeilen auf seinen Knien. Und dann kamen sie in sein Blickfeld.

,,Verdammt!’’, zischte er und schnellte in die Höhe, griff gleichzeitig den Bogen und legte einen Pfeil an. Ana kam auf Kastor geritten, so weit er erkennen konnte mit einer Schriftrolle in ihrer Hand. Aber sie war nicht allein.

Serafin zielte und ließ den Pfeil los, er traf den Schwarzen Reiter in die Seite. Dieser gab ein zischendes aber unheimlich lautes Geräusch von sich und wendete sein Streitross. Nun folgte ihr nur noch einer der beiden Reiter, doch er wusste, dass es nicht bei diesen Beiden bleiben würde.

Er hatte bereits den zweiten Pfeil aufgelegt und zielte sorgfältig. Der Reiter seinerseits war jetzt aber gewarnt und schützte sich mit seinem Schild, der ihn beinahe vollständig verdeckte. Wie konnte er trotzdem so verdammt schnell sein? Er kam Ana immer näher, verzweifelt versuchte diese Kastor an sein Äußerstes zu bringen, obwohl Serafin ihn selten so schnell gesehen hatte, wie er jetzt war.

Serafin musste also wieder seinen Geist aussenden, behutsam tastete er nach dem schwarzen Pferd und fand schließlich Zugang zu ihm. Verwirrt zog er sich nach einer Weile wieder zurück, dieses Pferd hatte kaum Regungen, als ob es nur einen Zweck hatte, dem Reiter gehorchen.

Das seine eben gewonnene Erkenntnis viel tiefgreifender war, als er in diesem Moment dachte, wurde ihm erst sehr viel später bewusst.

Doch jetzt interessierte ihn lediglich eins, dass Ana dem Ungeheuer entwischte. Es sah nicht gut aus, Ana preschte noch immer in halsbrecherischem Tempo über die Steppe und war schon fast an Serafin vorbei.

Er hielt es nicht mehr aus und sprang aus seiner Deckung. ,,Hey, hier bin ich! Mich sucht ihr doch! Nun kommt schon, hier bin ich! Holt mich!’’, schrie er schon beinahe hysterisch und zog sein Schwert aus der Scheide.

Was tue ich da, bin ich lebensmüde? Sein Herz schlug schnell, seine Hände begannen zu schwitzen, als er merkte, dass der Reiter tatsächlich langsamer wurde und schließlich das willenlose Pferd herumdrehte und auf ihn zuritt.

Ana zügelte Kastor und starrte ihn ungläubig an. Sie wusste, dass er unmöglich gegen das schwarze Ungeheuer ankommen würde. In einem wilden Anflug von Panik rammte sie ihre Stiefelspitzen in die Flanke von Kastor und riss an seinen Zügeln. Serafin befahl Kastor stehen zu bleiben, was er auch gehorsam tat. Ana mühte sich ab, doch sie konnte den jungen Hengst nicht in Bewegung bringen. Hilflos musste sie zusehen, wie der Reiter beharrlich näher kam, ganz langsam, nicht etwa, um sein Pferd ausruhen zu lassen, sondern um Serafin nervös zu machen.

,,Lass dein Schwert stecken, junger Mensch.’’ Serafin nahm die Mütze ab, trotzig sah er dem Wesen entgegen und umfasste den Schwertgriff noch fester.

,,Ich werde mich nicht freiwillig geschlagen geben. Es mag aussichtslos erscheinen, aber wir Menschen besitzen eine dumme Eigenschaft, die sich Stolz nennt!’’ , rief er erhaben und freute sich insgeheim über seine kluge Wortwahl. Der Reiter war bis auf knappe dreißig Meter herangekommen, sodass Serafin bereits das Schnaufen seines Reittieres hören konnte. Er vernahm ein glucksendes Geräusch und stellte überrascht fest, dass es eine Art Lachen darstellen sollte.

Argwöhnisch, jedoch nicht ohne Bewunderung, betrachtete er den schwarzen Koloss. Der Name Schwarzer Reiter war in der Tat sehr passend, er war vollkommen schwarz. Angefangen von der schwarzen Rüstung, dem Schwarzen Helm über den auch noch eine schwarze Kapuze von eine Kutte gezogen war. Es war aber keine Kutte, wie Serafin feststellte, sondern ein Umhang, der bis zum Boden reichte. Seine riesigen Füße steckten in schwarzen Stiefeln, die durch eine robuste Beinschiene verlängert worden war. Das Gesicht konnte Serafin nicht sehen, weil einerseits die Kapuze sehr tief hing, andererseits, weil er ein Tuch über den bereich wo Mund und Nase sein müssten gezogen hatte. Seine Stimme klang scheppernd, irgendwie blechern und monoton.

