Eines war
Cellaryl sehr deutlich bewusst, als er Richtung Borealis schritt: Es gab kein
Zurück. Sie wussten, dass er ihre Warnung ignoriert hatte. Die Warnung dieser
geheimnisvollen Person, die sich "G." nannte. Nun, da er ihnen offen
den Kampf angesagt hatte, würden sie ihn mit allen ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln bekämpfen. Das neuerliche Attentat des Agenten hatte das mehr
als deutlich gemacht. Bei dem Gedanken an den feigen Mörder, der nie wieder ein
Insurance-Reclaim sehen würde, füllte sich Cellaryls Herz erneut mit
Dunkelheit. Es gab kein Zurück mehr - nicht für ihn - aber auch nicht für sie!
Der
Morgen war hereingebrochen und tauchte die Umgebung in eine friedlich-frische
Atmosphäre. Einige Vögel sangen ihre Lieder und die gesamte Welt erschien so
unschuldig, so rein. Doch Cellaryl wusste es besser. Er kannte das dunkle
Gesicht Rubi-Ka's, die Schmerzen dieses Planeten und die Grausamkeit seiner
Bewohner. Der Friede war eine Illusion. Das Glück eine Utopie. Niemand würde
ihm seine Romena zurückholen können - niemand.
Entschlossen
ging der Privatdetektiv seinem nächsten Ziel entgegen, der nächsten Station
seines persönlichen Rachefeldzugs gegen die Mörder seiner einzigen Liebe. Ein
gefährliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Die
Wachen waren leicht zu täuschen. Cellaryl war sich zwar sicher, dass die
Wachen, insbesondere die Sentinels, ihn gerne zu den Ereignissen der letzten
Tage befragen würden, doch stellte es kein großes Problem dar, den
implantierten ID-Chip unbrauchbar zu machen und sein Äußeres dahingehend zu
verändern, dass ihn niemand ohne weiteres erkennen würde. Mit der Zerstörung
seines ID-Chips hatte er zwar seine Identität auf diesem Planeten zerstört und
würde von allen Annehmlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgeschlossen sein,
doch er hatte nichts mehr zu verlieren. Er hatte schon lange nichts mehr zu
verlieren. Im Prinzip war er seit dem Augenblick tot, seit dem er sich
entschieden hatte, sich gegen sie aufzulehnen und er seinem Hass Raum gegeben
hatte, der seither unaufhörlich in ihm loderte.
Nun stand
er vor dem großen Büro der Insurance Niederlassung in Borealis. Während einer
kurzen Rast war er die Bilder durchgegangen, die er von Al bekommen hatte.
Tatsächlich hatte er den Insurance Mitarbeiter neben dem in schwarz gekleideten
Agenten ausfindig machen können. Er wusste, wie sein Ziel aussah, er wusste, wo
sein Ziel war, er wusste, warum es sein Ziel war. Entschlossen betrat er die
kühle Empfangshalle. Sie war sehr geräumig und gab einem irgendwie das Gefühl,
klein und unbedeutend im Universum zu sein.
Cellaryl
ließ sich nicht irritieren. Ohne zu zögern steuerte er direkt auf den Aufzug
zu. Er war selbst davon überrascht, dass ihn keiner der Sicherheitsbeamten
stoppte. Es schien, als hätte sein entschlossenes Auftreten und seine
Zielstrebigkeit die gewünschte Wirkung erzielt.
Hastig
schaute er sich im 1. Stockwerk um und orientierte sich. Er musste unbedingt
erfahren, wie sein Ziel hieß und wo genau es sich aufhielt.
