Ricky Sinclair

Ein wunderschöner Tag in Koblenz... (Teil 2)

 
Als ich an dem Nachmittag in die Stadt ging, standen vor der Einkaufsstraße zwei Punks. Der eine hatte rote Stacheln als Haarschmuck, trug Nietenketten, Hals- und Armbänder mit Nieten versehen, und zerrissene, dunkle Kleidung, wo allerlei Sprüche und Anarchie-Zeichen drauf gemalt waren. Der zweite Punk hatte zwar auch rote Haare, aber einen kurzen, stacheligen Iro-Haarschnitt. Die Klamotten blieben in etwa gleich. Auch der Schmuck unterschied sich nicht von dem ersten Punk.
Die Jungs fielen auf – keine Frage, aber irgendwie strahlten sie auch sowas wie Selbstsicherheit und Stolz aus. Sie „schnorrten“, wie sie es so schön nennen. *gg*
[ Ja, ich weiß, jetzt kommen wieder die Leute, die sagen, sollen sich Arbeit suchen, Wohnung und und und, aber das ist nicht ihr Ziel. Und wenn sie so leben wollen, wer will es ändern? Ich nicht. Wenn ich die Punks in der Fußgängerszene in Koblenz sehe, dann gehe ich immer gerne zu ihnen hin und unterhalte mich mit ihnen. Und sie sind immer sehr freundlich, offen und nett. Keine Vorurteile, keine blöden Sprüche wie von „normalen“ Menschen so frei nach dem Motto „Du bist zu fett. Ich seh nix. Mach mal Platz!“. Alles schon erlebt. Leider. :( Ich mag die Punks so wie sie sind: offen, manchmal aufmüpfig ;), durchsetzungsfähig, rebellisch, freundlich, und immer da, wo sie nicht gern gesehen werden von gewissen Leuten. ;) :) ]
 
Einer der beiden Punks stand bei ihren Sachen und der andere war ein paar Schritte entfernt und schnorrte bei den vorbeiziehenden Menschen.
Ich ging zum Punk, der bei den Klamotten stand. Ich griff in meine Hosentasche und holte mein ganzes Kleingeld heraus. Ich drückte ihm alles in die Hand, was ich fand. Ich habe nicht viel, aber ich teile trotzdem gerne mit Leuten, die es brauchen können. Denn ich weiß, wie es ist, gar nichts zu haben.
Er zählte nach und sah mich dann mit offen stehendem Mund an. „Wow, Ratte, guck mal. Über 3 Euro. Geil. Danke!“ Er grinste und zwinkerte mir zu. Sein Kumpel kam zu uns herüber, als er seinen Kumpel rufen hörte und sah mich überrascht an. „Cool. Danke schön. Dann gibt’s endlich was zu essen, Beso.“
Ich grübelte über den Namen Beso nach. Im Spanischen heißt Beso soviel wie Küßchen. Ich grinste. Meine Gedanken schweiften jedoch wieder zu ihrer Freude über meine Geldspende. Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich über „so wenig“ Geld freuen würden und sagte ihnen das auch.
Aber Beso, der „Klamottenpunk“, schüttelte den Kopf. „Hey, wenn wir jeden Tag soviel Geld bekommen würden wie von dir gerade, dann wären wir reich.“
Für die Punks ist es wohl auch so, dass sie sich über wenig Geld freuen – wie meine Wenigkeit. Wenn ich es habe, genieß ich es. Aber ich gebe auch gerne ab, aber das sagte ich ja schon. ;) *grins*
 
Ich lächelte, verabschiedete mich und war bereits im Gehen, als die Beiden sich nochmals bedankten auf ihre ganz persönliche Art und Weise. Sie liefen mir hinterher und stellten sich vor mich. Dann ließen sie sich auf die Knie fallen und küssten den Boden. Mir war das fast peinlich, aber ich musste auch lachen. Die Leute um uns rum haben nur die Köpfe geschüttelt, nur einige junge Leute lachten ebenfalls.
Ich machte artig einen Hofknicks und ging lachend weiter. Ich hörte die Beiden noch lachen, als ich bei den nächsten Geschäften ankam, und mir die Auslagen ansah.
Ich lungerte noch gut zwei Stunden in der Einkaufspassage herum, dann machte ich mich auf den Rückweg zum Bahnhof. Als ich an dem „Eingang“ zur Löhrstraße ankam, wo die Punks sich aufgehalten hatten, waren sie nicht mehr da. Auf dem Weg zum Bahnhof machte ich noch einen Abstecher in „meinen“ Obstladen, wo ich mir 3 Schalen Erdbeeren und 2 Schalen Ananas kaufte.
 