,,Der König hat mich vorgewarnt, Menschen sollen sehr ignorant sein. Ehre...’’, er spuckte das Wort förmlich aus, ,,stellen sie oftmals über ihr eigenes Leben. Aber wie du bereits sagtest, es ist eine dumme Eigenschaft. Sei nicht dumm und folge mir.’’

Serafin verzog das Gesicht. ,,Nie werde ich einem Ungeheuer folgen, dass mir nach dem Leben trachtet, was hätte ich auch davon?’’ ,,Zumindest hättest du dein Leben. Sei nicht töricht, Mensch. Ich habe nicht vor, dich zu töten.’’ ,,Ach ja? warum sollte ich Euch glauben?’’

Der Reiter hob schwerfällig sein Schwert und schwenkte es zu Ana herüber, die abgestiegen war und versucht hatte, sich leise anzuschleichen. Serafin bekam eine Gänsehaut. Er hatte den zweiten Reiter völlig vergessen. Ana begriff, dass Serafin nicht sie, sondern etwas hinter ihr anstarrte. Langsam drehte sie sich um und schrie erschrocken auf, nicht einmal drei Schritte hinter ihr überragte sie das Ungeheuer um mindestens drei Köpfe. Serafin konnte unter der schwarzen Maske des Reiters vor ihm nichts erkennen, doch er wusste, dass es sein Gesicht zu einem grässlichen Grinsen geformt hatte. ,,Weil sie sonst sterben wird.’’

Zitternd vor Wut ließ er sein Schwert sinken und mit ihm seinen Kopf. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Ana, sie stand ganz still, verzog nicht eine Miene.

,,Wie Ihr wünscht, ich werde Euch begleiten, wenn ihr die Elbin noch vor meinen Augen mit dem Pferd laufen lasst. das ist meine Bedingung.’’ Serafin hörte wieder dieses ihm gänzlich fremde Glucksen. ,,Ich glaube nicht, dass du in der Lage bist irgendwelche Forderungen zu stellen.’’ Dann herrschte Stille.

Umso entsetzlicher schepperte es, als der Koloss neben Ana in die Knie ging. Serafin zögerte nicht und riss sein Schwert in die Höhe. Der Reiter, völlig überrascht über den plötzlichen Niedergang seines Kumpanen, reagierte zu langsam. Trotzdem bewirkte es kaum etwas, als Serafin ihn an der Schulter traf. Er sah ihn erst irritiert an und lächelte dann bösartig. Obwohl man von dem Gesicht des Ungeheuers nichts sah, zeigte seine Körpersprache deutlich, wie er sich fühlte.

Serafin keuchte, der heftige Schlag hatte seinen Arm betäubt. Durch einen glücklichen Zufall konnte er es gerade so vermeiden, nicht niedergemetzelt zu werden, der Angriff des Riesen ging ins Leere.

Serafin wirbelte herum und erkannte Bratak, der dem Koloss sein Schwert in die Seite schob. Dieser röchelte und sank auf seine gepanzerten Knie.

,,Sollte ich ihn töten?’’, fragte er Serafin, dass Schwert an der Kehle des Reiters. Betreten schüttelte Serafin den Kopf. ,,Nein, dann wärt Ihr nicht besser als er selbst. Außerdem sind es genug, die für falsche Ziele, Hochmut und ... Ehre sterben. Ich bin ein Bauernsohn, ich habe es gelernt Äcker zu pflügen, nicht zu töten. Ich will es gar nicht erst lernen.’’ Bratak nickte uzstimmend. ,,Weise Entscheidung, wir binden ihn an sein Pferd und schicken ihn zurück, einverstanden?’’ Serafin nickte langsam und wandte den Blick von dem verletzten Ungeheuer ab.

Er drehte sich zu Ana, stellte sich neben sie und blickte auf den toten Reiter hinab. Er spürte ihre Unruhe, doch sie versuchte es zu verbergen. Völlig gleichgültig, so versuchte sie sich jedenfalls darzustellen, sah sie das Ungeheuer an und holte tief Luft. Angewidert drehte sie sich um und rief Kastor. Der Hengst war jedoch verwirrt über das Treiben und hielt sich an den Befehl Serafins. Es verströmte ein Gefühl der Erleichterung, als er sein Pferd freigab. Freudig kam Kastor angetrabt und ließ sich von Ana über die Nüstern streicheln.

