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Eine afrikanische Hochzeit, Teil II

 

Montagmorgen, 5.00 Uhr. Es ist soweit. Der Wecker klingelt unbarmherzig nach einer viel zu kurzen Nacht mit wenig Schlaf. Raus aus den Federn, ab unter die Dusche. Gepäck vollzählig? Papiere? Wirklich nichts vergessen? Nervosität macht sich breit. Hmmm, fliegen.......... und dann noch mit Zwischenstop. Zweimal Start und Landung, hoffentlich bleiben die Flugzeuge in der Luft. Leichte Flugangst macht sich in der Magengrube breit. Soll ich tatsächlich in wenigen Stunden ein solches Ungetüm betreten? Ich??? Na, da muß ich wohl durch............ Wo bleibt unser Fahrer der uns zum Flughafen bringt? Kommt doch wohl nicht zu spät? Hoffentlich verpassen wir den Flieger nicht noch. Nervosität................... Alle Sachen gepackt, ins Auto und ab zum Flughafen.


Dort ist am frühen morgen noch nicht viel los, die Ruhe vor dem Sturm. Also in aller Ruhe einchecken und das erste Problem: keiner will die Grenzübertrittsbescheinigung meiner Liebsten haben, die eigentlich gegenüber der Ausländerbehörde als Beweis dient, das sie Deutschland verlassen hat. Auch beim Zwischenstopp in Amsterdam wollte sie dann keiner haben, aber wenigstens einen EU-Ausreisestempel hats gegeben. Also gut, schick ich das Dings halt per Post an die Ausländerbehörde wenn ich wieder zurück in Deutschland bin.


Der Flug ansich war sehr Ereignislos, sieht man einmal davon ab, das ich diverse male die geistige Vorstellung von einem Absturz hatte.


Nach etlichen Stunden war es dann endlich soweit. Afrika! Nigeria! Der Flughafen von Lagos. Wir haben unser Ziel erreicht. Nach kurzer telefonischer Rückversicherung steht auch unser Empfangskommitee, bestehend aus den Brüdern meiner Verlobten, bereit. Fast 3 Jahre hat man sich nicht mehr gesehen, die Vorfreude bei meiner zukünftigen Frau natürlich entsprechend groß.


Auschecken, Paßkontrolle und dann.................... der erste Eindruck von Nigeria: man, ist das hier aber alles chaotisch. Wofür bei uns gerade mal 1 Mitarbeiter benötigt wird, benötigen die hier für eine einfache Paßkontrolle mal locker bis zu 5 Mitarbeiter, und jeder erzählt einem was anderes, wo man sich anzustellen hat usw. Unglaublich! Und dann wechselt ein Teil der Mitarbeiter auch noch mitten in der Bearbeitung. Des Rätsels Lösung? Es handelt sich um Moslems, und die haben eben genau jetzt während der Arbeitszeit Gebetszeit. Na, dieser chaotische Ersteindruck wollte dann bis zu meiner Abreise, 14 Tage später, auch nicht mehr weichen.


Und dann der Schock. Verloren in Afrika, oder was?


Was war passiert?


Bei der Einreisekontrolle wurde meine Verlobte doch tatsächlich, weil sie keinen richtigen Paß hatte, sondern nur das TC, von der Polizei aussortiert und in ein Büro geführt. Na, und da stand ich nun. Alleine mitten im Flughafen, in Lagos/Nigeria und wußte überhaupt nicht was Sache ist. Wird sie vielleicht wieder direkt nach Deutschland zurückgeschickt? Oder doch nicht? Und ihre Brüder kenn ich auch nicht, und diese mich nicht. Also an wen wenden, hier in Afrika? Kenn ja noch nicht mal unser Hotel, weil die Brüder uns dies besorgt hatten und uns auch hinfahren wollten.


Irgendwann mußte ich dann auch mal die leere Ankunftshalle verlassen, und jetzt schlug das Chaos voll über mir zusammen. Ich setzte den ersten Fuß vor den Flughafen und wurde prompt von der schier unglaublichen Menschenmenge, die dort direkt auf mich einstürmte, fast überrollt. Jeder wollte irgendwie mich zu einem Hotel fahren, mein Gepäck tranportieren, mich in ein Taxi drängen und vieles mehr. Leichter Schweißausbruch meinerseits. Hilfe! Wo ist meine Frau? Wo deren Brüder? Security rechts und links „hier warten, nicht fortbewegen, gefährlich.........“


Bin ich also doch gestrandet und verloren in Afrika? Und diese unglaubliche Hitze, selbst am späten Abend. Ich schwitze jetzt noch mehr. Angstschweiß, Hitzeschweiß. Und immer noch kein Lebenszeichen von meiner Zukünftigen oder deren Brüdern. Wie sollte ich diese auch erkennen? Oder erreichen? Hatte natürlich klugerweise deren Telefonnummern in Deutschland gelassen. Super.............................. Und immer noch stürmen unentwegt irgendwelche Leute auf mich ein.


