Jennifer Konrad

Vermächtnis der Elbenäter-6- Zeiten des Krieges

Zeiten des Krieges

,,Wir werden gleich die Stadt erreichen, sagte Bratak. Aber vorher werden wir noch einmal Halt machen, du siehst aus, als hättest du eine Schlacht hinter dir, außerdem riechst du auch so.’’

Verlegen senkte Serafin den Kopf, es war ihm peinlich, dass Ana ihm sagen musst, dass er stank, wahrscheinlich war sein Kopf hochrot angelaufen. Aber es kam ihm ganz gelegen, dass sie vorher hielten, er musste sich irgendetwas für den Drachen überlegen, schließlich würden sie ein paar Tage in der Stadt bleiben.

Ich warte.

Was sagst du da, Grom? Du weißt doch, es wird Tage dauern, du wirst verhungern!

Nein, du kannst abends spazieren gehen, nimm deinen Bogen mit.

Grom, hörst du dich eigentlich reden? Gestern konntest du kaum ein paar Wörter reden und heute kommt es mir so vor, als wärst du mindestens so alt wie ich!

Nein, Serafin, ich bin noch älter. Du vergisst, dass ich ein Drache bin und magische Fähigkeiten besitze, die schneller ale die deinen wachsen.

Grom entfernte sich aus seinen Gedanken und verschloss sich. Es war ihm ein Rätsel, der Drache lebte erst seit wenigen Tagen, konnte aber schon perfekt sprechen. Überhaupt, Serafin hatte nicht einmal im Traum gewagt daran zu denken, wie es wäre, einem Drachen zu begegnen. Jetzt zog er einen auf und sprach sogar mit ihm! Wenn Metash das nur sehen könnte.

 

Sie hielten an einem Bach, durch den klares Wasser zwischen den Steinen hindurchfloss. Ana ließ ihn allein, Bratak jedoch wollte sich auch waschen. Wie sollte er es nur fertig bringen, sich auszuziehen, ohne dass Bratak Gromundar bemerkte? Aber sein Freund löste das Problem selber, indem er noch einmal zu den Pferden zurücklief um ein Stück Seife zu holen. Schnell band Serafin den Umhang auf und Grom huschte in ein Gebüsch in der Nähe. Keine Sekunde zu früh, denn Bratak kam schnell zurück.

Serafin tauchte in das eiskalte, klare Wasser und schüttelte seine Locken, als er wieder auftauchte. Bratak hatte gerade sein Obergewand abgelegt und den Verband zu spät wieder zurechtgezurrt. Japsend kam Serafin näher, doch sein Freund hatte den Verband um die Brust bereits wieder hergerichtet.

,,Was war das?’’ ,,Ich weiß nicht was du meinst’’, murmelte er und zog auch die restlichen Kleidungsstücke aus.

,,Das wisst Ihr sehr wohl! Sagt mir, was ist das für ein Oval auf Eurer Brust?’’ Serafin verfiel absichtlich wieder in die Höflichkeitsform, denn er wusste, dass es Bratak unangenehm war, darüber zusprechen. Wenn es das war, für das er es hielt, musste Bratak wirklich etwas Besonderes für den König sein, weshalb auch Elben auf der Suche nach ihm waren.

,,Vor dir kann man wirklich keine Geheimnisse haben, das war schon damals so. Also, gut, hast da jemals etwas über den Elbenfürsten des Nordens gehört? Es wird Zeit, dass du ein wenig über die politischen Verhältnisse unseres Landes erfährst.’’

,,Meinst du Myria oder Scynaté, wenn du über unser Land redest? Und was hat der Elbenfürst der Nordläufe mit deinem Mal zu tun?’’ Geduld war nie seine Stärke gewesen.

,,Ich rede von beiden, denn im Krieg gibt es kein wir oder sie, kein gut oder böse. Du musst immer versuchen, von allem beide Seiten zu erforschen. Danach kannst du zwar sagen, ob in dem einen das Böse überwiegt, aber du wirst selber sehen, es gibt nichts, was durch und durch gut oder schlecht ist. Alle Welt redet davon, dass Mephtas böse ist, aber keiner, weder Mensch, noch Elb oder Zwerg versucht herauszufinden, ob es etwas Gutes an ihm gibt. Du wirst mich für noch verrückter erklären, als du es nicht ohnehin schon tust, wenn ich dir sagen, dass Mephtas viel Gutes getan hat.’’

Er konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Hatte er wirklich behauptet, Mephtas hätte gutes getan? Aber warum hatte er nicht verhindert, dass Nugarls sein Heimatland angegriffen und vielleicht seine Familie getötet hatten? Das wäre gut gewesen, aber Mephtas saß in seinem Thron irgendwo in West - Scynaté und berief Elbentruppen ein.

Bratak hatte ihm die Pause zum Überlegen gelassen und wahrscheinlich die Reaktion von Serafin bereits erwartet. Er erinnerte ihn noch einmal daran, sich über beide Seiten zu informieren, bevor Serafin urteilte, dann sprach er weiter.

,,Wie erwähnt, es herrscht Krieg. Das weißt du ja bereits, aber du weißt nicht zwischen wem, habe ich recht?’’

,,Natürlich weiß ich das, zwischen Elben und Nugarls!’’, empörte er sich. Aber sein Temperament wurde abermals von seinem erfahrenen Lehrmeister unterbunden.

,,Sachte, mein Freund! Sei nicht so hitzig. Ja und Nein zu deiner Behauptung. Ich habe mir gedacht, dass du so etwas ähnliches sagst. Aber es ist nicht ganz richtig, das sind wohl die beiden größten Gestirne, aber die Randgruppen darf man auch nicht unterschätzen. Mephtas befehligt die Elben, obwohl er der König der Menschen ist. Das sollte die beiden Völker eigentlich zusammenbringen, aber im Grunde hat es Eifersucht und Machtgier gesät. Du hast recht, auf der Seite gegenüber stehen Nugarls, aber auch sie sind nicht allein. Die Zahl der Schattenmenschen ist drastisch gestiegen seit Beginn des Krieges. Und auch wenn sie sich scheinbar aus dem Krieg heraus halten, im Untergrund sind die Zwerge sehr aktiv unter König Ugrim. Sie sind dabei, heimlich aufzurüsten und... ’’ Serafin hielt die Luft an. Er hatte das Geräusch auch gehört, aber im Gegensatz zu Bratak kannte er den Urheber.

Was hast du getan, Grom? Bratak wird dich entdecken!

Er brach die Verbindung aprupt ab, da er auf einmal spürte, wie jemand nach seinem und dem Geist Groms tastete. Sogleich versuchte er sich zu verschließen und auch, wenn es nicht leicht war, hielt er dem Druck stand.

,,Seit wann beherrscht du das?’’

Verwirrt schob Serafin sich eine nasse Locke aus dem Gesicht und stieg hinter Bratak aus dem Wasser. Ihm wurde erst nach längerem Nachdenken klar, dass der Tastende niemand anderes als Bratak gewesen war.

,,Wart Ihr das? Habt Ihr versucht, mit mir zu reden?’’

Bratak schmunzelte, während er sich abrieb. Er warf Serafin ein anderes Laken zu.

,,Das war ich. Aber sag mir, seit wann kannst du das?’’

,,Ich weiß nicht mehr, ich glaube als erstes habe ich mit dem Phönix in der Bibliothek geredet, weil mir niemand anderes zugehört hat. Er hat ab und zu gekrächzt, aber ich war mir da noch nicht bewusst, dass er mich versteht, bis eines Tages Lasnoras mich angegriffen hat. Da habe ich ihm erzählt, der Kerl hätte seine Familie auf dem Gewissen und der Vogel ist ausgerastet. Und mit Kastor rede ich natürlich. Es gibt niemanden, der so viel weiß über mich, wie mein Pferd, auch wenn das lächerlich klingt.’’

,,Das klingt es ganz und gar nicht. Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Du kannst es nicht wissen, wenn du es noch nicht probiert hast, du kannst auch mit Menschen kommunizieren. Allerdings nur mit solchen, die diese Gabe auch besitzen. Ein Großteil der Elben, aber nur eine geringe Zahl von Menschen kann es, Zwerge wollen mit der Magie nichts zu tun haben.’’ Und was war dann mit Serafin? Er war weder Mensch noch Elb. Galt diese Regelung auch für Mischlingskinder? Wie hasste er diese Bezeichnung!