In diesem
Moment bog gerade eine Dame mittleren Alters um die Ecke. Sie war das, was man
sich unter einer grauen Maus vorstellt, ein resignierter, unscheinbarer
Bürohengst. 'Was muss das nur für ein Leben sein in diesen modernen
Gefängissen' dachte Cellaryl bei sich, als er entschlossen auf die Frau
zuhielt. "Entschuldigen Sie, Miss, ich bin von der RubiNet Private
Versicherung." sagte er mit dem reizendsten Lächeln, das er besaß. "Ich
suche diesen Mann hier - es handelt sich lediglich um einen kleine Formfehler
bei uns im Netz. Irgendwo muss sich da ein Fehler eingeschlichen haben und in
unserer Bilddatenbank etwas durcheinander geraten sein..." Der Detektiv
hielt der Dame sein ComPad mit dem vergrößerten Bild des Insurance Angestellten
direkt vor die Nase, so dass sie gar nicht anders konnte, als hinzusehen.
"Das ist John Markson. 4. Stock, Zimmer 412" knurrte die Angestellte
teilnahmslos. Diese Leute waren wie Maschinen. Lediglich darauf programmiert,
Befehle auszuführen. Cellaryl fragte sich, ob diese Personen überhaupt Menschen
mit einem eigenen Verstand waren.
Ermutigt
durch so viel Glück machte er sich schnurstracks auf den Weg in den 4. Stock.
Alle Mitarbeiter, denen er begegnete, behandelten ihn, als wäre er gar nicht
vorhanden. Cellaryl war sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt wahrnahmen.
Wäre noch ein Funke Menschlichkeit in ihm gewesen, er hätte tiefstes Mitleid
für diese Menschen in ihrem tristen Alltag empfunden. Sie schienen keinerlei
Emotionen zu besitzen, oder so gedrillt worden zu sein, sie nicht zu zeigen.
Doch das
Einzige, was Cellaryl empfand war der Hass, der ihn vorantrieb, der ihn zu dem
machte, was er war: Ein gnadenloser Rächer auf der Jagd nach seinen Peinigern.
Cellaryl
fand sich in einem langen, sterilen Flur wieder, als sich sein Körper im 4.
Stock manifestierte. Er verließ die Aufzugsplattform und schritt langsam den
Korridor entlang. Langsam näherte er sich dem Büro mit der Nummer 412, während
sich seine Hände zu Fäusten ballten. Unbeirrbar setzte er einen Fuß vor den
anderen, mit jedem Schritt seinem Opfer näher kommend. Es schien eine Ewigkeit
zu dauern, bis er endlich vor der Türe stand. Beinahe unhörbar öffnete sich die
Tür und gab den Blick auf ein kleines Vorzimmer frei. Der Trox, der wohl
eigentlich als Wache fungieren sollte und seine Füße auf den kleinen
Schreibtisch vor sich gelegt hatte, hatte keine Chance, rechtzeitig zu
reagieren.
Wie der
Blitz schoß der Abenteurer vor, war mit wenigen Schritten bei dem völlig
verdatterten Fleischkloß und stieß ihm die Faust mitten ins Gesicht. Noch ehe
der von dem wuchtigen Schlag benommene Wachmann einen Ton von sich geben
konnte, war Cellaryl hinter ihn getreten, legte ihm den Arm um den Hals genau
über den Kehlkopf, verkeilte diesen natürlichen Hebel mit seinem zweiten Arm
und presste den massigen Hals der Wache durch diese Technik mit Leichtigkeit
zusammen. Es dauerte weniger als 5 Sekunden, bis der riesenhafte Körper
erschlaffte und sich die Seele des Trox auf den Weg zum nächsten
Insurance-Reclaim machte.
Cellaryl
achtete darauf, dass der leblose Körper aufrecht sitzen blieb, bis er sich
auflösen würde. Die ganze Aktion war so unglaublich leise vonstatten gegangen,
dass er sich sicher sein konnte, keine Aufmerksamkeit erregt zu haben.
Langsam
bewegte sich der Privatdetektiv Richtung Verbindungstür und wollte bereits zu
seiner Waffe greifen, als er etwas bemerkte, das seine Aufmerksamkeit auf sich
zog. Triumphierend machte er kehrt und ging zu der kleinen Freisprechanlage,
die das Vorzimmer mit dem Büro verband. Inständig hoffte er, dass sein
Abhörversuch unbemerkt blieb, als er auf die Lautsprechertaste drückte.
