Norbert Friehe

Bald ist Ostern

© Norbert Friehe
 
 
 
 
 
 
 
Jedes Jahr hat seine Feiertage. Das Bekannteste, nämlich Weihnachten, ist das stressbeladenste Fest schlechthin. Pfingsten gestaltet sich etwas ruhiger und was bleibt, ist Ostern. Geburtstage lasse ich mal weg. Zu denen hat jeder seine eigene Ansicht. Ich versuche immer, mich in meinen Wünschen im Hinblick auf wahrhaft wilde Geschenkorgien so weit wie möglich zu bescheiden, weil ich dem Materialismus in seinen fragwürdigen Erscheinungsformen weitgehend abgeschworen habe. Hauptsache, es gibt vernünftig was zu essen, das Bier ist kalt und die Familie ist gesund. Ansonsten will ich nichts als meine Ruhe. Meine Frau ist bis auf einen kleinen Unterschied der gleichen Ansicht, die sie mit den denkwürdigen Worten ‚Es ist bald Ostern’ vermittelt.
 
Diese Bemerkung ist ihr Synonym für nichts Anderes als den Befehl: ‚Fahr los und hol mir Schokolade.’
 
 
 
Sie ist geradezu versessen auf Süßigkeiten, vorzugsweise in Form von Schokolade. Wir haben die Völlerei zur Jahreswende gerade überstanden und rollen eigentlich mehr, als dass wir gehen, da steht schon wieder Ostern vor der Tür. Mir ist das schon länger klar, weil ich kurz nach Sylvester die ersten Osterhasen samt der gleichnamigen Eier in den hinteren Winkeln der Supermarktregale entdeckt habe. Die Schokoeiermafia hat alle Vorbereitungen getroffen, um sich eine goldene Nase zu verdienen. Hasen in allen Größen und Farben warten nur darauf, von Müttern oder Ehemännern gekauft zu werden, damit die jeweiligen Familienmitglieder Ruhe geben.
 
Wir haben die letzten Weihnachtsschokomänner noch nicht verputzt, da lauert schon Meister Lampe samt Gefolge hinter der nächsten Regalecke. Angebot und Nachfrage haben rechtzeitig ihre nicht zu unterschätzende Eigendynamik entwickelt und präsentieren sich mit einer gewaltigen Überproduktion  österlicher Kalorienbomben Made in Germany. Ganz im Gegensatz zu meiner schokobesessenen, kleinen Frau halte ich gar nichts von dem ganzen ‚Zeug’, wie ich den ganzen Krempel sehr zu ihrem Verdruss bezeichne. Ich würde ohnehin von dem ganzen Naschwerk noch mehr zunehmen, als von der weihnachtlichen Fressorgie. Dabei lege ich schon an Gewicht zu, wenn ich fettgedrucktes lese. Darum steige ich Ostern lieber auf mein geliebtes Fahrrad und schaue mir die Jogger und Walker an, wenn sie versuchen, die angefutterten Pfunde wieder los zu werden.
 
Meiner Allerbesten sind derartige Probleme völlig fremd. Sie kann essen, was und vor allen Dingen so viel sie will. Ihr Gewicht verändert sich nicht. Ich hingegen stehe täglich stundenlang auf dem Stepper und quäle mich. Davon habe ich zwar kräftige Waden und Oberschenkel bekommen, aber mein Bauch scheint diese Maßnahme zu ignorieren und bleibt hartnäckig so, wie er ist. Damit habe ich mich abgefunden, nicht aber damit, dass ich derjenige bin, der den Schokoladenachschub sichern muss. Ich versuche mich damit herauszureden, dass sich kein Benzin mehr im Tank befindet oder ich mich hundeelend fühle. Es hilft alles nichts, nicht einmal der Einwand, dass Süßigkeiten kein Grundnahrungsmittel sind.
 