Ich ging weiter Richtung Bahnhof. Und wer stand ungefähr 100 m davon entfernt vor eine Apotheke und Bäckerei??? Die Punks!
Ich musste grinsen und als mich die Punks sahen, grinsten sie nicht weniger. Ich ging gleich zu ihnen hin und wühlte abermals in meinen Taschen. Beim Obstkauf war ja wieder Kleingeld angefallen. *grins* Ich drückte Beso zum zweiten Mal Geld in die Hände und bat ihn, nicht noch einmal einen Kniefall vor mir zu machen.
„Wie die holde Maid wünscht...“ orakelte er lachend, griff meine Hand und gab mir einen Kuss auf den Handrücken. Ich rollte mit den Augen und konnte nicht anders. Ich musste lachen. Die Jungs waren nach meinem Geschmack; durchgeknallt, offen, lustig und gut drauf.
Ich unterhielt mich noch ein wenig mit den Beiden, warum sie den Platz gewechselt hatten, weil ich der Meinung war, vor der Löhrstraße müssten sie doch mehr bekommen, aber Beso widersprach mir und meinte: „Wir verstehen selbst nicht, warum wir hier mehr bekommen.“
Ich gab die Vermutung kund, dass viele Leute von der Bahn kommen, ein Ticket gekauft hatten oder aus der Apotheke bzw der Bäckerei kamen und Restgeld über hatten, das sie abgaben.
Ich wollte dann schließlich gehen, weil ich auch müde war und war schon einige Meter weiter, als ich inne hielt und mich noch einmal umdrehte. Ich winkte den zweiten Punk namens Ratte zu mir. „Wollt ihr Obst?“ fragte ich ihn, der mich erstaunt ansah.
„Obst?“ echote mein Gegenüber verwundert.
„Ja, ich hab hier Erdbeeren und Ananas.“ erwiderte ich.
„Ey, Beso, wollen wir Obst haben?“ fragte er seinen Kumpel grinsend.
„Ähm... Klar... Ich meine, wenn du das ernst meinst...“ grübelte Beso unsicher. Er dachte wohl, ich wolle sie veräppeln. So sprachlos und platt „kannte“ ich Beso ja gar nicht. Schüchtern kam mir eher Ratte vor.
„Nein, ich meine das ernst. Wirklich. Wollt ihr?“ Ich nahm ein Päckchen Erdbeeren heraus und hielt es ihnen hin.
Ratte nahm es und lächelte. „Cool. Danke. Erst ohne Ende Geld und jetzt noch gesundes Futter. Geil.“ Er öffnete die Packung und warf seinem Kumpel eine Erdbeere zu, die der geschickt auffing und vorsichtig hinein biss. „Lecker Dingelchen.“ grinste er und verputzte das Obststück genüsslich.
„Wollt ihr noch eine? Oder Ananas?“ erkundigte ich mich.
„Noch mehr?“ kam es überrascht zurück. „Willst du denn gar nix?“
„Doch, aber ich hab dreimal Erdbeeren und zweimal Ananas. Also mehr als genug. Ich bin allein und ihr zu zweit.“ grinste ich.
„Cool. Gern.“ Beso kam zu uns herüber und schnappte sich die Erdbeerenschale, die ich ihm hinhielt. „Auch Ananas?“ fragte ich.
Beide nickten fröhlich und der zweite Punk nahm die Ananasschale an.
„Spart das Geld. Da könnt ihr später anständiges oder was zu trinken von kaufen. Eure Vitamine sind gesichert.“ lachte ich.
„Geil, McDonald´s wir kommen!!!“ rief Ratte aufgekratzt.
„McDonalds? Gesund? Was paßt jetzt nicht so wirklich?“ grinste ich und zog eine Augenbraue hoch.
„Die haben doch Salat, oder nicht?“ grinste Ratte zurück.
Ich lachte vergnügt. Um Antworten verlegen waren die wohl nie.
 
Sie bedankten sich noch mehrmals und ich lächelte. Ich wollte mich verabschieden, als Ratte mich aber mit einem „Halt!“ zurück hielt.
Was war denn nun? War das Obst schlecht?! Ich hörte ihn fluchen und drehte mich zu ihm um. Kurz danach hielt er mir eines seiner Armbänder entgegen. „Für dich. Als Danke schön für das viele Geld von dir und das ganze Obst hier.“ Er deutete auf die Obstschalen, die Beso in der Hand hielt.
Ich war sprachlos und sah ihn wohl etwas dümmlich an. Die beiden lachten. „Na los, nimm schon.“ drängte er mich freundlich und fordernd.
Ich nahm sein Geschenk dankend entgegen und wandte mich um zum Gehen. „Bis zum nächsten Mal.“ sagte ich und ging.
 
Ich bin mir sicher, ich werde die Beiden wieder sehen. Vielleicht sogar schon nächste Woche... Wer weiß? Ich freu mich auf das nächste Treffen.
 
 
Als ich so des Wegs zum Bahnhof ging, war ich irgendwie glücklich. Ein Gefühl durchströmte mich. Ich weiß nur nicht welches. Ich glaube, ich war endlich mal wieder – seid langer Zeit – zufrieden mit mir. Den ganzen lieben langen Tag konnte mir wirklich keiner mehr was. Mir gings einfach nur gut.
 
 
 
Ich will damit sagen:
Man kann mit so vielen Kleinigkeiten anderen Leuten eine große Freude machen. Ich habe mich über das Glasei, das Armband des Punks und die schönen Gespräche und freundlichen Worte gefreut, und die ältere Dame darüber, dass ich auf ihre Tasche aufgepasst und mit ihr etwas gesprochen habe und die Punks über mein Kleingeld und das Obst.
 
Wir sollten öfter mal darüber nachdenken und uns auf Kleinigkeiten besinnen... Wenn es mir mal nicht so gut geht, dann werde ich an diesen Tag gerne wieder zurück denken und mich an mein Gefühl erinnern, dass die kleinen guten Taten ausgelöst hat.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Ricky Sinclair).
Der Beitrag wurde von Ricky Sinclair auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.03.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Ricky Sinclair als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Buchwussels Märchenwelt von Celine Rosenkind



Buchwussels-Märchenwelt ist der Auftakt einer großen Märchenbuchreihe deren Erlös kranken Kindern wie momentan dem kleinen Stephan-Koenig aus Cottbus zukommen soll.
Der Junge braucht dringend eine Delfintherapie und ich hoffe, dass wir nette Menschen finden die dieses Projekt unterstützen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Zwischenmenschliches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Ricky Sinclair

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Jahrelanger Missbrauch und doch glücklich! von Ricky Sinclair (Autobiografisches)
... und ist vermutlich bewaffnet von Ingo A. Granderath (Zwischenmenschliches)
Pilgertour XII. von Rüdiger Nazar (Abenteuer)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen