Birgit Seitz

Sie

 
 
Schlampe, hat er gesagt.

Er hat ihre Sachen vom Boden aufgehoben und gesagt: Los, Schlampe, verzieh dich.

Was SIE sich denn einbilden würde, er hätte ihr nicht erlaubt, länger da zu bleiben, als nur für diesen Moment. Es würde ihn anekeln, dass SIE heute morgen noch da ist.

Es würde reichen, dass er seinen Spaß gestern Nacht gehabt hätte. Heute wäre SIE nur noch ein Schatten von dem, was er gestern noch in ihr gesehen hat.

 
Er.

Gesehen.

 
Umnebelt von einer Alkoholfahne, blind durch Promille, die Augen verhangen, das Lachen zu laut, seine Worte undeutlich, die Standfestigkeit eines abgeknickten Stängelchens.
 
Er.

Gesehen.

 
Heute. Nüchtern. Böse. Enttäuscht.
 
Er lockt Frauen wie SIE an. Die ihn bedienen, um hinterher ihr verkorkstes Leben mit ihm aufzuwerten. Es hätte ja sein können, dass er anders ist, als die anderen vor ihm.

Aber er wehrt sich dagegen, der Frau, die ihn in der Nacht befriedigt hat, einen Kaffee anzubieten.

Er könnte fühlen müssen, dass sie ein Mensch ist.

 
Und kommt sich stark vor, in dem Augenblick, da er ihr die Sachen vor die Füße wirft, sie aus schmalen Augen anstarrt und ihr sagt: Verzieh dich. So wollte ich das nicht. Ich wollte dich vögeln, nicht dich behalten.

Er verzieht verächtlich den Mund dabei. Höhnt noch einmal: Schlampe. Und jetzt raus!

 
Und sie zieht sich an, den Kopf geneigt, den Blick auf seine Füße geheftet.

Hastig. Aber sie passt auf.

Die Schultern zusammen gezogen, als erwartete sie einen Schlag ins Genick.

 
Die Nylons lässt sie aus, die Schuhe streift sie über die nackten Füße.

Sie ordnet die zerwühlte Frisur nur durch ein Streichen durch die verknoteten Haare.

Den BH steckt sie in ihre Handtasche. Eilig schweift ihr verschreckter Blick durch das Zimmer, bleibt nur flüchtig an ihm hängen.

 
Seine Haltung verrät deutlich, dass sie keine Sekunde länger verweilen sollte. Sie spürt seine Missachtung, seinen Hass und seine Wut. Auf Frauen wie sie, die sich hingeben und MEHR erwarten.

Sie, die sich nichts vorzuwerfen weiß.

Er, der auf sich selbst wütend ist, und es nicht wahrnimmt.

 
 
Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss.
 
 
 
Im Treppenhaus strafft sich ihr Gang.

Die Reaktion hatte sie erwartet.

Er ist einer von denen.

Aber was hätte sie sich vergeben, wenn sie nicht mitgegangen wäre?

Sie lächelt, als sie langsam in ihrer Tasche nach einem Schein fischt.

Sie lächelt, als sie den Schein an seine Wohnungstür klebt.

Tesa hat sie immer dabei.

Und einen extraroten Lippenstift, mit dem sie einen lachenden Mund an seine Tür malt.

© Birgit Seitz, März 2003

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.05.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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