,,Warum seid Ihr nicht erschienen? Haben sie uns entdeckt?’’ Bratak nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. ,,Nicht direkt, sie wollten mir befehlen in der Stadt zu bleiben. Natürlich habe ich mich geweigert. Dann kam Ana und meinte, sie müsse einige Dinge holen und frage sich, weshalb ich solange brauche, um meine Sachen für die Reise zu ihrer Familie zu holen. Die Schwarzen Wächter entschuldigten sich und ließen uns passieren. Leider hatte ich die Rechung ohne Anas Cousine gemacht. Sie erzählte ihnen, dass ihre Familie gar nicht mehr lebt und man schickte uns Reiter hinterher. Ich versuchte, sie zum Bach zu locken, aber ich habe nur fünf töten können, drei haben Ana verfolgt.’’

Serafin unterbrach ihn. ,,Aber es waren nur zwei da, als sie bei mir vorbeiritten.’’ Bratak grinste. ,,Ana hat einen verbrannt.’’ Ungläubig starrte er erst ihn und dann Ana an. ,,Du hast was?’’ Ihr ganzes Gesicht strahlte, dann machte sie einen Schritt zu Serafin und Bratak bevor sie antwortete.

,,Serafin, die Alte Sprache, Sindarin, verbirgt viel mehr Macht als du denkst. Aber das wirst du selber erfahren, glaub mir.’’

,,Das sagst du ziemlich oft, wann werde ich denn überhaupt irgendetwas erfahren?’’ Starke Zweifel, was und wem er noch trauen konnte, machte sich in ihm breit. Bratak war immer sein Freund gewesen, aber er wusste nicht, was er in der Zwischenzeit gemacht hatte seit er das Dorf verlassen hatte. Eigentlich wusste er gar nichts, nicht, wie es seiner Familie ging, was aus dem Dorf geworden war, was überhaupt geschehen war. Fragen, die er alle beantwortet haben wollte. Aber Bratak wurde wieder ernst.

,,Serafin, ich verspreche dir, ich werde dir alles erzählen, aber zuerst einmal müssen wir hier verschwinden. Lasst uns gehen.’’ Er drückte Serafin seine Decke in die Hand, band die Säcke an ein Pferd, schwang sich auf sein Eigenes und wartete auf den Menschen und die Elbin.

Das muss ihr doch komisch vorkommen, eine Elbin zusammen mit den beiden einzigen Menschen im ganzen Land auf Reisen...

Serafin beschloss, sich darüber keine Gedanken mehr zu machen und nahm Kastor bei den Zügeln. Ana hatte bereits eines der drei Pferde bestiegen, mit denen Bratak gekommen war und schnalzte mit der Zunge, als Serafin im Sattel saß.

Bratak ritt voran, das Tier mir dem Gepäck neben sich führend, Ana hinter sich und Serafin als Schlusslicht.

 

Bis zum Abend redete keiner der drei Gefährten ein Wort, nur das gleichmäßige Geräusch der Hufe auf Kies war zu vernehmen. Serafin vertrieb sich die Zeit, indem er seine Umgebung beobachtete, doch auf den Moorhügeln gab es nicht s mehr, was es sich lohnte zu betrachten. Erst jetzt wurde ihm bewusst, was die letzten Tage alles geschehen war, er hatte die Schule und Lord Ermundo hinter sich gelassen, war vor Schwarzen Reitern geflohen und hatte den Menschen wiedergetroffen, den er seit Jahren nicht mehr gesehen und bezweifelt hatte, dass er ihn überhaupt jemals wieder sehen würde. Außerdem schienen sämtliche Elben zu wissen, was er für ein Geheimnis barg, nur er selber nicht. Ein Schauer überlief ihm, als er sich daran erinnerte, seinen ersten Kampf gefochten zu haben, gegen einen Reiter! Auch wenn er sich eher verteidigt hatte, er hatte zumindest Ana beschützen können.

Richtig, Ana hatte er kennen gelernt, sie war eine durchaus hübsche und kluge Elbin, wie er aus ihren Gesprächen entnommen hatte.

Gab es überhaupt dumme Elben?

Ana drehte sich um und lächelte ihn an. ,,Wir werden dort hinten an den Tannen rasten. Wie fühlst du dich?’’ Serafin erstaunte diese Frage zwar, aber er antwortete wahrheitsgemäß, dass es ihm bestens ginge.