,,In der Regel nicht, nein. Aber du bist auch kein gewöhnlicher Halbelb, oder auch Halbmensch, wenn dir diese Formulierung lieber ist. Auch wenn du vor Neugierde platzt, mehr werde ich dir vorerst nicht erzählen, ich bin ja schon froh, dass du den Schock über den Verlust deiner... von nah stehenden Personen halbwegs überwunden hast. Du musst erst mal alles verdauen und in Ruhe darüber nachdenken. Vielleicht hilft es auch, wenn du dich mit Ana aussprichst. Sie hört dir immer noch ein wenig anders zu als ich alter Sack.’’ Er grinste Serafin an und zog ein frisches Unterhemd an. Einen Moment schwieg Serafin, doch er konnte sich vor lauter Verwirrung und Übereifer nicht halten.

,,Bratak, Du hast mir verschwiegen, woher du dieses Mal auf deiner Brust hast.’’ Auch er zog schnell seine Hose über und streifte sich seine weinroten Sachen über den Kopf. Schnell packte er das nasse Lacken und lief hinter Bratak her, der schon langsam und bedächtigen Schrittes vorging.

,,Ich habe eine Gruppe von Gegnern des Königs verschwiegen, junger Freund. Aber sie sind eine Schandtat für die gesamte Bevölkerung und nur aufgrund ihrer Gräueltaten zu nennen. Die Gresandirebellen oder auch nur Gresandi genannt, an ihrer Seite kämpften einst die Drachen. Sie verbündeten sich mit den Rebellen und ließen sie sogar über sich herrschen. Nur noch wenige Drachen sind am Leben und sie können nicht einmal mehr etwas dagegen unternehmen, dass die Gresandi sie in Gefechte schleppen und zu Kämpfen zwingen. Sie sind einfach nur eine Schande, eine Schande, die beseitigt werden muss.’’

Er spürte wie Grom zornig wurde und aufgebracht von einem Fuß auf den anderen trat.

Lügner! Das ist gelogen! Nie lässt sich das Geschlecht der mächtigen und erhabenen Drachen von Menschen beherrschen, nie! Lügner! Frag den Gresandi nach dem Mal!

,,Was hat das mit deinem Mal zu tun? Und die Drachen, sie sind doch viel mächtiger als Menschen, sie lassen sich doch nicht einfach so von Menschen kontrollieren, oder?’’

,,Du hast mir nicht richtig zugehört, nicht wahr? Warum erzähle ich dir wohl von Dingen, die nicht einmal die Elben wissen? Ich gehörte einst zu ihnen, Serafin. Ich bin ein Gresandi und schäme mich dafür. Und genau deshalb hat mich der Elbenfürst auch zu sich bestellen lassen, er wird mich befragen, was sie wohl als Nächstes tun werden.’’

Serafin brauchte eine Weile, bis er wirklich begriffen hatte, welches dunkle Geheimnis er ihm gerade anvertraut hatte. Deshalb war er aus Myria geflohen, er fürchtete die Rache seiner früheren Gefährten. Bratak war ein Verräter!

Warum nimmt er dich mit? Sollst du ihn schützen? Oder will er sich mit dir rächen?

Halt, Grom! Vergiss nicht, was Bratak uns gesagt hat. Wir dürfen nicht nur die eine anhören und dann urteilen. Sobald alles vorbei ist, werde ich nach den Gresandi suchen und sie dazu befragen. Du kommst doch mit?

Wie könnte ich dich verlassen, Sef?

Es beruhigte ihn ungemein zu wissen, dass der Drache genauso fühlte wie er. Das Band zwischen ihnen wurde immer beständiger mit jedem gemeinsamen Tag. Mittlerweile konnte er den Jungdrachen spüren, auch wenn er gar nicht mit ihm in Verbindung stand. Egal, was er tat, der Drache war immer am Rande seines Bewusstseins.

,,Wie werden jetzt in die Stadt reiten. Komm, Serafin. ich bitte dich, sage nichts, wenn du nicht aufgefordert wirst. Wenn dich jemand anspricht, wird er als erstes sagen: Möge das Leuchten der Sterne Euch den Weg weisen, oder zumindest ähnliches. Darauf musst du nur nicken und warten, bis er weiterspricht. Sprichst du jemanden an, was ich dir aber nicht rate, verwendest du dieselbe Geste, Verstanden? Die Elben hassen Berührungen, mache nie den Fehler und reiche einem die Hand, du beschwörst eine Fehde herauf, nimm dich in acht.’’

Auch Ana hatte sich zurecht gemacht, sie trug jetzt wieder das Kleid in derselben Farbe wie Serafins Kleidung. Aber schon bald achtete Serafin kaum mehr darauf, da sie die Tore durchritten.

Ich werde hier am Fluss auf dich warten. Bring nur deinen Bogen mit, wenn du Fleisch mitnimmst und es nicht wieder zurückbringst, könnte man auf den Gedanken kommen, dir zu folgen.

Serafin hörte ihn zwar, aber er war nicht imstande ihm zu antworten. Eine Elbin hatte and en Toren auf sie gewartet und führte sie nun zum Palast. Silbernes, langes Haar umwehte ihr Gesicht, der zierliche Körper war in silberne Gewänder gehüllt unter denen sie ein eng anliegendes, weißes Kleid trug. Darüber hatte sie einen Pelzmantel aus weißem Fuchsfell über ihre Schultern gehängt. Ihre grauen Augen hatten keine Spur der Wärme, die Ana ausstrahlte, auch schien sie niemals zu Lächeln, ihre Gesichtszüge kamen ihm genauso kalt wie das Wasser vor, in dem er gebadet hatte. Trotzdem faszinierte ihn etwas an ihr, auch wenn er nicht recht sagen konnte, was es war. Anscheinend bemerkte sie seine Faszination und ein kaltes Lächeln umspielte ihre Lippen.

So viel zu dem niemals Lächeln.

Sie fuhr sich durch ihre seidigen Haare, was dazu führte, dass sich seine Nackenhärchen sträubten und ihm ein Schauer durchfuhr, keineswegs angenehm, kalt und stechend.

,,Die Sterne mögen Euch den Weg weisen. Der Fürst erwartet Euch bereits, Meister Bratak. Euch ebenso, Serafin.’’

Sie kannte ihn! Wie konnte ein solch zierliche Wesen seinen Namen nur mit so viel Macht aussprechen, es war ihm unerklärlich.

,,Hör auf, sie so anzustarren. Es gehört sich nicht ‘’, zischte Bratak ihm mahnend zu und nickte ihr aufmunternd zu. Daraufhin drehte sie sich und setzte elegant einen Fuß vor den anderen in das Schlossinnere. Kein laut verursachten ihre weißen Pelzstiefel auf dem kostbaren Marmorboden, der so typisch für die erhabenen Elben war.

Ehrfürchtig betrachtete er die vielen Gemälde an den Wänden. Sie kamen ihm so real vor, dass es ihn nicht verwundert hätte, würden se ihm freundlich die Köpfe neigen und ihn ansprechen.

,,Magie’’, bekannte Bratak, der seinen Blicken gefolgt war. Schließlich betraten sie eine große Halle, ganz am Ende befand sich der Thron des Fürsten.

,,Ihr dürft den Raum nicht betreten, Serafin. Keine Sorge, Euer Meister kommt allein zurecht. Ich kann Euch das Schloss zeigen, wenn Ihr wollt.’’ Erfreut nickte Serafin. Es betrübte ihn zwar, dass er nicht erfahren durfte, was Bratak so Wichtiges mit dem Fürsten zu bereden hatte, doch die Aussicht auf ein Gespräch mit der schönen Elbin war zu verlockend. Er wollte gerade einwilligen, als einer der Dienstboten hinzukam, hastig die Begrüßung murmelte und dann die Elbin um ein Gespräch unter vier Augen bat. Er erzählte ihr noch etwas und sie nickte schließlich. ,,Geh schon vor. Serafin, es tut mir leid, aber wir müssen den Rundgang auf morgen verschieben. Ich hole Euch gen Mittag ab. Die Sterne mögen Euch den Weg weisen.’’

Damit drehte sie sich anmutig um und verließ den Gang. Der enttäuschte Serafin seufzte und folgte einem Bediensteten in seine Gemächer.

