Jennifer Konrad

Vermächtnis der Elbenväter -8- Die Steppe Nasudo

Die Steppe Nasudo

 

Zwei Wochen schon verbrachten die vier Gefährten die Tage mit reiten, essen und schlafen. Des Abends trainierten Serafin und Nézal regelmäßig Schwertkampf, Bogenschießen und ab und zu auch Faustkampf. Nézal hatte Serafins Eifer geweckt und den Ehrgeiz, irgendwann einmal stärker als sein Freund zu sein. Ana unterrichtete ihn weiter im Sindarin während des monotonen Reitens, nur die Schrift lehrte sie ihn während der Essenspausen. Die Elbin, Arseni war ihr Name, hielt sich aus alledem heraus und führte die Gruppe immer weiter nach Westen, über die nicht enden wollende Steppe, moosbewachsene Hügel wohin der Blick reichte.

Serafin hatte Grom seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen, denn als sie die Waldgrenze hinter sich gelassen hatten, gab es nichts mehr, wohinter Gromundar sich hätte verstecken können und so blieb ihm nichts anderes übrig, als etwa eine halbe Tagesreise hinter ihnen zu reisen.

Sie redeten sehr viel miteinander und Serafin musste überrascht feststellen, dass er etwas wie Sehnsucht nach seinem kleinen Freund verspürte, ihm fehlten das gemeinsame Jagen und der ungetrübte Blick des Drachen.

Trotzdem hatten sie ein sehr enges Verhältnis, denn Gromundar hatte damit begonnen, dem Unterricht von Ana zu folgen und Serafin bei schwereren Übungen zu helfen, der Drache hatte ein weitaus besseres Gedächtnis als er. Aber sie hatten auch einen Streitpunkt über den sie stundenlang diskutieren konnten, Arseni. Gromundar hatte bemängelt, dass die Gedanken von Serafin während des Unterrichts und auch sonst sehr oft zu der hübschen Elbin wanderten und Gromundar ihn regelrecht herausreißen musste, damit er Anas Übungen ausführte. Es störte den wissbegierigen Drachen, oftmals hörte Serafin ihn fauchen, wenn er ihr Gesicht in Gedanken aufrief, was ihn aber nicht davon abhielt, es weiter zu tun.

 

,,Wir haben die Steppe Nasudo bald hinter uns, danach kommen wir wieder in mehr bewaldetes Gebiet. Und dahinter...’’ Nézal ließ seinen Blick sehnsüchtig in die Ferne schweifen. ,,Dahinter liegt die Steilküste und das Meer.’’

Serafin jubelte innerlich, sagte Gromundar aber vorerst nichts, denn er wollte nun genau wissen, wovon Nézal sprach.

,,Das Meer? Was ist das, Nézal?’’ Sein Freund schmunzelte über seine Unwissenheit und begann dann von seiner Zeit als Seefahrer zu erzählen. Staunend hörte Serafin zu, Nézal sprach von Wasser, so unendlich wie der Himmel, Fischen, größer als jeder Mann an Deck und seine wochenlangen, ja manchmal monatelangen Fahrten über das rauschende Meer. Serafin konnte es sich einfach nicht vorstellen, sooft er es auch versuchte. Er hatte bisher nur Gewässer kennen gelernt, deren Ufer gegenüber er hatte sehen können. Mit Ausnahme von der Überfahrt nach Scynaté, die er jedoch unter Deck verbracht hatte. Und da war ihm das Schaukeln, von dem Nézal so schwärmte, ganz und gar nicht wundervoll vorgekommen. Grom stupste sanft seine Gedanken an und beendete damit seine Träumereien.

Wir kommen bald wieder in eine bewaldete Gegend, hat Nézal gesagt. Dann können wir wieder zusammen reisen und jagen. Sag, wie steht es um deinen Fleischvorrat, Grom?