Sie will Osterhasen. Der Vorratsschrank ist noch gut gefüllt mit Spekulatius von Weihnachten und Superdickmanns Mohrenköpfen, Karamellbonbons, Lollipops und Marzipanbroten. Aber jetzt steht Ostern vor der Tür und ich machtlos dahinter. Meine Überlegungen im Hinblick auf die anstehenden Feiertage richten sich mehr auf feste, schmackhafte und obendrein möglichst gesunde Nahrung, nicht aber auf die Plünderung einer Konfiserie. Da ich ein gehorsamer Ehemann bin, werde ich trotzdem versuchen, mein Eheweib zufrieden zu stellen.
 
Ich finde mich mitten im Schokoladen-Supermarkt wieder und schiebe einen riesigen Einkaufswagen vor mir her. Bei mir hat sich wegen der kaloriengeschwängerten Sonderwünsche meiner besseren Hälfte so etwas wie eine Trotzreaktion eingestellt. Ihr Magen wird das Osterfest nur mit allergrößten Schwierigkeiten überstehen, soviel Süßes werde ich einkaufen. Das habe ich mir geschworen. Sie soll daran zwar nicht ersticken, aber wenigstens soll sie den Hals richtig voll kriegen. So voll, dass sie auf Jahre hinaus schon Verdauungsschwierigkeiten bekommt, wenn sie nur an Schokoladenfeiertage denkt. Alles, was in irgendeiner Form nach Hase oder Eiern aussieht, nimmt unabhängig von der Größe seinen Weg in meinen Wagen. Der Preis für die erstandene Ware übersteigt zwar unser monatliches Budget beängstigend, aber ich habe keine andere Wahl. Die Kassiererin lässt sich mit einem stechenden Seitenblick auf mein Brauereigeschwür zu dem Argument hinreißen, ob das auch für das Wochenende reicht, was hämisches Grinsen der übrigen Kundschaft zur Folge hat. Meine giftige Bemerkung, dass die enthaltene Menge Zucker das Gehirn auf Trab und die Haut straff hält, bringt die faltige Lady augenblicklich zum Schweigen. Eitelkeit hat ihren Preis.
 
Auf meinem Weg nach Hause fällt mir ein, dass wir überhaupt keine normalen, also Hühnereier, vorrätig haben und muss daher noch schnell zum Kaufmann an der Ecke unserer Wohnsiedlung. Nebenher decke ich mich noch mit einigen Farbstiften zum bemalen der Hühnerprodukte und mehreren Rumpsteaks für meine eigene Verköstigung ein. Schließlich will ich auch was von Ostern haben, weil ich keine Süßigkeiten mag. Mein Weg führt unmittelbar an der Kühltruhe vorbei und bleibt nicht ohne Folgen.
 
Auf meinen Schultern sitzen Engel rechts und Teufel links. Links sagt zu mir, dass ich die Zweieinhalbliterbox Vanilleeis mitnehmen soll. Rechts ist damit aber gar nicht einverstanden und erinnert mich peinlich daran, dass ich abnehmen will. Der kleine Teufel empfiehlt mir unverdrossen und der Worte des Engels ungeachtet, auch noch Eierlikör mit zu nehmen. Darauf hin lasse ich den Engel ohnmächtig werden und tue, was Teufelchen sagt. Kurz darauf verschwindet er lautlos und ich habe mein geliebtes Eis.
 
Nach ungefähr zwei Stunden empfängt mich mein verehrtes Frauchen an der Haustür und hilft mir beim Ausladen. Als sie die Unmengen an Schokoladentierchen und deren Gelege entdeckt, fällt sie beinahe hintenüber. Mein reichlich dummes Gesicht und die Frage nach dem Warum ergeben, dass sich meine Allerbeste den Magen verdorben hat, weil sie gestern abend noch die restlichen Negerküsse aufgefuttert hat. Also nichts mit Ostern und all den Hasen. Meine ganze Aktion war umsonst.
 
 
 
Ich habe das Beste aus der unglücklichen Situation gemacht und die ganzen Feiertage Rumpsteaks und Vanilleeis ohne Likör aber mit heißer Schokoladensauce aus geschmolzenen Osterhasen gegessen.
 
Abnehmen kann ich auch später.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.04.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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