Andreas Max

Fünf Stunden Portugal


Ein strahlendblauer Sommertag im Jahre 1996. Ich stand gegen 15 Uhr im Reisebüro und staunte über die Billigflüge nach Faro. Ernsthafte Reisepläne hatte ich nicht – noch nicht. Wie so oft blieben leise Träumereien. Ich fuhr nach der Bummelei nach Hause und verbrachte einen ganz normalen Nachmittag.

Gegen 19 Uhr hatte sie mich, die Reiselust. Man müsste „Last Minute“ doch mal wörtlich nehmen. Auf dem letzten Drücker in den Flieger steigen und ab durch die Wolken dieser Welt. Kater Mäxchen kniff das rechte Auge zusammen, als ob er futterarme Zeiten schon ahnte. Doch ohne Katzenmama keine Reise für mich. Basta. Ich saß auf unserer Hofbank und litt erneut unter Fernweh. Zufällig traf ich das über mir wohnende Studentinnen Mädel. Petra führte in aller Ruhe ihr Meerschweinchen auf der Wiese spazieren. Kommunikazione! Alias Fragen kostet nix. Und siehe da… Die Fütterung meiner Katze für 14 Tage war gesichert. Futtergeld und Schlüssel wechselten den Besitzer.

Gegen 21 Uhr begann ich zu packen. Ein wilder Haufen Reisekram lag wie immer im Zimmer herum. Meine Packliste, nach jeder Reise ergänzt, war auch diesmal mein kleiner Manager. Sogar das blanko - Formular einer Reisekrankenversicherung fand ich in den Restposten vom letzten Jahr. Der Überweisungsschein war schnell ausgefüllt. Man weiß ja nie… Gegen Mitternacht verließ ich die Wohnung Richtung Flughafen. Und was erwartete mich? Natürlich! S - Bahn Pendelverkehr wegen Bauarbeiten. Ich hatte mal gelesen, das gefährlichste am Fliegen ist die Fahrt zum Flughafen. Also das Fluchen einstellen und Geduld bewahren. Ich hatte ja Zeit bis zum nächsten Morgen um 05:00 Uhr.

In der Abflughalle angekommen, mischte ich mich unter wartendes Flugvolk und versuchte ein wenig zu schlafen. Natürlich ging das daneben. Es blieb nur minutenlanges Abnicken mit Umfall in Richtung linker Nebenmann. Ach Du Schreck. Die Krankenversicherung schlummerte noch in der Jackentasche. Am Briefkasten meiner Hausbank war ich natürlich vorbei gerannt. Und was jetzt? Papierkorb? Nein! Ich warf kurzerhand das Formular in den Briefkasten. Ohne Umschlag. Mit einer Bleistift - Notiz auf einem Stück Zeitungsrand: ’Der unbekannte Postmensch möge dieses Sammelsurium in einen Umschlag stecken und der nächsten Sparkassen - Filiale zusenden.’ Eine Briefmarke zapfte ich am Automaten gleich nebenan. Und warf alles mit einer am Boden gefundenen Büroklammer gebunden in den gelben Briefkasten.

Gegen 04:00 Uhr kam Leben in das Flughafengebäude. Die Abfertigung begann. LTU öffnete einen Schalter. Ich schlich mich dorthin und fragte nach einem Ticket nach Faro. Ob die junge Dame noch keinen Kaffee getrunken hatte oder genauso müde war wie ich, weiß ich nicht. Sie musterte mich von oben nach unten und schüttelte nur den Kopf. Auch nach gezielter Nachfrage – KEIN - Ticket. Der Versuch am zweiten Schalter ging auch daneben. Sah ich aus wie ein Terrorist? OK. Ich war unrasiert und übermüdet. Oder hatte man es nicht so nötig in der Vorsaison? Da saß ich nun. Ohne Ticket, mit gepacktem Koffer für 14 Tage, abgekämpft und müde. Zu Späßen oder Fluchen war ich nicht mehr aufgelegt. Ich musste mit diesem Ergebnis rechnen. Also kein Grund zu Frust und Kummer.

04:45 Uhr brach ich diesen allzu spontanen Reiseversuch ab. Mein Kreislauf forderte endlich eine Mütze Schlaf. Ich schlenderte leicht benommen gen' S - Bahnhof Berlin – Schönefeld. Als EINZIGER in diese Richtung. Ein bissel blöde kam ich mir schon vor. Einzelne Reisende liefen schwer beladen an mir vorbei. Die hatten gottlob mit ihrem Gepäck zu tun. Auf dem Bahnhof eine kalte Cola aus dem Automaten – war meine Idee. Aber auch der war müde und verweigerte den Dienst. Mehrere Deutsche Mark Stücken polterten 10 x erfolglos durch alle Kanäle dieser Blechmaschine und landeten greifbar im Ausgabefach. Man soll eben nicht immer etwas haben wollen. Keine Cola. Kein Ticket und saumüde. Die erste S-Bahn kam…

Als der warme Tag gegen 6 Uhr langsam aus der Knete kam, lag ich bereits zu Hause im Bett. Der Katzenfrau pinnte ich noch schnell einen Zettel an die Tür: ’Bitte nicht wundern. Bin wieder zu Hause. Kein Ticket bekommen’. Kurzzeitig hatte ich das Gefühl einer großen Reise. Draußen begann ein sonniger Tag erst mal ohne mich… Irgendwann kriege ich Dich – Portugal. Länger als für diese fünf Stunden am 6. Juni 1996.

Ich war Optimist, weil der 1. Flug nach Faro um 05.00 Uhr, der 2. Flug nach Faro um 05.05 Uhr und der 3. Flug nach Faro um 05.35 Uhr ohne mich abgefertigt wurden. Und ich winke 3 x hinterher. Von wegen Last Minute...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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