"Natürlich
wird alles zu unser aller Zufriedenheit erledigt werden... Natürlich! ... Wir
sind mich Hochdruck dabei..." Wer immer sich auch in dem Büro befand, er
schien zu telefonieren und nicht bemerkt zu haben, dass die Gegensprechanlage
aktiv war. Es war eine männliche Stimme, die von guter Erziehung und hoher
Bildung zeugte. Sie hatte keinerlei Akzent oder sonst etwas Auffälliges an
sich.
"Selbstverständlich,
G. ... Ja, ich weiß, was das bedeutet ... Seine Insurance Daten wurden bereits
gelöscht und sind nicht reaktivierbar. Und sollte er seine DNA erneut scannen
lassen, habe ich einen Wurm ins System eingeschleust, der die Anfrage
unschädlich macht, bevor sie überhaupt ins Hauptsystem gelangt! ... Richtig, er
wird schon sehen, was passiert, wenn man sich mit Ihnen anlegt, G. ... Nein, es
kann gar nichts schief gehen. Er ist schon jetzt so gut wie gelöscht auf diesem
Planeten. ... Nun, das damals mit dieser - wie hieß sie doch gleich? ... Gence,
richtig. Das Fiasko mit ihrer Flucht war ja nun mit Sicherheit nicht meine
Schuld! ... Nein, das lasse ich mir nicht nachsagen! Ich bin mir keiner Schuld bewusst
und lasse mich von Ihnen nicht dafür verantwortlich machen! Wenn ich es mir
genau überlege - waren nicht Sie die Person, die für das Projekt verantwortlich
war? ... Jaja, weisen Sie nur jegliche Schuld von sich ... Ich habe ja gar
nicht das Bedürfnis, Sie anzuklagen, nur beleidigen lasse ich mich von Ihnen
nicht ... mhm ... Ist ja gut - lassen wir die gegenseitigen Schuldzuweisungen
... mhm ... Ja, ich werde es in meinem nächsten Bericht an das Komitee erwähnen
... Natürlich, Sie kennen meine Genauigkeit ... bis ins kleinste Detail! ...
Ok, alles klar. Bis dann ..." (klick)
Tausend
Fragen schossen Cellaryl durch den Kopf, als er vorsichtig die
Lautsprechertaste los ließ. Zu viele Fragen und Gedanken, um sie im Augenblick
zu ordnen. Doch eins war ihm direkt ins Herz geschossen. Der Mann hatte seinen
Gesprächspartner mit "G." angesprochen. Klar und deutlich sah
Cellaryl die Nachricht vor sich, die er an diesem dunkelsten Tag seines Lebens
auf seinem ComPad empfangen hatte.
"Hallo,
Herr Detektiv
Sie
wissen jetzt, wozu wir in der Lage sind. Begraben Sie ihre kleine Freundin und
gehen Sie ihrer Arbeit nach. Ich warne Sie vor weiteren Ermittlungen in dieser
Angelegenheit. Es sei denn, Sie wollen so enden wie Ihr kleiner Betthase, der
seine Nase unbedingt in fremde Angelegenheiten stecken musste.
MfG
G."
Grenzenloser
Zorn stieg in ihm auf. Er war auf der richtigen Spur - er war den Hintermännern
dieses unmenschlichen Verbrechens näher denn je. Er war hier, um Vergeltung zu
üben und er würde seinen selbstgewählten Auftrag erfüllen!
Innerlich
sprühend vor Wut und Hass ging er doch äußerlich ruhig auf die Verbindungstür
zu, während er die BBI Faithful Pistole zog.
Der Mann
mittleren Alters, der in dem Büro hinter einem großen Schreibtisch saß, schaute
erstaunt auf, als sich die Tür öffnete. Er riss seine Augen weit auf und
öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus, als er die Mündung der auf
ihn gerichteten Waffe registrierte.
