Annie Krug
mundtot gemacht
Es war vor über zwanzig Jahren, (als man noch ein bißchen weniger aufgeschlossen war).
Mittagspause: Zwischen meinen beiden Kolleginnen Ursula S. und Monika H. hatte ich in der Werkskantine an unserem „Lieblingstisch“ Platz genommen.
Unterschiedlicher als unser Trio konnten Frauen eigentlich gar nicht sein...
Uschi, eine liebenswert gutmütige Österreicherin, war von einer schrillen Lebhaftigkeit, die gelegentlich leicht ins Hysterische umschlagen konnte. Ihr Kichern durchdrang Wände; wenn man die Uschi nicht sah, dann hörte man sie! - Obwohl sie weißgott kein Typ zum Übersehen war. Sie hätte mühelos neben Claudia Schiffer bestehen können. Endlose, wohlgeformte Beine – einladender Schmollmund, Topfigur und hüftlange weizenblonde Haare.
Die Farbe war zwar vom Friseur, aber dafür verfügte die Gute über das volle Intelligenzpotential einer echten Blondine. Besser gesagt – ihre Attraktivität kam weit besser zur Geltung, wenn sie ihren hübschen Mund hielt.
Moni, mir zur Rechten, fuhr da eine ganz andere Klasse – hochintelligent, ruhig und sehr reserviert. Als Frau eines Abteilungsleiters legte sie nicht nur größten Wert auf tadellose Umgangsformen, sondern sie wußte ihre atemberaubende Figur auch stets stilsicher und vor allem teuer zu kleiden. Mit ihrer beachtlichen Oberweite, ihrem aufreizendem Hüftschwung und der rabenschwarzen Lockenmähne zog sie wie magisch alle Männerblicke auf sich.
Ich, als dritte im Bunde wirkte dagegen wie das reinste Kontrastprogramm.
Klein, dünne Haare, unscheinbare Erscheinung, nix in der Bluse - dafür pummelige Hüften. Das einzig Sehenswerte an mir war wohl mein durch und durch unbekümmertes Outfit, denn ich trampelte immer schon vollkommen unbelastet von jeglichem modischen Geschmack durchs Leben.
Aber trotz unserer grundverschiedenen Charaktere verstanden wir drei uns bestens. – Normalerweise! Bloß an diesem Tag gestaltete es sich etwas schwierig, unseren üblichen Gleichklang aufrecht zu erhalten. Schuld daran war das Essen.
Dabei war das GWE erst kurz zuvor sogar für seine hervorragende Kantinenkost ausgezeichnet worden. „Beste Werkskantine Nordbayerns!“
Aber diesmal mußte unser Koch sich doch recht arg in seiner Rezeptsammlung „verblättert“ haben...
„Champignonomelette“ stand auf der Speisekarte und wir hatten alle begeistert zugegriffen.
Das „Innenleben“ der Pfannkuchen erwies sich allerdings zu unserer Überraschung als „vereinzelte Pilzstückchen in einer reichlich bemessenen kleisterähnlichen Masse“. Ringsumher unmutiges Gemurmel. Bestürzt stocherte ich mir die paar Champignonpartikel heraus, schabte mit dem Messer die verlockende Soße vom Eierkuchen weg an den Tellerrand und verzehrte das Wenige, was mir eßbar erschien.
Nur Moni – Distinguiertheit in Person - widmete sich angelegentlich ihrer Mahlzeit, würgte den Fraß mit Todesverachtung hinunter, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Aber Uschi, die temperamentvolle Grazerin, dachte gar nicht daran, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. „Noo Servus!“ trompetete sie in schönstem Schmäh los „Der Koch traut si wos, hearst - uns so an Pamp auff´n Tölla zu leg´n – dös schaugt jo aus wie Speeerma!!! - Jo, b´stöllt der jetzt seine Lieferungen bei der Samenbank?“
Peinlichst berührt zuckte „Monika“ zusammen. Aus dem Hintergrund wurde unterdrücktes Gelächter laut. „Frau S...!“ zischte Moni, „ich bitte Sie, seien Sie doch still - die Leute schauen ja schon alle!“
Doch unser Blondchen war nicht mehr zu bremsen, sie nahm es übel, zur Ruhe gemahnt zu werden wie ein Schulmädchen - jetzt drehte sie erst recht auf. „Ha! Die Wahrheit wird man ja noch sagen dürfen! Und dees Zeug do schaugt doch wirklich aus wie Sperma!
„Annschi!“ sie wandte sich nun hilfesuchend an mich und ihre aufgebrachte Stimme erfüllte den ganzen Speiseraum, „Annschili, nun sag doch auch mal was dazu – hab ich vielleicht nicht recht – schaugt´s nun aus wie Sperma oder nicht?!“
„Hm! – nn´jaaa!...schon....“ Ich betrachtete nachdenklich meinen Teller. „ ...Schmeckt aber anders!“
Schnapp, klappte der aufgerissene Mund meines Gegenübers zu – dafür glubschten ihre hellblauen Augen besorgniserregend aus den Höhlen.
Und die Uschi sagte kein Wort mehr! Auch an den Tischen um uns herum war außergewöhnliche Stille eingekehrt.
„Lady Monika!“ blickte so hoheitsvoll wie noch nie zuvor.
Aber kaum waren wir aus der Tür, packte sie mich an den Schultern und schüttelte mich ganz undamenhaft, keuchend vor Lachen. Na, Die hast du vielleicht zum Schweigen gebracht ...!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.05.2006.
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