Klaus-D. Heid

Saustarke Idee...

Mein Name ist Erna – und ich bin eine Sau.

Ich will gar nicht erst damit anfangen, meine wahre Identität zu verleugnen, da wir Schweine nun mal nicht wie Katzen oder Feldmäuse aussehen. Insofern macht es keinen Sinn, Ihnen einen Bären aufzubinden. Spätestens, wenn Sie mir von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen, werden Sie wissen, dass ich ein Borstenvieh bin, einen Kringelschwanz habe und gewichtstechnisch auch nicht gerade zu den Leichtgewichten zähle. Was soll’s also? Ich stehe dazu, eine Sau zu sein. Es gibt keinerlei Gründe für mich, mich meiner Spezies zu schämen! Wie Schweine sogar stolz darauf sein, immer dann des Menschen bester Freund zu sein, wenn es um die Auswahl des täglichen Speiseplans geht. Kaum ein Gourmet-Koch kommt an uns vorbei. Es gibt wohl keine Familie, in der nicht schon mal ein bisschen Schwein auf dem Teller gelegen hat. Mit jeder Bratwurst erfreuen wir Kinderherzen und sorgen für gute Laune auf Grill-Partys.

Sie wussten noch gar nicht, dass wir Schweine Namen haben?

Nehmen Sie’s nicht so schwer, Mensch! Das, was Sie von uns verzehren, ist in den meisten Fällen tot. Es gibt also keinerlei Gründe, darüber nachzudenken, ob Ihr Filetsteak nun männlich oder weiblich ist. Nehmen Sie’s einfach, wie’s ist. Wir Schweine kommen bereits seit Schweinegedenken damit klar, dass der Mensch uns frisst. Ehrlich. Kein Problem! Genießen Sie uns. Unser Schicksal ist es nun mal, nicht lesen und schreiben zu können. Uns hat der Schöpfer leider verwehrt, Gymnasien zu besuchen. Es belastet uns auch nicht, dass wir keinen Führerschein machen können. Es sähe doch auch saublöd aus, wenn sich ein Schwein mit aller Gewalt hinter ein Lenkrad zwängen würde, oder?

Doch bei allem Verständnis für unsere untergeordnete Rolle neben dem Menschen, möchte in an dieser Stelle eine Sorge loswerden, die mich schon seit langem beschäftigt. Nicht, dass ich klagen will oder mich über meinen Status als Sau erheben will, der auch mich eines schönen Tages als Frikadelle enden lassen wird. Das ist es nicht, was mir Sorge bereitet. Was mich jedoch in der tiefsten Tiefe meiner Schweineseele trifft und mir so manchen Nachtschlaf raubt, ist die Frage:

Warum nutzt man uns Schweine beispielsweise als ‚Glücksschweine’ – während man uns nicht die Chance gibt, selbst unser Glück beim Lotto zu versuchen?

Ist es denn so abwegig, dass auch Schweine Lotto spielen wollen? Wieso jubelt ein menschlicher Lottogewinner lauthals ‚Schwein gehabt...!’, wenn wir Schweine nichts mit Lotto am Hut haben dürfen? Wäre es nicht ein winziger gerechter Schritt des Menschen auf uns Schweine zu, wenn man uns schweinegerechte Lottoscheine zur Verfügung stellen würde, mit denen einige von uns ihr Schicksal kurz vorm Kochtopf in ein Leben in Saus und Braus umwandeln könnten? Ich könnte mir beispielsweise sehr gut vorstellen, dass einige meiner Artgenossen auch mal Bock hätten, sich die Fettschwarten in Saudi-Arabien von der Sonne bräunen zu lassen, statt vom Holzkohlegrill im Schrebergarten bei Bottrop.

Logisch, dass nur sehr wenige von uns gewinnen dürften. Aus menschlicher sicht wäre es ja kaum auszudenken, was geschähe, wenn plötzlich wir Schweine Aktienmehrheiten hätten oder laut grunzend Mallorca übervölkern würden. Wir sind ja nicht so blöde, wie man es uns leider immer wieder unterstellt. Nur, weil wir uns ganz gerne im Schlamm wälzen, sind wir noch lange nicht intellektuell verdreckt! Und ist bewusst, dass 99,999 Prozent aller Schweine auch dann noch durch den Wolf gedreht werden, wenn ab und an ein Schwein 6 Richtige hat.

Als Vorsitzende des schweinischen Komitees selbstbewusster Schlachtviecher kann ich nur an die Menschen appellieren, uns Schweinen auch mal eine Chance zu geben. Im Gegenzug würden wir Schweine nämlich liebend gerne alles in unserer Macht stehende tun, um noch schmackhafter und noch zarter zu werden. Für das Glück einiger unter uns gäbe es kaum etwas, das wir Borstenviecher nicht tun würden. Wenn’s nach uns ginge, würden wir uns sogar selbst schlachten oder uns selbst an die Fleischerhaken hängen, um den ehrenwerten Fleischern das harte Los der Arbeit zu erleichtern.

Nun geht’s mir besser, nachdem ich endlich meine Wünsche in aller Öffentlichkeit kundgetan habe. Wenn ich bereits morgen als Schweinehälften in einem Tiefkühllaster hänge, habe ich zumindest zuvor meine Pflicht getan. Ist ein saustarkes Gefühl, wenn man mal so richtig die Sau raus lässt, ohne gleich an die Konsequenzen denken zu müssen!

In diesem Sinne grüßt Euch herzlichst

Eure Erna.


P.S.: Sollte ich zu den ersten Gewinnern eines Schweinelottos gehören, wäre mir schon geholfen, wenn ich ein paar ruhige Tage in Schweinfurth verbringen dürfte. Ob sich das wohl einrichten ließe...?

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus-D. Heid).
Der Beitrag wurde von Klaus-D. Heid auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.06.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Klaus-D. Heid als Lieblingsautor markieren

Buch von Klaus-D. Heid:

cover

Sex für Aktionäre von Klaus-D. Heid



Na? Wie stehen die Aktien? Sind Aktionäre die besseren Liebhaber? Wie leben Aktionäre mit der Furcht vorm Crash im Bett? Diese und andere Fragen beantworten Klaus-D. Heid und der Cartoonist Karsten Schley.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Satire" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Klaus-D. Heid

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Tempo... von Klaus-D. Heid (Alltag)
An den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika von Klaus-D. Heid (Satire)
Tod eines Lehrers von Rainer Tiemann (Schule)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen