Cathrine Tuschar
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Wieder in dem Zimmer, das so verschieden auf mich wirkt.
Hier ereigneten sich große Unglücke und hier wird sich großes Glück
abspielen - die Bühne bleibt ja doch immer die selbe und altert nicht,
nur die Schausteller werden gewechselt.
Die Bühne ist einfach; die Bühne stellt keine Anforderungen; die Bühne
will nichts hören von Verzweiflung und Hoffnung [ist es schon ein
Reflex, dass ich im Wortpaar immer das negative vorausstelle?]; die
Bühne hat nur einen Willen - ihre Kulisse in Bewegung zu halten. Die
Bühne baut keine Bindungen zu den Spielern auf, greift keine
Unterschiede heraus, schenkts nichts niemandem, kennt kein Mitleid und
kein Unrecht, kein Richten.
Die Bühne öffnet nur die Türen zum nächsten Akt, zum immer nächsten und übernächsten und letztnächsten Akt.
Und ein Akt, ein Schicksals-akt, hat sich vor einer Woche auf ebendieser Bühne, in ebendiesem Zimmer ereignet.
Hier, hinter dieserselben Kulisse, auf diesemselbem Parkett, bei
diesemselben Licht und bei diesemselben Feuerschein, unter diesemselben
Rauch, im Klang dieserselben Musik, mit diesen gleichen Aktoren.
Ich sah die Frau mit den Locken auf dem Kaminvorsatz sitzen, auf
diesenselben kalten Steinen - wo sie doch immer zu erwähnen und
ermahnen pflegte, sich nicht auf Steine zu setzen, man werde krank
davon. Auf diesenselben Steinen also, vor diesemselben
schwarzhechelndem Ofen, saß sie, und schlingt die Hände um die Knie,
als würd' sie sich am alten Leben festhalten wollen, und sie schaukelt
vor und zurück in ebendiesem Takt, mit dem die Finger ihr Gesicht, das
sie nicht einmal während des Redens zu heben sich getraut, im Schreiben
befühlen.
Die Frau mit den blonden Haaren, eine blonde Frau, sitzt neben ihr auf
dem mächtig erscheinenden Lehnsessel - wirkt königlich winzig und
verloren auf diesem Dunkelthron. Seit Empfang des Drehbuchs muss sie
unzählige Zigaretten inhaliert , vielleicht es nicht wahrnehmend und
bemerkend, haben - der Aschenfänger fleht jedoch förmlich um
Entleerung. Der blonden Frau Blick schiebt sich dennoch vorbei an ihm,
hinaus, weit, in eine andere Welt - so saftig grün, ins Blumenmeer aus
Lichtern, das dem Schattenspinnennetz trotzt.
Der Rauch schliert in des Raumes Mitte sichtbar durch das gedämpfte
Licht, mit dem es auch nicht heller ist, als tobte die schon
eingekehrte Dunkelheit in vollem Maße.
Ich verfing mich in ebendiesen Kreisen und tanze.
Gelehnt an diese Brust, deren Herz ich nicht mehr glauben kann, für
mich zu schlagen. Eine Brust, die ein Herz geboren, das sich Tag für
Tag und Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr in einen
Berg von Lügen gegraben hat, wie von frisch Geschissenem, das ich,
hätte ich nur den Mut besessen - lag es wirklich daran, oder auch am
Interesse? -- nein, ich hatte definitiv Angst und vermeinte durch
Verdrängung und Verschweigung retten zu können, was überlebt hatte --
-, leicht entsorgen hätte können, geruch- und erinnerungsfrei, dampft
mir jedes Tröpfchen des Wassers entgegen, durch trügerische Zunge
gepredigt, zu Wein verwandelt. Sie kondensieren an meiner erstarrten
Wangenhaut zu Tränen, deren Fluss ich nicht stoppen konnte und die,
anders als sonst, so leer schmecken - Salz wird doch eine
Wund-desinfizierende und Heil-beschleunigende Wirklich zugesagt; aber
das blieb hier wohl aus, und die Tränen leer, wie meine Gedanken zu
diesem Zeitpunkt [wann ist dieser Zeitpunkt nicht?].
Ich frage die Frau mit den blonden Haaren, die blonde Frau, ob wir ,
nachdem ich es anfangs meinem entzündeten Hals zuliebe abgelehnt hatte,
nun doch einen Whisky tränken. Sie bejaht es frei heraus (woraus?), als
habe sie nur darauf gewartet, steht auf, um die teure Flasche aus dem
oberen Stock zu holen.
Wartend auf ihre Rückkehr biss ich ein Stück von der schleppenden Ewigkeit ab.
Endlich angekommen stellt sie die Flasche auf den Tisch, setzt sich,
-hätte sie beim Einschenken gezittert, wäre da nicht ein Tropfen auf
der schwarzen Tischfläche gewesen? Ich erhebe mich (ich stehe auf),
wackeligen Knies (eins oder zwei, sie-ich spielen-spiele keine Rolle),
und gieße das Bronze-Gold in die Gläser - in ihres zu viel, dennoch
greift sich danach, wir stoßen an (auf was?), ich verziehe den Mund und
versuche gute Miene zu diesem bösen Spiel zu machen (worüber?),
vielleicht habe ich aber auch nur eine Träne mit der Zunge aufgesammelt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.05.2006.
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