Clara wollte leben. Sie wollte doch
einfach nur leben. Einmal für ´ne Zeit lang nur glücklich sein. Nicht einmal so
viel musste es gleich sein. Es würde ihr auch schon reichen einfach ´mal keine
Probleme zu haben. Warum ging das nicht? War es so schwer so zu leben, dass es
einmal keine Probleme gab? Konnte es nicht einmal möglich sein, sich keine
Sorgen- und keine Gedanken machen zu müssen? Bestand das Leben etwa darin immer
wieder neue Probleme zu lösen? War das der Sinn? Immer wieder aufs neue
Konflikte zu lösen, Zerbrochenes aufzuheben und vielleicht versuchen es wieder
zu kleben? Doch auch beim Kleben werden immer Risse bleiben, die leicht wieder
reißen können, wenn sie nicht richtig gerichtet wurden. Sollte man Zerbrochenes
einfach ganz wegwerfen ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden? Es
einfach verwerfen um es so nicht jedes mal wieder in seiner so schlecht
gekitteten, brüchigen Gestalt sehen zu müssen? Oder sollte man nicht alles
einfach weggeben, sondern zumindest die schönsten Scherben aufheben? Sie sammeln
und sie immer wieder ansehen müssen? Damit immer an das einst Ganze erinnert
werden, das in viele kleine Stücke zerbrochen ist und von dem man sich nur
diese eine Scherbe von so vielen verschieden schönen bewahren konnte. Eine
Scherbe an der man sich leicht verletzten kann. Mit der man sich weh tut, wenn
man unachtsam damit umgeht und sich schneidet. So könnte man von jedem Ganzen,
das zerbricht das schönste Stück aufheben. Sie sammeln. Und vielleicht ergeben
alle diese einzelnen Scherben irgenwann zusammen ein wunderschönes Bild. . .?
So dachte sie. Bis jetzt hatte sie immer versucht Zerbrochenes wieder
zusammenzufügen. Clara hatte versucht die Risse so gut es ging zu kitten. Doch
manchmal riss einer nach dem anderen wieder auf und es wurde oft so schwer, das
Reparierte nicht wieder ganz zusammenstürzen zu lassen. Immer wenn es in ihrem
Leben endlich mal so lief, dass sie das Gefühl hatte, es wäre wirklich einmal
wieder alles in Ordnung, riss wieder ein
alter Riss auf oder es kam noch ein weiterer ganz frischer hinzu, der sich tief
durch das ganze Werk erstreckte. Immer wieder kamen neue Probleme, die es zu
lösen galt. Immer wieder bedurfte es in Zeiten, in denen sie sich gerade erst
erholt hatte wieder neuer Kraft sich nicht von den Problemen erdrücken zu
lassen. Kraft, die Augen auf zu halten, egal wie müde sie von dem waren, was
sie jeden Tag sehen mussten. Offen zu halten um nach vorne zu sehen. Um das
Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. . . Doch was war dieses Ziel? Lohnte
sich überhaupt die Augen trotz der großen Müdigkeit für diese Aufgabe offen zu
halten oder konnte Clara sie einfach ganz getrost schließen? Würde das denn
irgendeinen Unterschied machen?