Bevor sie sich getrennt hatten, hatten die Beiden viel Beute gemacht und Gromundar so viel er tragen konnte und es ihn nicht beim Gehen behinderte auf den Rücken gebunden, damit er in der Steppe nicht vergeblich nach Futter suchen musste.

Nicht sehr gut, ich habe gestern die restlichen Kaninchen verspeist, aber mach dir keine Sorgen, ein paar Tage komme ich schon ohne etwas zu Essen aus. Was mir Sorgen macht ist der Umstand, dass ich seit zwei Tagen kein Wasser bekommen habe.

Serafin stellte sicher, dass ihn niemand beobachtete, dann schnallte er seinen Wasserschlauch ab und warf ihn neben seinem Pferd zu Boden. Er hatte noch einen Ersatzschlauch, noch prall gefüllt mit klarem Wasser, damit er nicht anstelle des Drachen dursten musste.

Gromundar hatte mit seinen Gedanken kaum etwas anfangen können und so fragte er nach, was er soeben getan hatte. Serafin grinste vor sich hin.

Ich konnte dich doch nicht einfach verdursten lassen, aber versuche bitte, ihn nicht zu zerreißen.

Er vermittelte ihm das Bild, wo er den Schlauch hatte fallen lassen und widmete sich dann Ana, die ihm jetzt einige weitere Grundsätze bezüglich des Lichtes lehren wollte. Er prägte sich die Worte ein, wie er auch aus den dunkelsten Schatten noch das restliche Licht umwandeln und halten konnte. Ana merkte, dass er wiedereinmal nicht richtig bei der Sache war und schließlich verlor sie die Geduld. Grob zerrte sie an den Zügeln ihrer Stute und trieb sie an, schneller zu werden. Erschreckt machte das Pferd einen Satz nach vorn und preschte dann vor, bis sie Nézal überholt hatte, dicht hinter Arseni wurde sie wieder langsamer und passte sich dem Tempo der vor ihr reitenden Elbin an.

Für Serafin war dieser Ausbruch überraschend gekommen, fragend sah er hinter ihr her, spürte den Blick von seinem Freund auf sich ruhen und merkte erst auf, als Nézal sein Pferd neben ihn brachte.

,,Was habe ich denn falsch gemacht? Ich habe nur überlegt, wie ich diesen verflixten Spruch am Besten behalte und sie reitet einfach davon. Ist sie wütend auf mich?’’

Nézal schüttelte den Kopf, hielt inne und nickte dann lächelnd.

,,Aber das kann sie dir nur selber sagen, damit habe ich nichts zu tun. Versteh mich bitte nicht falsch, junger Freund, ich möchte nur nichts erzählen, was sich hinterher nicht bewahrheitet. Du wirst es sicher bald merken.’’

Viel konnte er mit dieser Antwort nicht anfangen, aber gab sich damit zufrieden, aus Nézal war mit Sicherheit nichts mehr herauszuholen. So versuchte Nézal ihm die Grundlagen für die Benutzung der Lichtmagie beizubringen, wenngleich es ihm nicht annähernd so gut gelingen wollte wie Ana. Wenigstens hatte diese Verwirrung erst einmal seinen Kopf klarer gemacht, sodass er sich nun voll konzentrieren konnte.

Den Dolch hatte Ana nicht zurückverlangt, also konnte er Tag für Tag seine Schnitzereien fortsetzen. Dabei achtete er immer darauf, dass ihn keiner sah, er wollte nicht, dass Ana sie sah, denn irgendwie hatte die Figur Ähnlichkeit mit Arseni. Und Nézal sollte ihn nicht für einen Schwächling halten. Genauso kam es auch diesen Abend, er entfernte sich ein wenig von der Gruppe, die um das Feuer saß, und holte den Dolch und de Figur heraus. Langsam, so freute er sich, sah es tatsächlich wie ein Bildnis aus, die groben Züge konnte man bereits erkennen, auch, dass es eine Frau darstellte. Mit dem Gesicht wollte er ganz bis zuletzt warten, es schien ihm unpassend dem körperlosen Wesen schon jetzt eine Seele geben zu wollen, so sagte er sich.

Während er so allein da saß und mit Gromundar über ihre Sehnsucht nach grünen Wiesen und riesigen Nadelbäumen philosophierte, näherte sich ihm jemand von hinten. Zuerst bemerkte er ihn nicht, denn Nézal beherrschte das Schleichen wie ein Vogel das Fliegen, aber dafür hatte Serafin seit der ersten Begegnung mit dem Drachen verblüffende Fähigkeiten entwickelt, immer wieder erstaunte er Nézal mit seinem scharfen Blick oder seinem vorzüglichen Gehör, das sich auch noch stetig zu verbessern schien. Diese Fähigkeiten halfen Serafin, auch wenn er schlief oder er sich in Trance befand, wie jetzt auch. Er rümpfte die Nase und gab einen verächtenden Ton von sich.

,,Du riechst schlimmer als ein toter Nugarl, Nézal. Bin ich froh, dass wir bald wieder in einer Gegend mit Wasser im Überfluss zum Waschen sind, irgendwann würde ich sonst noch ohnmächtig und müsste deine Gesellschaft meiden.’’

Kopfschüttelnd setzte sich Nézal zu ihm und sah in den Sonnenuntergang. Die Schnitzerei hatte Serafin schon vor Nézals Auftauchen versteckt und spielte nun mit dem Griff des Dolches. Dieses Schweigen tat ihnen beiden sonderlicher Weise gut, sie saßen noch so da, als der Himmel sich langsam schwarz färbte und die Lichter der Weiten des Himmels freigab.

,,Wie weit sind sie entfernt?’’, murmelte Serafin leise, aber Nézal hatte ihn trotzdem verstanden.

,,Du meinst die Sterne? Weit, mein Freund, sehr weit. Man erzählt sich, dass die Elbenväter sie eines dunklen nachts geschaffen haben. Sie haben sich beraten und dazu entschlossen, dass die großen Könige, die vor langer Zeit lebten, uns den Weg auch in den dunkelsten Nächten weisen sollen. Je größer ihre Taten zu Lebzeiten waren, desto heller scheinen sie, siehst du den hellsten Stern da hinten? Er soll der Elbenvater sein, sein Licht erhellte als erstes die Erde und wird es auch als letztes tun, wenn die anderen ihn alle verlassen haben.’’

Serafin ließ sich die Geschichte noch einmal durch den Kopf gehen, versuchte sich vorzustellen, wie es für die Elbenväter sein musste, Nacht für Nacht dort oben zu sitzen und über sie zu wachen, ob sie gerade jetzt in diese Moment sahen, wie Nézal und er gen Himmel starrten?

,,Wird mein Vater eines Tages auch dort oben sitzen und auf uns herabsehen?’’

,,Ich weiß es nicht, jedenfalls finde ich, dass es eine sehr schöne Sage ist, meinst du nicht auch?’’

Serafin nickte, war aber längst schon wieder gedankenverloren an irgendeinem fernen Ort und grübelte darüber nach, wie sein Vater darüber dachte.

 

Grom! Ich kann Bäume sehen! Wir reiten direkt darauf zu, ist das herrlich!

Gromundar gab einen japsenden Laut von sich und Serafin schmunzelte, der Drache lachte ihn aus. Aber in Moment war er einfach viel zu aufgeregt um sich darüber zu ärgern. Er trennte einfach die Verbindung zu seinem Freund und ritt herausfordernd an Nézal heran. Dieser verstand sogleich und schnalzte laut mit der Zunge um sein Pferd anzutreiben. Nur um Haaresbreite gewann Serafin den Wettlauf zu den ersten Ausläufern des dunklen Waldes, prahlte damit auch nur kurz, bevor er und Nézal sich der Erkundung nach einem Schlafplatz widmeten.