Dann der geniale Einfall: ich ruf meine Mutter in Deutschland an, damit diese zu mir nach Hause fährt und mir von dort die Telefonnummer eines der Brüder durchgibt. Also schnell Geld gewechselt und das erste mal die Erfahrung gemacht, das Nigeria ein überraschend teures Land ist. Denn das Telefonat nach Hause war teurer als wenn ich von Deutschland nach Nigeria angerufen hätte. War eigentlich der Meinung gewesen, das Land müßte relativ preiswert sein, war wohl, wie ich auch noch weiter sehen sollte, leider ein Irrtum. So, Mutter hatte jetzt auch noch den Angstschweiß auf der Stirn das Sohnemann „lost in Africa“ ist.


Ja, was ist das? Ich dreh mich um, und wer kommt da in genau diesem Moment? Genau, meine lang vermisste Liebste, im Schlepptau ihre Brüder. Hat zum Glück nur Bekanntschaft mit der weit verbreiteten Korruption gemacht. Mußte erst mal einige Euros bezahlen, damit sie einreisen konnte. Ääh, hatte ich schon erwähnt das Nigeria teuer ist?


Großes Hallo, Hände schütteln „nice to meet you“, abwischen meines Angstschweiß, Mutter beruhigt, doch nicht in Nigeria einsam und verlassen Verschollen. Glück gehabt!


Endlich konnte es also losgehen. Alle Koffer und sonstiges Gepäck in unser Privattaxi verfrachtet und ab auf den Highway. Und direkt wieder Bekanntschaft mit der Korruption gemacht. Diesmal in Form eines fleißigen Polizisten, der nicht weit vom Flughafen entfernt ganz schlau auf unbedarfte Touristen wartete. Denn die habens ja. Auto rechts rangewunken, einmal reingeschaut, der Blick blieb auf mir auffälligem Bleichgesicht hängen und er machte keine Anstalten uns weiterfahren zu lassen, bis, ja, bis ein kleines Stück bedrucktes Papier, auch Geld genannt, den Besitzer wechselte.


Nachdem ich ja nun erst wenige Minuten vorher kurz vor einem Herzinfarkt stand, stand auch schon direkt der nächste an. Nämlich aufgrund der Fahrweise. Echt nichts für zarte Gemüter, Verkehrsregeln hat man irgendwie vergessen den Nigerianern beizubringen, und fahren tut scheinbar alles an Fahrzeugen was sich noch irgendwie vom Fleck bewegen kann.


Also in halsbrecherischer Fahrweise meine ersten Eindrücke von dem Land aufgeschnappt. Mensch, wo kommen bloß all die Leute her? Geht ja auf den Straßen zu, wie in einem Bienenstock. Und das wohlgemerkt mitten in der stockdusteren Nacht. Strom, sagte man mir, sei typischerweise wieder mal ausgefallen (was während meines Aufenthaltes permanent vorkam), und alles huschte nur in flackernden Kerzenschein getaucht an mir vorbei. Kleine Geschäfte rechts und links, Straßenverkäufer mitten im Verkehrschaos, Fußgänger in Massen. Selbst Nachts war es einfach nur ein unübersichtliches Gewirr von Sinneseindrücken. Daran sollte sich während meines ganzen Aufenthaltes nichts ändern. Willkommen in Lagos!


Plötzlich bogen wir links ab, und ich dachte „Hmm, wo fahren wir denn jetzt hin? Zu irgendwelchen dunklen Hinterhöfen?“ Aber nein, zu unserem Hotel, welches inmitten einer Ansammlung von Bretterbuden und heruntergekommenen Häusern lag. Irgendwie so ganz anders als in Europa, wo Hotels meistens an der Straßenseite liegen, gut Beleuchtet sind, und in der Regel auch keinen runtergekommenen „Hinterhof-Charme“ verbreiten. Aber ich befinde mich ja in Afrika, besser gesagt in Lagos, Nigeria.


Also Hotel betreten, Sachen aufs Zimmer geschleppt und kurz darauf schon wieder geschleppt. Ins nächste Zimmer. Denn im ersten lief keine Klimaanlage (trotz Strom) und das war dann selbst meinen einheimischen Begleitern zu unbequem und heiß.


