Helmut Hafner

Bleibt die Flimmerkiste aus

Dass wir ein Volk der Glotzer und Bildschirmfreaks sind, ist hinlänglich bekannt. Es gibt mittlerweile wohl kaum mehr einen Haushalt, in dem nicht in irgendeiner Ecke so ein Gerät flimmert, sei es in schwarzweiß oder, und das dürfte die Mehrzahl sein, in Farbe mit Stereoton, Fernbedienung und was es da sonst noch an Extras auf dem Markt gibt. Das Fernsehprogramm bestimmt unseren Alltag, den Stundenplan, die Familienfeste oder die –kräche. Wer lässt z.B. schon eine Tennisübertragung mit B.B. oder eine Sportschau aus? Die Folgen wären nicht abzusehen! Und doch soll es schon vorgekommen sein, dass es eine bundesdeutsche Familie fertig gebracht hat, fast einen ganzen Abend lang ohne die Unterhaltung via Bildschirm auszukommen.
 
 
 
Unser Farbfernseher hatte schon seine neun Jahre auf dem Buckel, die Blautöne waren daher schon entsprechend matt und auch die Fernbedienung, ein vorsintflutliches Gerät mit überdimensionalen Druckknöpfen, war nicht mehr die frischeste. Es sollte daher nicht überraschen, wenn die Mattscheibe eines schönen Tages dunkel bleibt. Und dennoch ist man als routinierter und begeisterter TV-Konsument völlig unvorbereitet, wenn einen die Technik im Stich lässt. So erging es auch meiner Gattin und mir.
 
Es war Dienstagabend und, der Fernsehprofi weiß das selbstverständlich, „Dallas“ war angesagt. Ich betätigte das kleine Kästchen, aber es tat sich nichts. Die Flimmerkiste blieb dunkel; keine leiser Summton, der ankündigte, dass das Bild gleich kommen musste. Meine Frau zeigte postwendend erste Anzeichen von Nervosität, sollte doch an diesem Tag der Revolverschütze überführt werden, der es gewagt hat, auf den engelsgleichen Bobby zu schießen!
 
„Vielleicht ist die Fernbedienung kaputt!“ meinte mein Eheweib angesichts der vergeblich Tastendrückerei; ein naheliegender Gedanke.
 
Ich rappelte mich auf und ging zum Fernsehgerät, um es dort noch mal zu versuchen, aber auch hier hatte ich kein Glück. Ungewohnte Stille machte sich im Wohnzimmer breit, ein Umstand, der vielen sicher ganz angenehm wäre, uns aber eher noch mehr verunsicherte. Was konnte man tun? Schließlich bin ich kein Fernsehtechniker, wie ich überhaupt handwerklich noch nie sehr geschickt war. Eine Reifenpanne beispielsweise würde mich vor schier unlösbare Probleme stellen.
 
Die Nervosität meiner Gattin verstärkte sich, die kleinen kreisrunden Flecken im Gesicht waren ein deutliches Indiz hierfür.
 
„Dass du in handwerklichen Dangen aber auch so ungeschickt sein musst!“ schleuderte sie mir entgegen. Eine Bemerkung, die ebenso zutreffend wie überflüssig war. Dadurch würde der verdammte Mistkasten, Verzeihung, auch nicht wieder funktionieren.
 
Die Glasschale mit den Erdnüssen auf dem Couchtisch war noch unberührt. Eine Tatsache, die vielleicht auf ernährungsbewusstes Leben schließen ließ oder, und das war viel wahrscheinlicher, auf eine technische Katastrophe.
 
„Wir hätten unser altes Schwarzweißgerät im vorigen Jahr nicht auf den Sperrmüll werfen sollen. Nach dazu, wo es voll funktionsfähig war. Aber du hast es ja mal wieder besser gewusst, wie immer!“ In solchen Augenblicken durchfährt mich immer ein wohliges Gefühl. Es ist doch gut zu wissen, dass man i kritischen Situationen nicht alleine ist und der Partner mit Verständnis und guten Ratschlägen zur Seite steht. Wie recht meine Gattin doch hatte, nur habe ich leider nicht auf sie gehört.
 
Es war genau 21.30 Uhr und in fünfzehn Minuten, der interessierte Zuschauer weiß es ohnehin, sollte „Dallas“ beginnen. Nicht auszudenken, welch katastrophale Folgen unsere defekte Röhre auf die Einschaltquoten haben könnte!
 
Ich stand immer noch mehr oder weniger ratlos vor dem Kasten, der augenscheinlich eine Ehekrise allererster Ordnung heraufbeschwor. Dabei harmonierten wir in den letzten Jahren immer so hervorragend. Nichts, so schien es, könnte unsere Partnerschaft aus dem Gleichgewicht bringen. Wenn ich die „Sportschau“ verfolgte, hatte meine Gattin in der Küche zu tun, bei „Wetten, dass ...“ wiederum war sie nicht von der Glotze wegzubekommen, und ich ging ins Gasthaus. Kurz, eine perfekt abgestimmte Ehe, in der jeder auf den anderen Rücksicht nahm. Sollte das alles durch ein Fernsehgerät zerstört werden?
 
In meiner Verzweiflung betätigte ich noch ein letztes Mal die Fernbedienung. Träumte ich etwa? Ein vertrautes Rauschen und Summen drang an meine Ohren. Der Fernsehabend und unsere Ehe waren gerettet!
 
 
 
 
 
 
 

Die Story ist mittlerweile zwanzig Jahre alt, aber sie hat von ihrer Aktualität nichts verloren. Vielleicht verbringen die Menschen im Gegensatz zu früher sogar noch mehr Zeit vor dem Fernseher.Helmut Hafner, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.05.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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