Jürgen Behr

Der Irrtum

Wenn du durch eine Stadt gehst, durch irgendeine Stadt und flüchtige Blicke auf die sorgfältig geschmückten Auslagen hinter grossflächigen Schaufensterscheiben werfend, eine schmale Gasse durch den unübersichtlichen Irrgarten ewig sich bewegender Beine dir suchst, fragst du dann auch oft nach den Gedanken, die hinter den hohen, breiten, flachen, schweisstriefenden, geröteten Stirnen und unter den schlangengleich verschlungenen, glatten, blonden, braunen, dunklen, zerzausten Haaren sich verbergen, die alles sind, was du ablesen kannst von den künstlich braungebrannten Totenschädeln, deren auf und ab sich in deine Augen frisst und einen drückenden, schemenhaften Schleier legt, über deinen Willen, kein Punkt zu sein in diesem unaufhörlichen sich wandelnden Bild?
 
Und möchtest du in einem Spiegel dich beobachten können, wenn, wider Erwarten, plötzlich eines dieser vorbeiziehenden Gesichter, eines unter tausenden, aufleuchtet, alle anderen übertüncht mit dem Strahl der Freude, die in ihm liegt, und sich sein Arm, scheinbar nach den Wolken greift, wie ein Hilferuf sich flehend an dich wendet, als wolle er dich zwingen, ihn zu sehen, deine Blicke auf sich haften macht, unverrückbar, starr und fest?
 
Kennst du den Kampf, den der andere auszufechten hat, wenn er, willens, dich zu erreichen, dir die Hand zu drücken, zwischen dicht an dicht gedrängte Leiber sich zwängt und mit allen Gliedern rudernd und arbeitend schliesslich dich vor sich hat, während du, in dem Glauben, nicht gemeint zu sein, dich schon zum Weitergehen wendest, dir auf die Schulter klopft, ungeduldig, in Erwartung, grenzenloses Erstaunen aus deiner Miene zu lesen und dich nach so langer Zeit einmal wieder freundschaftlich in die Arme schliessen zu können?---
Und du wendest dich um, und sein Gesicht zerfällt, das Lachen auf seinen Zügen erstarrt, als sei es gefroren, so kalt wird es, und du schaust auf ihn, siehst, dass er in sich stirbt, zur Maske wird, zum Totenschädel und dann ein Schatten, der sich auflöst und verblasst.
 
       -  „Entschuldigen sie“. -
 
Zwei Worte nur, dann ist er wieder so allein, wie du. ---
 
Wenn du durch eine Stadt gehst, durch irgendeine grosse Stadt ....
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.03.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Zwei Kommissare ermitteln, da der Leiter eines Genmais-Versuchsfeldes tot aufgefunden wird – übersät von Bienenstichen. Zunächst erscheint es wie ein Unfall. Sehr bald wird klar, dass es sich um keinen Unfall handeln kann. Doch auch ein Mord erscheint unerklärlich. Wie sollte man schließlich auch einen Bienenschwarm dazu bringen, einen Menschen zu attackieren? Die Kommissare verschaffen sich einen Überblick über die Lebensweise der Bienen und ermitteln in alle Richtung. Einerseits gibt es da eine Bürgerinitiative, die gegen den Genmais wettert. Andererseits existiert der Bruder des Opfers, der in Brasilien ausgerechnet Flora und Fauna erforscht und über ein nötiges biologisches Hintergrundwissen für die Tat verfügen könnte. Und nicht zuletzt gibt es auch noch die Imker in Bodenheim und Umgebung, die nur schwer Honig mit genverändertem Pollen verkaufen können.

Einer der Kommissare – Kelchbrunner – hadert zudem mit dem Schicksal und wirkt in dem Fall sehr subjektiv. Alles scheint sehr verworren.
Erst als ein zweiter Mensch sterben muss, erkennen die Kommissare, worum es in dem Fall wirklich geht.

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