"Guten
Morgen. Mr. Markson nehme ich an?"
Unfähig
zu sprechen nickte der Bürokrat nur leicht. Er trug einen maßgeschneiderten
Anzug und sah aus wie ein Mann, der es gewohnt war, in schicken Lokalen über
Fragen von gewaltigem Ausmaß zu verhandeln. Er war ohne Frage eine
Persönlichkeit, die man automatisch respektierte und deren Anweisungen man ohne
Widerworte befolgte. Schnell hatte er sich wieder im Griff und setzte ein
freundschaftliches Lächeln auf.
"Das
ist aber eine Ehre, Herr Cellaryl, der berühmte Detektiv. Setzen Sie sich doch.
Was beschert mir die Ehre Ihres Besuchs?"
"Danke,
ich stehe lieber, während ich abdrücke. Aber zuerst hätte ich gerne ein paar
Fragen beantwortet." entgegnete Cellaryl ungerührt und so kalt wie ein
Eisklotz.
"Ich
verstehe nicht..."
"Sie
verstehen mich sehr gut, Mr. Markson. Ich möchte Antworten! Und zwar
plötzlich!"
"Nun,
solange Sie keine Fragen stellen, habe ich einige Schwierigkeiten, dieser
Aufforderung nachzukommen." erwiderte Markson spitz.
"Sie
wissen ganz genau, was ich wissen möchte. Aber gut, ich will Ihrem Gedächtnis
etwas auf die Sprünge helfen: Warum musste meine Klientin sterben? Wer ist der
Agent, der mich zweimal versucht hat umzubringen? Und - wer ist G.?"
"Es
tut mir leid, wenn Ihnen Ihre Klienten wegsterben, aber ich kann Ihnen beim
besten Willen nicht helfen..."
Drohend
trat Cellaryl einen Schritt auf Markson zu. Der Kerl war aalglatt.
Wahrscheinlich hätte er seine eigene Tochter ohne mit der Wimper zu zucken dem
Höchstbietenden verkauft.
"Hören
Sie zu, Markson, ich bin nicht in der Stimmung, mit Ihnen Spielchen zu treiben!
Also - entweder, sie sagen mir jetzt, was ich wissen will, oder ich beginne mit
einem ganz anderen Spielchen, das Sie in die tiefsten Höllen körperlichen
Schmerzes führen wird!"
Cellaryl
sah einen Funken von Angst in den Augen seines Gegenübers aufblinken. Er
spürte, dass er den Mann soweit hatte, dass er auspacken würde. Er spürte, dass
er der Lösung des Rätsels ganz nahe war.
Plötzlich
öffnete sich die Tür und Cellaryl überkam die innere Unruhe, die nahende Gefahr
anzeigte. Blitzschnell ließ er sich fallen und drehte sich um. Die Schüsse aus
der vollautomatischen Waffe des in der Tür stehenden Wachmanns verfehlten ihn
haarscharf und ein Regen aus Staub, Holz- und Glassplittern regnete auf
Cellaryl herab. Noch bevor er den Boden berührte, hob der Detektiv seine Waffe
und drückte ab. Der Schuss traf die Wache genau zwischen die Augen und die
Wucht des Geschosses schleuderten ihn in das Vorzimmer zurück, wo er gegen zwei
seiner Kollegen prallte. Geistesgegenwärtig feuerte Cellaryl auf den
Türschließmechanismus, während er sich auf die Seite rollte. Die Kugeln
zerstörten den Schaltkreis und die schwere Stahltür fiel herunter, eine
Barriere zwischen ihm und den Angreifern bildend.
Schnell
orientierte sich der Abenteurer. Markson war spurlos verschwunden. Er musste
heimlich Alarm ausgelöst und dann, als die Wachen hereinkamen, einen
versteckten Aufzug benutzt haben. Anders konnte sich Cellaryl die plötzlichen
Geschehnisse nicht erklären.