Nicht lange und Serafin hatte mit seinem immer schärfer werdenden Gehör ein plätscherndes Bächlein ausgemacht, in welches die beiden Männer sich schreiend hineinstürzten. Serafin hatte mit dem Sand in der Steppe sorgfältig das Emblem seiner Handinnenfläche verdeckt, aber das klare Wasser spülte es bald ab. Und natürlich entging Nézal das Zeichen nicht. ,,Serafin, was ist das?’’

Serafin tat erstaunt und unwissend, innerlich jedoch schrie alles nach Grom, dass er ihm helfen sollte, das Geheimnis weiter zu hüten. Aber der Drache schwieg eisern.

,,Ich weiß nicht was du meinst’’, log er also und schickte sich an, wieder in seine Kleidung zu schlüpfen, während das Glänzen in den Augen seines Freundes plötzlich erstarb. Er machte einen Schritt auf ihn zu und hatte ihm mit einem Ruck die Hand auf den Rücken verdreht. Es tat nicht sonderlich weh, aber Serafin schrie trotzdem erbost auf und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Nach einigen Augenblicken ließ Nézal ihn wieder los und betrachtete ihn sorgenvoll. Knurrend wich Serafin vor ihm zurück.

,,Was sollte das? Du hättest mich doch einfach fragen können.’’

Nézal lachte kurz hart und spöttisch. ,,Und du hättest es mir dann auch sicher gezeigt, nicht wahr? Wäre es nicht so enorm wichtig, hätte ich dich gar nicht weiter gefragt. Also, wo ist der Drache?’’

Serafin hörte Grom in Gedanken brüllen und zischen, er wollte nicht, dass Serafin etwas sagte und drohte ihm die schlimmsten Dinge an, die er mit Verrätern anstellen würde. Aber Serafin war klug genug, um die leeren Drohungen nicht für voll zu nehmen.

,,Du hast recht, ich kann es nicht ewig verbergen.’’

Seufzend nahm Serafin Platz und nahm einen kleinen Kieselstein um ihn in das herrlich erfrischende Wasser zu werfen. Nézal ließ sich neben ihm nieder und sah schweigend auf das wirbelnde Wasser vor ihm. Er war es auch, der schließlich das bedrückende Schweigen unterbrach.

,,Wo ist er?’’ ,,Er wird in ein oder zwei Stunden hier auftauchen und sich in einiger Entfernung von unserem Lager niederlassen. Du wirst ihm doch nichts tun, oder?’’

Beruhigend lächelnd legte Nézal ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte seinen Kopf, in diesem Moment kam er Serafin wie ein alter Lehrmeister vor, dessen Schüler einen Fehler begangen hatte und sich nun zu verantworten hatte.

,,Ich werde ihm gar nichts tun. Aber die Frage müsste eigentlich an jemand anderen gerichtet werden, was wirst du mit ihm tun?’’

,,Ich?’’ Er hatte schon befürchtet, dass Nézal wütend würde, oder schimpfen würde, aber auf diese Frage war er nicht gefasst gewesen. Auch Gromundar erkannte, dass Serafin sich darüber keine Gedanken gemacht hatte und versuchte ihm zu helfen.

Wir werden erst Arseni begleiten und dann zu dir nach Hause fliegen, ich bin mir sicher, dass dort unsere Hilfe gebraucht wird.

Zustimmend übermittelte er Nézal diese Vorstellung, erwähnte aber nicht, dass sie eigentlich von Gromundar stammte. Doch Nézal schien trotzdem nicht zufrieden.

,,Und wie stellst du dir das vor? Durch ein Land fliegen, in dem Krieg herrscht und dabei ungesehen bleiben oder als Neutral angesehen zu werden? Die Drachenkrieger sind alle gegen den König verbündet, es gibt zwar nicht mehr viele, nein, sie sind mittlerweile schon beinahe eine Legende, aber man ist sich durchaus über den Befehl, jeden Drachenkrieger zu töten, bewusst.’’

,,Aber ich bin doch gar ein Krieger, warum sollte man mich ohne Grund angreifen?’’