Er wurde in ein sehr vornehm ausgestattetes Zimmer geführt, rotes Samt, überall wo er hinsah. Erschöpft ließ er sich auf das Bett fallen und freute sich über die Weichheit, die ihn umfing. Er nahm sich nicht einmal die Zeit sich auszuziehen, sondern schloss sofort die Augen. Seine Gedanken kreisten um die schöne Elbin, ab und zu wanderten sie zu Grom, der aber nicht mit ihm reden wollte und schließlich zu Bratak. An dieser Stelle wurde er wieder missmutig, nun waren sie hier, aber wo wollte man ihn jetzt hinbringen? Zurück zu seiner Familie ging es nicht mehr, eine Woge unerträglicher Schmerzen erfasste ihn, aber er kämpfte dagegen an und konnte den Gedanken bald von sich schieben. Was sollte er nur tun? Er war ein Waise, genau wie Ana. Wo war Ana überhaupt? Er hatte sie zum letzten Mal an den Ställen gesehen, seitdem nicht mehr. Ihr würde sicher nichts geschehen, schließlich war sie hier unter Brüdern ihrer Rasse. Etwas mürrischer als zuvor schlief er, den Überlegungen überdrüssig, ein.

 

,,Wacht auf! Die Tochter des Fürsten wartet bereits auf Euch.’’

,,Jetzt schon? Die Sonne ist doch gerade erst aufgegangen.’’ Er rümpfte die Nase und zog sich die Decke wieder über den Kopf. Er hörte die Stimme der Elbin lachen.

,,Es ist bereits nach Mittag! Ich habe Euch Eure Mahlzeit aber stehen lassen. Beeilt Euch, man lässt die Fürstentochter nicht warten!’’ Seufzend schlug er die Decke zurück und machte sich an die Gemüsesuppe und Brot.

Sie führte ihn zuerst in den Schlossgarten, Blumen so vielfältig wie es Sterne am Himmel gab regten Erstaunen in Serafin. Das Elbenmädchen sagte kein Wort, hielt ihm lediglich eine Blume entgegen, sie trug weiße Blütenblätter. Serafin griff zu und ließ gleich darauf wieder los.

,,Au, Mist! Was ist das für eine bösartige Blume? Sie hat mich gebissen!’’ Er wusste natürlich, dass eine Blume nicht beißen konnte, doch er wollte die Elbin endlich zum Auftauen bringen. Sie schien allerdings zu ahnen, was er vor hatte und antwortete nicht. Ärgerlich über seine gescheiterte Ermunterung wischte sich Serafin das Blut von den Händen und hielt den brennenden Kratzer zu.

Der Gong hallte tausendfach in den langen Gängen des Schlosses wieder und warf das Echo auch in den Garten.

,,Was ist da los?’’ Serafin holte das Mädchen auf und sah sie von der Seite an.

,,Dein Meister. Er muss den Fürsten angegriffen haben! Was hattet ihr vor? Wolltet ihr das Elbenreich übernehmen? Dann seid ihr reichlich dumm, ihr wisst...’’

Er konnte die Elbin gerade noch auffangen und ihren Worten lauschen, bevor sie das Bewusstsein verlor: ,,Geh und flieh! Es ist nicht dein Meister, es sind Reiter...’’

Verzweifelt besah er die Wunde an ihrer Seite, jemand hatte mit einem Pfeil nach ihr geschossen und damit ihre Seite getroffen.

Wäre doch nur Ana hier!

Vor ihm rannte ein Elb, wahrscheinlich ein Bediensteter, aufgeregt über den Rasen und brach sekundenspäter röchelnd zusammen. Serafin nahm kurz entschlossen die verletzte Elbin auf den Arm und verließ geduckt den Garten. Kaum hatte er die Tore zum Schlosseingang erreicht, stellte er fest, dass Pfeile nicht das einzige Übel waren. Das Schloss brannte lichterloh! Der Rauch stieg wie eine feste Mauer in den Himmel, dennoch erkannte Serafin dunkle Schatten über ihnen.

Serafin, das Schloss brennt! Es ist ein magisches Schloss, es kann nicht einfach so brennen! Was ist geschehen?

Ich weiß es nicht, kannst du nichts sehen? Ich habe hier eine Verletzte, sie sagte, es wären Reiter, was soll ich tun?

Suche Bratak und komm so schnell wie möglich da raus! Mach schon!