Fieberhaft
versuchte er, sich einen Plan zurecht zu legen. Die Tür würde die Wachen nicht
lange aufhalten, und diese Leute waren gewiss keine Anfänger. Seine Augen
suchten den Raum ab, während die Wachen draußen begannen, die Türe
aufzuschweißen. Der Anführer, ein ehemaliger Soldat, trieb seine Kollegen zur
Eile an. Schließlich gab der Stahl nach. Zwei Wachen sicherten den Eingang,
während sich der Anführer zusammen mit einem jüngeren Wachmann, eng an die Wand
gepresst, in den Raum schoben. Verdutzt blicken sie in das scheinbar verlassene
Zimmer. Es war niemand zu sehen, schon gar kein Amok laufender, schwer
bewaffneter Eindringling. Sich gegenseitig Deckung gebend, schritten die Beiden
durch das Büro. Die Atmosphäre schien wie elektrisiert und die Stille drohte
die beiden voll konzentrierten Männer zu erdrücken.
Der
Anführer ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Fest an die Wand gedrückt
pirschte er durch den Raum, ließ dabei seinen jungen Kollegen auf der anderen
Seite des Büros niemals aus den Augen. Plötzlich fühlte er sich von hinten
gepackt und zur Seite gerissen. Instinktiv versuchte er, sich gegen die
Bewegung zu wehren, doch der Angriff hatte zu schnell statt gefunden, als dass
er hätte verhindern können, dass die plötzliche, starke Drehbewegung sein
Genick zerbrach.
Der junge
Wachmann, der sich voll auf den großen Schreibtisch konzentriert hatte, nahm
die Bewegung aus den Augenwinkeln wahr. Er riss seine Waffe herum, sah jedoch
nur noch die aufflammende Mündung der Pistole, deren Geschosse sein Gesicht im
Bruchteil einer Sekunde in eine blutverschmierte, unidentifizierbare Masse
verwandelten.
Cellaryl
trat ganz hinter der vermeintlichen Wand des Hologramms hervor. Die optische
Täuschung verbarg eine kleine Nische mit allerhand Material - und einem Aufzug.
Er wusste nun, wie sein Opfer ihm entwischen konnte und war irgendwo dankbar,
dass die versteckte Kammer existierte.
Schnell
steckte er einige Dinge ein, die sich als nützlich erweisen konnten. Da er
nicht wusste, was ihn erwartete, verzichtete er darauf, den geheimen Aufzug zu
benutzen.
Die
beiden Wachen, die das Vorzimmer sicherten, hatten wohl die Schüsse gehört,
konnten aber wegen der Bauweise des Büros nicht sehen, was in dem Raum vor sich
ging. Seelenruhig bewegte sich Cellaryl außerhalb ihres Blickfeldes auf die Tür
zu, zog den Stift und warf die soeben gefundene, höchst effektive Handgranate
in das kleine Vorzimmer. Die Explosion schien die gesamte Etage zu erschüttern.
Alarmsirenen begannen zu läuten und ein Tumult im gesamten Gebäude war
vorprogrammiert. Doch genau das war es, was Cellaryl erreichen wollte: Chaos.
Schnell
zog er sich die Uniform des Anführers über, der etwa seine Statur hatte und
dessen Uniform auch noch tadellos aussah, krallte sich den Ausweis des jüngeren
und hastete aus dem Büro. Auf dem Flur regte sich keine Menschenseele. Es
schien, als ob sich hier im Moment niemand außer Markson aufgehalten hätte.
Schnell
schritt Cellaryl auf den Aufzug zu und beamte sich in den 1. Stock. Dort kamen
ihm Massen von Angestellten entgegen. Als Sicherheitsbeamter versuchte er, die
Flucht der Mitarbeiter etwas zu koordinieren und seine Rolle so gut zu spielen,
dass er nicht auffiel. Währenddessen dachte er angestrengt nach, wie er die
Sicherheitskontrollen im Foyer überwinden konnte, durch die er mit Sicherheit
nicht ohne weiteres durchkommen würde.