,,Meinst du, ein Nugarl fragt erst nach, bevor er dich tötet? Versteh doch, sie machen keine Unterschiede, sie setzen einfach voraus, dass du zu ihnen gehörst. Es grenzt ja schon an ein Wunder, dass sie den Drachen noch nicht aufgespürt und getötet haben.’’

Hitzig sprang Nézal auf und gestikulierte wild, er kam gegen die stumpfen Ansichten des wahrlich jungen Freundes nicht an. Serafin war einfach zu stur und engstirnig, um zu erkennen, dass ihr Leben vielleicht auf dem Spiel stand. Verächtlich schnaufte er.

,,Woher sollen sie denn wissen, dass ich einen Drachen besitze?’’

Mit den Augen rollend, was eigentlich eher ein Ausdruck war, den Kinder benutzten um ihren Unmut zu äußern, umfasste er wieder Serafins Handgelenk und ließ die Sonne auf der roten Fläche reflektieren.

,,Meinst du, jeder Beliebige bekommt einen solchen Stein? Nein, sie sind alle verzeichnet und aufgelistet. Jedem Stein ist ein Drache zugeteilt und das ist alles aufgelistet, außer...’’ Irgendetwas änderte sich in Nézals Blick, langsam ließ er seinen Arm wieder sinken und sann über irgendetwas scheinbar wichtiges nach.

Zögernd machte er einen Schritt, es kam Serafin beinahe so vor, als begutachtete Nézal ihn zum ersten mal. Nézal lief bedächtig einmal um ihn herum, musterte ihn ausgiebig und stellte sich genau dorthin, wo er losgelaufen war.

,,Dein Vater, was ist er für ein Elb?” Es schien Nézal wirklich wichtig zu sein, umso mehr bedauerte Serafin es, keine Antwort darauf zu wissen.

,,Was soll das? Er ist ein ganz normaler Elb, vielleicht ein bisschen größer und stärker als andere, aber dennoch ein normaler Elb. Nun sag mir doch endlich, was los ist? Warum fragst du mich das?”

Nézal trat einen Schritt auf ihn zu, packte grob seine Hand mit dem Mal und hob es so ins Licht, dass der Stein in der Sonne glänzte.

,,Du weißt nicht, was das ist? Serafin, du hältst das womöglich wertvollste Erbe in deinen Händen, von dem die meisten auf der Erde nicht einmal eine Ahnung haben, dass es existiert! Du kennst die Geschichte über den Elbenvater? Ich werde sie dir erzählen. Höre mir gut zu, es ist enorm wichtig, dass du sie kennst.”

Die beiden Freunde ließen sich neben dem Bach auf einem moosbewachsenen Felsen nieder und Nézal begann mit belegter Stimme zu erzählen.

,,Zu einer Zeit, da dieses Land noch mit Nugarls bevölkert war, gab es keine Chance für unser Volk, zu überleben. Unterdrückung und Sklavenhandel, davon war unser Leben geprägt, damals besaßen wir keine Macht, wir waren noch hilfloser als selbst die Menschen. Aber eine Sage sprach von einem Berg, an dem sich ein Stein befinden sollte, ein Stein, der dem Macht verlieh, der ihn besaß. Nun, viele hatten versucht den Berg zu erklimmen, doch die Naturgewalten ließen es nicht zu, dass ein zweibeiniges Lebewesen den Berg erklomm. Nur den Drachen war es gestattet, ihre Behausungen in den Fels zu hauen. Unser Volk war des Todes, würde nicht irgendjemand uns zu Hilfe eilen. Aber die Könige der anderen Länder interessierte es einfach nicht, was mit uns geschah, getreu dem Spruch: Nur der Stärkste überlebt. Eine Gruppe nun von zwölf Gefährten machte sich auf den Weg, um den Elben den Stein zu bringen. Sie verbündeten sich mit den Drachen, schlossen mit ihnen einen Packt, der ihnen die Hälfte der Macht zusicherte und so schafften sie den mühsamen Aufstieg. Der Stein erwies sich als falsch, er besaß keinerlei Macht und die Drachen wurden wütend, waren sie doch der Meinung, die Elben hätten sie betrogen. Doch einer der Gefährten erkannte den wirklichen Wert, er erkannte, dass die Inschrift des Steines den Weg erklärte, wie man seine eigenen Kräfte erwecken und beherrschen konnte. Die Drachen begriffen, dass sie nur Profit erlangen würden, wenn sie mit den Elben verbunden waren, geistig verbunden. So sicherten sie den Elben einen ewigen Schwur, der ihnen Beistand von beiden Seiten zusicherte.