Dafür schloß beim zweiten Zimmer die Zimmertür nicht richtig, die Toilettenspülung funktionierte nicht und das Duschwasser gab es nur in der Version „kalt“. Der Allgemeinzustand des Zimmers war dann auch meinen Begleitern sichtlich peinlich. Immerhin funktionierte der große Deckenventilator und die Klimaanlage, wenn denn mal Strom vorhanden war. Und verhältnismäßig teuer wars. Für das Geld hätte man auch in Europa schon in einem guten Mittelklassehotel übernachten können, inkl. Frühstück, welches es hier nicht gab. Aber ich war in Afrika und hatte eigentlich gedacht, es wäre alles etwas günstiger als Zuhause. Sagte ich es schon: „Nigeria ist teuer!“?


Aber egal. Ich wollte nur noch schlafen nach diesem streßigen Anreisetag und da wo meine Liebste ist fühle ich mich sowieso wohl, egal wie die sonstigen Bedingungen sind!


Halbwegs ausgeruht also am nächsten Tag aufgewacht, um unsere Planung für unseren eigentlichen Anwesenheitsgrund zu beginnen: Hochzeit!


Aber erst einmal wieder Gepäck geschleppt. Ins nächste Zimmer.................... im nächsten Hotel. Denn die liebe Verwandtschaft war der Meinung, das das Hotel doch für mich als Europäer zu einfach wäre, insbesondere wegen der dauernden Stromausfälle und der damit verbunden Ausfälle der Klimaanlage und gewaltiger Hitzeattacken auf einen armen kältegewöhnten Deutschen, der gestern noch im deutschen Schnee gestanden hatte. Ich wollte aber gar nicht schon wieder umziehen, ich wollte nur meine Ruhe haben,mich etwas ausruhen und mit meiner Verlobten etwas Zeit verbringen, und, ich sagte es schon: wo sie ist, fühl ich mich wohl genug!


Aber nein, Verwandtschaft packte vehement die Koffer und fuhr uns eine kurze Strecke zu unserem neuen Domizil. Gerade erst eröffnet, niegelnagelneu, und vor allem: 24 Stunden Strom (so warb man jedenfalls) und nicht teurer als das andere. Meine Liebste steckte mir dann, das es ihren Brüdern peinlich gewesen sei, mich als Deutschen zuerst in das andere Hotel gebracht zu haben. Hatte mich aber gar nicht gestört. Aber, hab ich mich halt gefügt und bin mit ins neue Hotel gezogen. Und welche Überraschung: direkt schon wieder in ein anderes Zimmer, denn obwohl nagelneu, funktionierte im ersten uns zugewiesenen Zimmer die Toilettenspülung nicht.


Dann endlich.................. endlich hatten wir unser Zimmer für den restlichen Aufenthalt in Nigeria. Und ich brauchte jetzt erst mal Ruhe und Entspannung und natürlich etwas zweisame Zeit mit meiner zukünftigen Frau. Derweil die Brüder schon mal versuchten einen Standesamttermin für den nächsten Tag auszumachen.


Was normalerweise gar nicht so einfach ist, denn man hat durchaus bis zu 6 Wochen Vorlauf, bevor man einen Termin bekommt. Aber wir sind ja in Nigeria. Da läßt sich sowas schon regeln. Jedenfalls kamen die Herren mit einem Termin für den nächsten Tag in der Tasche zurück. Um 10.00 Uhr morgens sollte es dann losgehen. Boah, was waren wir in der Nacht nervös! Hochzeit! Ein großer Schritt in ein neues Leben! Klappt alles? Haben wir an alles gedacht? Was ändert sich für uns durch die Ehe? Wird der andere auch morgen wirklich „ja“ sagen? Wie läuft das ab? Was erwartet uns? Tausend Fragen in meinem Kopf!


Am nächsten Tag dann (ja ist es wirklich schon so weit?) der große Tag für uns. HOCHZEIT! Und ich war überrascht. Denn die Brüder hatten nicht nur den Standesamttermin von einem auf den anderen Tag organisiert, sondern auch ein richtig prachtvolles schickes weißes Brautkleid, einen Fotografen, einen Videografen, Gäste. Also richtig „großes Besteck“. Ich war echt von den Socken! Unglaublich. Da denkt man, man heiratet nur mal eben im Standesamt, und dann? Dann bekommt man eine richtige Traumhochzeit in Weiß geliefert. Sagenhaft!


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.03.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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