Barbara Heerdt

Der Zauberlehrling

"Nun hat sich das Warten endlich gelohnt. Der Alte ist weg und ich kann meine Zauberkräfte testen!", dachte der Zauberlehrling Darius fröhlich. Doch er ahnte nicht, das er die Finger davon hätte lassen sollen...

Beschwöhrend sprach er die Zauberformel in die Richtung eines in der Ecke stehenden Besens:" Walle, walle manche Strecke, das zum Zwecke Wasser fließe und mit reichem vollen Schwalle zu dem Bade sich ergieße!" Der Besen zuckte und räckelte sich. In kurzer Zeit stand der alt Mopp, dem Arme gewachsen waren, mit zwei Eimern in den Händen aufrecht da. "Eile nun und gehe!", sprach der Lehrling vor Stoltz über sich selber strahlend weiter. Und tatsächlich, der Knecht lief zum Ufer des nahe gelegenen Flusses nieder. Vor einem Moment noch hatte er sich geräckelt, als ob er aus einem tiefen Schlaf erwacht wäre, was ja zutraf, und jetzt holte er fleißig Wasser. Darius' Augen weiteten sich und er ergötzte sich sich an seinem Erfolg. " Ha, wenn das der meister sehen könnte, der würde sich wundern, was ich schon alles kann! Er würde aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen!", lachte er selbstsicher. das Becken drohte schon überzulaufen, so voll war es in kurzer Zeit geworden. Und noch immer schleppte der Besen Eimer für Eimer vom Fluss herauf, doch das war für Darius noch kein Grund zur Unruhe. Während er sich über sein Können lauthals brüstete, lief das Bad über, das Wasser rinnte über den Beckenrand und stürzte wie ein Wasserfall auf den kalten, kahlen Steinboden des Raumes, aber der Mopp schuf weiter und ignorierte die kalten Massen, die nicht nur auf Darius einstürzten. Nun dachte sich der Lehrling, er sollte den Schaffenden endlich anhalten.

"Stehe!", befahl er würdevoll. Doch darauf zeigte der Mopp keine Reaktion. Während Darius überlegte und zum wiederholten Male "Stehe!" befahl, schuf der Besen munter weiter. Mit jedem Atemzug schwand die Selbstsicherheit, die er vor einem Augenblick noch empfunden hatte. "Das ist das Werk des Teufels, Bleib doch stehen du veruchter Besen!", schrie der Lehrling voller Entsetzen. Darius sah sich im Raum um, in der Hoffnung etwas zu finden, womit er dem Treiben des Besens ein Ende bereiten konnte. Sein Blick blieb an einer alten, großen Axt hängen.

Der Zauberlehrling musste auf jeden seiner Schritte aufpassen, dass er nicht ausrutschte. Schließlich war er an der Axt angelangt. Darius nahm das Werkzeug, als er merkte, wie schwer es war, hatte er wieder einen Funken Hoffnung in sich. Der Lehrling schleppte die Axt bis fast zum Fluss hinunter. " Gleich mache ich dir den Garaus, du wirst schon sehen, was passiert, wenn man nicht auf mich hört!", dacht Darius bösartig. Er hob das schwere Geräte hoch über seinen Kopf. Und da kam auch schon der Besen, wollte um den Lehrling herumgehen, weil dieser ihm im Weg versperrte. Plötzlich sauste das scharfe Beil hernieder. Ein lautes Krachen ertönte. Darius schaute sich erwartungsvoll nach dem Besen um, da! Dort lag das verfluchte Ding, die Eimer von sich geschleudert.

"Siehst du, das nächste Mal hörst du besser auf mich! Ach, ich Dummkopf du kannst ja nicht mehr auf mich hören!, schallendes Gelächter erfüllte die Halle.

Doch, da tat sich doch etwas! Der Mopp, hatte er sich bewegt? Oh weh, da standen beide Teile schon aufrecht! "Na dann eben noch einmal!", dachte sich der Zauberlehrling leicht verzweifelt. Wiederholt schlug er mit voller Wucht auf einen der beiden ein, In seiner Wut schlug er wieder und wieder auf die Arbeiter ein. Schließlich ließ er nach Luft ringend und schweißüberströmt von den Besen ab. Im nächsten Moment standen über zwei Duzend Knecht da. Die auch sogleich zu arbeiten anfingen. Alle liefen sie mit Eimern, die sich ebenfalls verdoppelt hatten, an dem ensetzten Lehrling, der den Tränen nahe war vorbei. Er rannte ihnen nun mit von Zornestränen verschleierten Augen hinterher und warf sich auf einen der vorderen, zerrte den Knecht mit sich nieder. Aber die anderen schufen unaufhörlich weiter. Darius lag direkt vor dem Becken, Wassermassen stürzten auf ihn ein. Voller Verzweiflung schrie er und dachte, wann das Treiben endlich ein Ende hätte. Er rang nach Luft, doch seine Lunge füllte sich nur mit Wasser. Jede Luftblase enthielt dieses kalte Nass. Dem Erstickungstod ausgeliefert fiel der Zauberlehrling in Ohnmacht und wachte nie mehr daraus auf.

Als der Meister in das überflutete Haus eintrat und die Bescherung sah, schaltete er zuerst die Besen aus. Nun sah er auch die blau angelaufene Leiche des Jungen, dann lachte er:" Dummer Junge, alle denken sie, das sie zaubern können! Das war schon der dritte in meiner Laufbahn." Plötzlich klopfte es an der Tür und ein schmächtiger Knabe trat ein...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.06.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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