Diese zwölf Gefährten zerschlugen den Stein in zwölf Stücke und teilten sie untereinander auf. Im Laufe der Jahre lernten die Elben, sich mit der Natur zu verbinden, sich an ihre Bedingungen anzupassen und ihre eigenen verborgenen Kräfte zu wecken. Die Elben besiegten die Nugarls mit ihrer neu gewonnenen Fähigkeit der Magie und vertrieben sie in ihre Gebirge, wo sie einst hergekommen waren. Nun vermehrte sich das Volk der Elben wieder, es verteilte sich in verschiedene Bereiche und so entstanden neue Unterrassen, wie zum Beispiel die Eiselben oder Waldelben. Ganz allmählich starb die Urrasse aus, nämlich die Grauelben, die Schöpfer des Sindarin und mit ihnen ging ein großer Teil der Macht verloren. Die zwölf Gefährten erkannten, dass die Macht irgendwann einmal aussterben würde und das Volk dann wieder genauso schutzlos wie vorher wäre, deshalb schlossen sie die Kräfte in die Steine ein und übergaben sie von Generation zu Generation.

Lange ist das nun schon her, machtgierige König wollten die Kraft der Steine nutzen, wurden geschlagen und mit ihnen gingen auch die Steine verloren. Nur von einem einzigen Stein war noch bekannt, dass er existierte, der aber verschwand und viele glaubten nicht mehr, dass er wiedergefunden würde.”

Serafin hatte die ganze Zeit gespannt der uralten Geschichte gelauscht, dass er ganz darin versunken war. Es hätte ihn nicht gewundert, wäre auf einmal einer der zwölf Gefährten auf seinem mächtigen Drachen hier gelandet. So erschreckte ihn die Heftigkeit, mit der Nézal sich plötzlich vorbeugte und bei den Schultern griff. Die Augen seines Freundes glänzten wie unter Fieber, fast, als wäre er verrückt geworden und suchte nun ein Opfer, bei dem er seiner Wildheit freien Raum lassen konnte. In seinem Blick flatterte Aufregung und so etwas wie Hoffnung, obwohl Serafin nicht sagen konnte, ob er es sich nicht nur einbildete. Aber ach der Atem des Elben ging schneller und stoßweise.

,,Serafin, wir dachten es gibt ihn nicht mehr. Wir fürchteten, dass irgendwelche Diebe ihn gestohlen und für unwichtigen Müll gehalten hatten. Aber wir hatten keine Hoffnung mehr, dass er noch existiert. Nur einer der Gefährten hatte so lange überlebt, dass er ihn an seinen Sohn hatte weitergeben können. Das war der letzte Stein der verschollen war, nämlich als dessen Sohn umkam, der den Stein erhalten hatte. Dieser Stein...”, Nézal ergriff Serafins Hand, in der sich das Emblem befand und drückte sie fest, ,,...dieser Stein bedeutet mehr als irgendjemand heute zu erfassen vermag. Du weißt nicht, was es bedeutet, keiner weiß das mehr. Serafin, du könntest der wichtigste Mensch des gesamten Landes sein!”