Ana nickte und drehte sich wieder um, trieb ihr Reittier an und ritt nun neben Bratak. Kurz darauf hielten sie an und stiegen ab. Serafin machte sich auf die Suche nach trockenem Holz und stapelte es am Schlafplatz, geschützt vor Wind durch die Tannen, die sie umgaben.

Vergeblich versuchte er das Holz zu entzünden, bis Ana seine Bemühungen auffielen. Sie tippte mit einem Finger an seine Schulter und bedeutete ihm Platz zu machen. Lautlos bewegte sie die Lippen. Serafin zuckte zurück und betrachtete erstaunt das Feuer, das entstanden war.

,,Wie... Was hast du da gemacht?’’ Ana lächelte nur und stand wieder auf. Er sah ihr mit offenem Mund nach wie sie zwischen den Tannen in der Dunkelheit verschwand.

,,Mach den Mund zu, das schickt sich nicht.’’ Bratak stand neben ihm und schaute auf ihn herab. Schnell schloss er seinen Mund und erhob sich.

,,Was du eben gesehen hast war noch gar nichts. Aber das wirst du später lernen. Erst mal werde ich dich einige Wörter der Alten Sprache lehren. Ana hat dir davon erzählt?’’ Serafin nickte, gespannt, was ihn jetzt erwartete.

,,Ein wichtiges Wort, dass du häufiger brauchst, kennst du bereits. Erinnerst du dich an die höfliche Anrede für einen Elben?’’

Noch einmal nickte er und sagte Bratak, was er wusste. ,,Edhel, wenn du das meinst.’’ ,,Richtig, übersetzt heißt es Elb, weißt du auch, wie der König manchmal genannt wird?’’ ,,Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube irgendwo die Bezeichnung aran i arnad gelesen zu haben. Was es bedeutet weiß ich allerdings nicht.’’ ,,Es bedeutet ’König des Königreiches’. Sag, Serafin, du hast so etwas nicht zum Ersten mal gesehen, oder?’’ ,,Doch, doch! ich habe nie zuvor gesehen, wie jemand mit seinen Händen etwas zum Brennen gebracht hat, das war erstaunlich’’ ,,Das meine ich nicht, dir ist nie etwas passiert, wenn du bestimmte Worte gesagt hast?’’ Nun begriff Serafin, was er meinte. Er erinnerte sich an einen Tag, an dem Lasnoras ihn mit Steinen beworfen hatte. Serafin hatte gerade ein buch über Grau - Elben gelesen und einige wenige Worte behalten. Damals hatte er unter anderem auch gelesen, wie ein Elb geflucht hatte. Wutentbrannt schrie er nun die erlernten Flüche und war entsetzt, als er feststellte, dass sie eine Wirkung erzielten. Es hatte begonnen zu stürmen und Lasnoras war, von einer starken Böe ergriffen, in den Teich auf dem Gelände gefallen. Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht, aber jetzt fiel es ihm wieder ein. Er erzählte Bratak von dem Vorfall, was dieser bestätigte.

,,Das meinte ich, du trägst es eben in dir. Ich will dich lehren, diese Kräfte zu kontrollieren, dies geht aber nur, wenn du das Sindarin zu gebrauchen weißt.’’

,,Meister Bratak, ich weiß immer noch nicht, was das Ganze soll. Ihr setzt für mich Euer Leben aufs spiel um mich aus der Stadt zu bringen und bringt mir eine tote Sprache bei, die irgendwelche Kräfte wecken soll, ich verstehe das einfach nicht.’’

Bratak seufzte schwer und schwieg eine Weile.

,, Zeige mir bitte den Stein, den dein Vater die überlassen hat.’’ Gehorsam zog Serafin den Anhänger unter seinem Hemd hervor und reichte ihn Bratak. Dieser betrachtete ihn genau, ließ ihn durch seine Finger gleiten und tastete ihn mit den Fingern ab.’’

,,Es ist ein kostbarer Besitz, wusstest du das? Nein, du kannst es nicht wissen. Deswegen ist der König auf der Suche nach dir. Warum, das weiß kein lebendes Wesen außer dem König selbst und das musst du selbst herausfinden.’’

,,Was soll das heißen? Ich habe doch nichts getan.’’ ,,Nein, aber irgendetwas führt er im Schilde, was dein Vater zu verhindern gesucht hat.’’

,,Du sahst vorhin beim Kampf ziemlich unbeholfen aus. Dein Bogen macht zwar viel wett, aber im Nahkampf würdest du jämmerlich versagen.’’

