Quäkend sprechen Lautsprecher zu der Welt, zu den Menschen,
mit rauhen Stimmen, wie heissergeschrien an zu vielen Tagen. Die Stimmen sind
papieren und ihr Gesicht, und sie singen Musik hinein in eine Welt ohne Gesang.
Die Menschen haben verlernt eigene Lieder zu singen und ihre
Töne sind zu schwach für den Lärm der Strassen. Doch die Lautsprecher, die
haben knarrende Stimmen; SIE singen jetzt und sie sind laut genug. Sie schreien
ihre Botschaft hinaus in das Getöse dieser Welt und werden ein Teil davon. Denn
es gibt viele Lautsprecher und in ihrer Stimmgewalt haben sie nur sich selbst
zu fürchten, nur sich selbst, nichts sonst. Und sie singen immer richtig, diese
Weltmünder, und nur wer ihnen genau zuhört, kann manchmal einen falschen Ton erhaschen
in jener verworren komponierten Symphonie.
Die Lautsprecher sind überall. Sie sitzen plärrend auf
Krankenwagen, Polizei- und Feuerwehrautos, sie sind die Stimmen der Radio- und
Fernsehapparate, sie schreien Musik hinein in das Lichterspiel der Diskotheken,
knarren auf Bahnhöfen, Flughäfen und in den Strassen; überall sind sie, die
Lautsprecher, überall. – Schwarzhohläugig starren sie vor sich hin in trägem
Stumpfsinn, und wissen immer etwas zu sagen und zu singen, ihnen gehen niemals
die Lieder aus, und die Worte, sie wissen immer etwas, das noch keiner weiss,
die Lautsprecher.
Sie beherrschen unsere Welt. – Sie erziehen unsere Kinder,
treiben mit uns Gymnastik, unterhalten uns, sagen, was wir zu sagen haben, oder
zu kaufen, wie viel wir essen dürfen, was wir in unserer Freizeit tun sollen,
geben uns die Lieder, die wir singen; sie sind die Herren der Welt.
Lautsprecher, in ihrer Stimmgewaltigkeit, in ihrer
Unbestechlichkeit und Kälte, mit ihrem unendlichen Wissen und ihrem
unerschöpflichen Ideenreichtum, mit all dem, was sie für uns tun, sie sind
einfach da, einfach vorhanden, sind interessant, unterhaltend, humorvoll und
einfach immer da, nur so.
Lautsprecher sprechen zu der Welt, mit fremden Stimmen, von
überall her und überall hin, aus schwarzen papierenen Gesichtern, schwarz, wie
die Nacht, die alles unter sich erstickt.
WEGE INS NICHTS
Ich möchte schlafen. Viele Tage haben mich müde gemacht, und
ich habe zu viel Nacht gesehen, und Nacht ist das, was bleibt, wenn nichts mehr
ist.
Warum muss es nur immer Winter sein? Ich mag die Kälte
nicht, die einen frieren macht, die die leeren Häuser füllt, die leeren Zimmer
und die leeren Hände.
Wohin führt der Weg, auf dem ich gehe? Ich habe Menschen
gesehen, und Menschen haben mich gesehen. Wohin führen all die Wege?
Und in den Gärten blühen Blumen ganz aus Eis. Sie sind wie
gefrorenes Licht, und wenn man sie greift, zersplittern sie zu feinen Nadeln
aus Kristall.
Ich möchte Hände haben, wie samt, sie zu halten, schön wie
sie sind, ohne dass sie leiden. Weshalb werft ihr mit Steinen nach den Blumen,
ihr ohne Zeit und ohne Ziel? Auch ihr geht ins NICHTS. Auch ihr braucht Blumen.
Und all die Kinder, die wie Sommerfalter sind, die ihr auf
Wege schickt, auf steinige Wege, ohne Ziel - warum?! Seht ihr nicht, dass sie
Flügel haben zu fliegen? Sie lieben die Sonne, und ihr schickt sie in den
kalten Winter, ohne Ende.
Wüsste ich den Fluch, der Welt zu fluchen, würde ich ihn
sprechen? - wozu? Ist denn nicht Fluch genug?
Oh, ich bin so müde. Wie gerne würde ich doch schlafen. Doch
der Weg führt vor mir bis zum Horizont; vielleicht ist er dort zu Ende. Aber
nach tausend Schritten wird er scheinbar tausend Schritte länger. Und ginge er
auch zu Ende, er bleibt dennoch ohne Ziel.
Ich bin schwach; kaum noch bin ich losgegangen und bin schon müde.
(Lautsprecher
und Wege ins Nichts sind genau 30 Jahre alt. Sie zählen daher zu meinen
Frühwerken. Zu meinen ersten literarischen "Gehversuche". Damals
beherrschte das "GRAU", die Nacht und der Tod mein Schaffen. Daher
nenne ich diese Zeit auch die "graue Periode". Die Brücke und Scherben
stammen ebenfalls aus dieser grauen Periode.)