Mir der Elbin auf dem Arm kämpfte er sich durch die flüchtenden Massen, die schreiend das Schloss verließen. Ihm wurde schlecht, als er den Thronsaal erreichte. Elben lagen erstochen überall auf dem Boden, manche kaum mehr als Elben identifizierbar, so zerschunden und in unmöglichen Haltungen lagen sie da. Seine Stimme hallte unbeantwortet und schaurig schwankend durch die Gänge, die zum Saal führten. Zitternd blieb er an einem Türrahmen gelehnt stehen und machte einen überraschten Hüpfer, da neben ihm plötzlich jemand hustete. Er legte die Elbin ab und sah den sterbenden Elb an. Sein Gesicht war blutverschmiert und unvorstellbar verzerrt, die linke Gesichtshälfte bestand nur noch aus blutenden Schrammen, aus seiner Brust ragte ein schwarzer abgebrochener Speer.

,,Was ist hier geschehen?’’ Der Elb röchelte, spukte Blut und holte Luft.

,,Schwarze Reiter... haben Feuer gelegt. Der Fürst... tot, Mensch auch...’’

,,Nein, das ist nicht wahr! Ihr lügt! Ihr könnt nicht...’’ Seine Stimme erstarb, als sich der Elb aufbäumte und das Atmen einstellte, der Elb war tot.

 

Im Stall herrschte Chaos, das Feuer hatte zwar gelöscht worden können, aber die Pferde waren nicht zu beruhigen. Er tastete nach Kastor und fand ihn erst nach langem Suchen. Der schwarze Hengst wieherte erfreut über die Anwesenheit seines Menschenfreundes und kam zitternd auf ihn zu. Vorsichtig befestigte er die immer noch bewusstlose Elbin an seinem Sattel, nahm die Zügel und bahnte sich einen Weg aus der wogenden Masse an Pferden, Elben und Angst.

Er erhaschte einen Blick auf Ana, die ebenfalls gerade mit ihrer Stute kämpfte, sie wollte einfach nicht aus dem Stall. Serafin trat hinzu und redete beruhigend auf die aufgeregte Stute ein, bis sie sich schließlich aus ihrer Kammer herausführen ließ.

,,Danke, hast du schon Bratak gefunden?’’ Serafin senkte den Kopf, aber Ana sah ihn gar nicht an, denn sie hatte die bewusstlose Elbin auf Kastor entdeckt. Sie verlor kein Wort, sondern stieg auf ihre Stute.

,,Wir müssen hier weg, man versucht uns den Mord an dem Elbenfürst anzuhängen. Sie sagen, wir hätten die Reiter aus Merkatesh mitgebracht und uns gegen sie aufgelehnt. Schnell, finde Bratak.’’

,,Nein, wir müssen sofort fliehen. Wir werden Bratak nicht finden. Er... er ist tot.’’

Verdammt, Lord Ermundo hat es vorausgesehen. Warum hat er mir nicht gesagt? Ich hätte es verhindern können!

Nein, Serafin, das hättest du nicht. Lord Ermundo hat es gewusst, deshalb hat er dir nichts davon gesagt. Beeilt euch, ich warte ein Stück den Fluss hinab an einer großen Steinhöhle auf euch. Beeilung!

,,Ich weiß einen Ort, an dem wir uns verstecken können. Komm mit, schnell!’’

Er setzte sich hinter die Elbin und ritt voran. Das Tor wurde von Kriegern bewacht, die Schwerter drohend auf ihn und Ana gerichtet.

,,Was tun wir jetzt? Wir kommen hier nicht durch.’’

Die Antwort kam unerwartet vom Himmel, die Schatten, die Serafin schon im Schlossgarten gesehen hatte, wurden größer und kamen näher. Auch wenn es keine angenehme Lösung war, Ana und er kamen unbehelligt hindurch, nachdem die Schatten Steine auf die Wachen fallen ließen. Einige Elben konnten sie zwar in der Luft halten, waren dadurch aber abgelenkt und konnten Serafin und Ana nicht mehr belästigen.

,,Das war knapp. Was waren das für Viecher?’’ Ana schüttelte den Kopf. ,,Keine Ahnung, aber sie haben uns geholfen. Serafin gab einen knurrenden Laut von sich.

,,Vielleicht aber auch nicht. Sie haben das Schloss angezündet, mit Magie, sonst hätten die Elben es löschen können.’’

Ana und er schwiegen und folgten dem Pfad, den Gromundar ihnen wies.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.06.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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