Es ist meine Idee gewesen, früh ins Bett zu gehen. Ich wollte, dass Peter bis Mitternacht eingeschlafen ist. Ich habe heute Abend für ihn gekocht und für das Essen Wein besorgt. Mit den Worten: „Siehst du, was ich alles für dich tue!“ habe ich ihm die Medallions in Pfeffersauce serviert. Das waren immer seine Worte, wenn er etwas für mich tat. Er hat nicht reagiert.
Ich nehme meine Armbanduhr vom Nachttisch. Es ist viertel vor zwölf. Ich halte es im Bett nicht mehr aus. Ich rolle mich auf die Seite, bis ich nah an den Bettrand komme und ertaste mit meinen Füßen den Boden. Ich richte mich langsam auf. Ich kann Peter in der Bettwäsche nur erahnen. Mit einer Hand lege ich meine Bettdecke zurecht, so dass sie parallel zum Kopfkissen liegt. Ich gehe zur Tür und schließe sie leise hinter mir.
Ich gehe ins Badezimmer. Meine Kleidung liegt noch auf dem Badewannenrand. Ich ziehe das Schlafanzugoberteil über den Kopf. Im Vorbeigleiten des Stoffs habe ich einen Moment lang das Gefühl, als könnte man an dem sauberen Geruch ersticken. Ich nehme meinen Pullover. Er duftet nach mir. Auch die Hose und mein Haar. Meine Haut. Im Spiegel versuche ich mir vorzustellen, wie er mich sehen könnte. Mein Herz klopft. Wie er mich sieht. Und das wird gleich sein.
Ich laufe zur nächsten Straßenbahn. Sie fährt in einer Minute. Ich muss nur zwei Stationen weiter. Wir treffen uns vor dem Kino. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass wir uns nicht durch Zufall begegnen werden. Die Bahn fährt ein. Das Einsteigen, die Karte einlösen und das Hinsetzen passieren in einem bewegten Stillstand.
Er hat mich gestern angerufen, als ich mit Peter beim Abendessen saß. Bei unserem letzten Treffen hatte ich ihm meine Telefonnummer gegeben. Peter hatte den Anruf entgegengenommen. „Für Dich“, sagte er nur und reichte mir den Hörer. Dann setzte er sich wieder an den Tisch.
Ich bin mit dem Telefon ins Wohnzimmer gegangen. Seine sanfte Stimme kam aus dem Hörer. Es hat mir leid getan, dass ich den Tonfall annahm, als hätte ich einen Kollegen am Telefon. Peter fragte nie, mit wem ich telefonierte und es hätte nichts geändert, wenn ich mich nicht bemüht hätte. Diesmal hätte ich mir gewünscht, er würde mich fragen. Als ich in die Küche zurückkam, beschäftigte er sich mit seinem Essen.
Die Straßenbahn ruckelt ein wenig und eine Stimme kündigt an: „Der nächste Halt: Apollo-Kino.“
Wie auf Kommando zittere ich leicht. Er steht an der Haltestelle. Die Tür der Bahn öffnet sich. Wir gehen gleichzeitig aufeinander zu. Er legt seine Arme um mich. Unsere Lippen streifen sanft aneinander vorbei, als er seine Wange an meine legt. Seine Hand streicht von meiner Hüfte hinauf in meinen Nacken. Sie führt meinen Hals. Meine Lippen gleiten über die Haut seiner Wangen und legen sich auf seinen Mund. Meine Hand sucht seine. Unsere Finger gleiten ineinander. Jeder ein anderer Weg, aber dasselbe Ziel. Ich öffne meine Augen. Seine sind geschlossen, aber als spüren sie meinen Blick, öffnet er seine Lider. Ein Schauer wie aus heißen Sandkörnern durchrieselt meinen Körper von den Lippen bis zur Mitte meiner Hüfte. Ich bin nackt, auch wenn seine Hand die Wärme meiner Haut nur durch den Stoff der Kleidung erahnen kann. Er ist in mir, auch wenn sich nur die Gedanken in unseren Augen berühren.
Sonntagmorgen. Peter sitzt auf der Bettkante meiner Seite. Er hat sich schon rasiert, ist aber noch im Schlafanzug. Ich tue, als hätte ich fest geschlafen und wäre durch seine Anwesenheit aufgewacht. Er hebt seine Hand und hält mir die Fahrkarte vor die Augen.
„Warum ist diese Karte mit diesem Datum nach Mitternacht abgestempelt worden?“ Ich schaue auf den Teppich. Peter muss meine Hose auf den Stuhl gelegt haben.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.04.2006.
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