Das kränkte Serafin, obwohl er wusste, dass er Recht hatte, brauchte er das doch vor Ana nicht so deutlich zu sagen. Schließlich nickte er verdrossen.

,,Sei nicht wütend, ich werde jeden Abend mit dir trainieren, aber im Schreiben und lesen bin ich kein guter Lehrer, das wird Ana übernehmen.’’

,,Ich werde dir ein wenig Sindarin beibringen, wenn du willst.’’ Hilflos sah er Ana an, die sich gerade zu ihm gestellt hatte. Immer noch ein wenig beschämt nickte er.

,,Du sagtest, du hättest Flüche wiederholt, als die Sache mit Lasnoras geschehen ist. Wiederholst du sie für mich.’’ Grinsend kam Serafin ihrem Wunsch nach, bis sie ihn mittendrin unterbrach.

,,Gwaew sagtest du? Das bedeutet ‘Wind’, es erklärt die starke Windböe. Dann zeige mir einmal deine stärkste Böe, die du damit zustande bringst.’’

Verwirrt sah er Ana an, dann sammelte er sich und rief das sindarische Wort. Ein kalter Luftzug, der aber nicht sonderlich auffiel, hauchte an ihnen vorbei.

,,Die Frage ist nicht, wie laut du das Wort sagst, sondern wie mächtig du es dir vorstellst. Aber gib acht, du kennst deine Grenzen nicht, ist der Zauber zu mächtig, kann es dich das Leben kosten. Also fangen wir mit etwas Leichtem an. Versuche das Feuer auszupusten.’’ So sehr sich Serafin auch anstellte, er brachte das Feuer lediglich zum Flackern, aber zu löschen schaffte er es einfach nicht.

Nach den kläglich gescheiterten Versuchen wurde er zornig, bei Lasnoras hatte es funktioniert und jetzt, vor Ana, brachte er nicht einmal ein kleines Lagerfeuer zu erlöschen. Schließlich gab er es auf, drehte sich ohne ein Wort zu Ana um und schlich davon.

Lange lief er ohne ein bestimmtes Ziel zwischen den Tannen entlang, bis er auf eine Lichtung kam. Er hütete sich davor ihr zu nahe zu kommen, es konnten irgendwelche Elben auftauchen und ihn zum König bringen. Mit einem Mal begann der Stein um seinen Hals warm zu werden. Immer wärmer wurde er und schließlich musste Serafin ihn hervornehmen, weil er ihn auf der bloßen Haut nicht mehr ertragen konnte. Neugierig betrachtete er das Gebilde, das sich auf seinem Stein abgezeichnet hatte. Eine Art Pfeil war zu sehen und Serafin beschloss ihm nachzugehen, auch wenn es vielleicht nur Einbildung war. Er folgte seinem Stein zu einem Wasserfall, den Serafin ehrfürchtig erkundete. Mit Erstaunen stellte er fest, dass sich hinter dem kleinen Wasserfall eine Art Höhle verbarg. Neugierig betrat er sie und schloss die Augen für einen Moment, weil etwas im Inneren der Höhle ihn blendete. Zögernd öffnete er die Augen und schrie überrascht auf.

 

Der junge Serafin ist auf der Flucht zusammen mit einem alten Menschenfreund und der hübschen Elbin Ana. Aber schon zu Beginn ihrer Reise müssen sie Gefahren meistern und lernen, aufeinander zu vertrauen. Außerdem versteht Serafin nun die Bedeutung der alten Sprache und dass es unabdingbar für ihn ist, diese zu lernen. Dabei ist er hin- und hergerissen von seinen gefühlen und der Sehnsucht, nach seinem längst verlorenen Zuhause.Jennifer Konrad, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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In meinen Gedichten, schreibe ich mir meine eigene Realität, meine Träume auch wenn sie oft surreal, meistens abstakt wirken. Schreiben bedingt auch meine Sprache, meine Denkmechanismen mein Gefühl für das Jetzt der Zeit.

Ich vernehme mich selbst, ich höre tief in mich rein, bin bei mir, hier und jetzt. Die Sprache ist dabei meine Helfershelferin und Komplizin, wenn es darum geht, mir die Wirklichkeit vom Leib zu halten. Wenn ich mein erzähltes Ich beschreibe, beeinflusse, beschneide, möchte ich begreifen, wissen, welche Ursachen Einflüsse bestimmte Dinge und Menschen auf mein Inneres auf meine Handlung nehmen, wie sie sich integrieren bzw. verworfen werden um mich dennoch im Gleichgewicht halten können.

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