Serafin entriss Nézal seine Hand und lächelte spöttisch. Bratak hatte gesagt, dass jeder Drachenreiter einen solchen Stein vorweisen musste, ansonsten würde der Drache nicht schlüpfen. Und da er wusste, dass es noch Drachenreiter gab, das hatte ihm Nézal sogar selbst erzählt, war es einfach nur Blödsinn, den sein Freund ihm da erzählt hatte. Er stand auf und ließ den aufgebrachten Nézal perplex und mit offenem Mund sitzen und kehrte zu dem vermeintlichen Lager zurück.

 

Den restlichen Abend versuchte Serafin Nézal aus dem Weg zu gehen, aber sein Freund hatte auch gar nicht die Absicht ihn zu belagern, auch er vermied längere Gespräche, er spürte genauso gut, dass ein Streit ausbrechen konnte und auch würde, nur sollte das nicht heute Abend sein.

So ließen sie das Training ausfallen und Serafin ging allein auf die Jagd, schließlich würde Gromundar jeden Moment zu ihm stoßen, sein Vorrat war lange aufgebraucht und er freute sich über eine große Mahlzeit.

Serafin schaffte es binnen einiger Minuten Wild zu erlegen, einen fetten Hasen und einen riesigen Dachs. Eigentlich hätte es für ihn ein Grund zur Freude sein sollen, aber die Geschichte von Nézal hatte ihn bis tief in sein Inneres erschüttert und ganz von seinem Denken Besitz ergriffen. So merkte der auch nicht wie sich ein lautloser Schatten ihm näherte. Erst der beißende Geruch der Verwesung riss Serafin einige Momente in die Gegenwart zurück.

Ich dachte schon, du würdest mich erst bemerken, wenn ich ein bisschen an dir rumknabbern würde... Der schaurige Laut eines lachenden Drachen erklang, setzte aber bald wieder aus und machte den Geräuschen der Natur platz, der Drachen verschlang den Hasen mit einem Biss, woran Serafin mehrere Tage gegessen hätte.

Mit weit geöffneten Augen sah Serafin staunend zu, wie er auch über den Dachs herfiel und ihn schnell hinunterschlang. Danach schnaufte Grom Serafin zärtlich an und tappte in den kleinen Bach, damit die Reste des verwesenden Fleisches auf seinem Rücken davon geschwemmt wurden. Serafin sprang herzu und half ihm, sodass seine Schuppen bald wieder im Mondlicht strahlten.

Wie groß du geworden bist! Beinahe hätte ich dich nicht wieder erkannt. Du bist ja schon größer als ich! Wie groß wird denn ein Drache? Wie ich mich freue, dass du wieder bei mir bist!

Gromundar schnurrte behaglich, schubste Serafin grob um, dass dieser den Boden unter den Füßen verlor und kuschelte sich dann an ihn. Er war eben doch noch ein kleines Kind, das Liebe und Aufmerksamkeit brauchte.

Enttäuscht knurrte der Drache ihm hinterher als er sich schließlich wieder zu seinen Gefährten aufmachte.

Was ist mit deinem komischen Elbenfreund? Wird er dichthalten?

Serafin sah ihn schweigend an und drehte sich schließlich weg. Grom verstand auch so, dass Serafin gerade nicht sonderlich gut auf Nézal zu sprechen war, aber in seinem Herzen wusste er, dass sein Freund ihn nicht verraten würde. Und Grom erkannte das aus seinen verwirrten Gedanken. Bis morgen grummelte er und rollte sich ein. Dann war er auch schon eingeschlafen und Serafin konnte nun selbst beruhigt sein Nachtlager aufsuchen. Nézal kam ein paar Minuten später, als er sich niedergelegt hatte und ging neben Serafin in die Hocke.

,,Wie geht es ihm? Ist er wohl auf?” Serafin nickte zur Antwort und drehte sich von ihm weg. Er hörte wie sein Freund noch einige Sekunden neben ihm verweilte und sich dann leisen Schrittes wieder entfernte. Wie sollte das nur weitergehen? Der Gedanke drang nur noch schemenhaft in sein Bewusstsein und verblasste dann, um einem alptraumerfüllten Schlaf zu weichen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.06.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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