"Bitte
beruhigen Sie sich, gehen Sie gemäßigt zu den Aufzügen und vermeiden Sie
Panik..." Es schien beinahe, als dass die ruhige und bestimmte Stimme des
Detektivs Wirkung zeigte. Langsam bahnte er sich einen Weg durch die Menge,
beruhigend auf die in Panik geratenen Massen einredend.
Nach
einiger Zeit lichteten sich die Menschenmengen und ließen den 1. Stock
schlussendlich verlassen zurück. Cellaryl war bisher keinem einzigen Wachmann
begegenet. Sie waren wohl alle entweder im vierten Stock oder riegelten die
Ausgänge ab. Nun, da die Etagen so gut wie evakuiert waren, würden sie bald
eintreffen, ausgebildetes Wachpersonal, das im Umgang mit Waffen geübt war. Der
Abenteurer wusste, dass er sich nicht auf einen Kampf einlassen konnte. Er
würde in jedem Fall den kürzeren ziehen.
Von einem
plötzlichen Einfall motiviert, hastete er in eines der kleineren Büros am Ende
der Etage. Er verriegelte die Türe und zerstörte den Schließmechanismus. Dann
kramte er in seinem Rucksack herum, bis er gefunden hatte, was er suchte.
Schnell
brachte er die Haftmine aus der kleinen Kammer im 4. Stock an der Gebäudewand
an. Mit geschickten Fingern machte er das kleine Höllengerät scharf und stellte
den Zeitzünder auf 1 Minute. Schwitzend stieß er den großen Schreibtisch um und
schob danach den schweren, metallenen Aktenschrank unter Aufwendung all seiner
Kraft zwischen Schreibtisch und der Mine gegenüberliegender Wand. Es blieb ihm
keine Zeit. In wenigen Sekunden würde ein Sondereinsatzkommando in das Büro
stürmen und ihn in Stücke schießen. Seine stählernen Muskeln drohten an dem
Gewicht des Schranks zu versagen, doch Cellaryl zwang sich weiter. Noch 10
Sekunden.
Mit einem
letzten Stoß brachte er das Ungetüm aus Stahl und Eisen in Stellung und kauerte
sich dahinter.
KA-WUMMMMMM!
Die
Explosion schien das Fundament des Gebäudes zu erschüttern. Die Druckwelle ließ
den Schreibtisch zerbersten und stieß den mächtigen Aktenschrank um. Doch wie
von Cellaryl beabsichtigt fiel er nicht zu Boden, sondern wurde von der Wand
abgestützt und schützte den Privatdetektiv vor den alles verschlingenden
Flammen. Es regnete große und kleinere Betonbrocken, die Luft schien zu glühen
und der Lärm war so ohrenbetäubend, dass Cellaryl die Sinne zu schwinden drohten.
Die Luft anhaltend kauerte er sich in den Schutz des Aktenschranks und
versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis
die unbeschreibliche Hitze, die ihm einige Haare versengt hatte, langsam
nachließ und nur noch das Pfeifen in seinen Ohren und das Prasseln der
einbrechenden Decke zu hören war.
Noch ehe
sich der Rauch gelegt hatte, sprang Cellaryl aus dem großen Loch, das die Mine
in die Wand des Gebäudes gerissen hatte, fing sich geschickt ab und war wenige
Sekunden später in den Gassen von Borealis verschwunden.
Sie
hatten ihn aus der Insurance-Datenbank gelöscht. Sie hatten seine Identität
gelöscht. Sein Tod, würde den endgültigen Tod bedeuten. Es gab kein Zurück
mehr. Um Cellaryls Mundwinkel spielte ein hartes Lächeln. Es gab schon lange
kein Zurück mehr.