Anja Christmann

Die erste halbe Stunde

7.00 Uhr der Wecker hat schon das zweite mal geklingelt, das ist das Zeichen, nun muss ich endlich aufstehen. Ich verbeiße mich krampfhaft in mein Kissen, versuche den Wecker zu ignorieren, weil das kann eigentlich nur ein Traum sein, ich bin eben erst ins Bett, dass das Ding schon wieder trötet. “Trööt, trööt, trööt..... Ich blinzele neben mich auf den Nachttisch .... neee, kein Traum, 7.00 Uhr zeigt das grellrote Display, aufstehen ist angesagt, nützt auch heute nichts den Wecker mit sanften, fast hypnotischen Worten zu beschwören, es wäre erst 5.00 und ich dürfte noch weiter schlafen. Mann ist der stur, gönnt einem aber auch garnichts, „Wart nur, demnächst landest du beim Sperrmüll, dann kannst du tuten bis du platzt. Sooo...!!
„Maamaaa“, brüllt es von der einen Ecke, quer durch die Wohnung nach hinten ins Schlafzimmer. „ Wo sind meine Deutschland-Socken? Heute spielt doch Deutschland gegen Amerika“, mein Sohn ganz entrüstet, „da kann ich doch nicht ohne meine Deutschland-Socken in die Schule. Wenn ich ohne meine Socken ...., dann verlieren die doch!!!“ Mamaaa??? Mammaa?
Gebeugt, über den Wäschekorb mit den Socken, welche ich gestern noch aus dem Trockner nahm, wühlte ich nach den Deutschland-Socken , ich konnte schliesslich nicht verantworten, dass die National-Elf ihr Spiel versaut, nur weil mein Sohn seine Socken nicht anhat.“ Haaa, hab ich dich“, das war der erste, da kann der zweite nicht weit sein,“ dachte ich noch , sortierte und suchte vor und zurück, in dem Berg Socken , doch er blieb verschollen.“ Sorry, mein Sohn aber ich hab nur einen“, nimm doch die Bayern-Socken, immerhin etwas. Fussball ist Fussball und Socken sind Socken, oder? „Maammmaa, aber heute spielt DEUTSCHLAND!!! nicht Bayern !!“ , Tränen der Verzweiflung in den Augen meines Sohnes, ich kipp den Korb aus ..... breite den ganzen Inhalt auf dem Boden aus, kein schwarz-rot-gelber Strumpf in Sicht, wetze nun panisch zum Trockner, vielleicht isser ja noch drin. Trockner auf, Wäsche raus in einen anderen Korb, davon haben wir ja genug (rote runde mit Lochmuster, weisse eckige ohne Lochmuster, hellblauer Korb mit abgerissenem Henkel, Bahamabeige mit Füssen........ ) ähem ja, die Socken, genau. Aber da waren nur T-shirts, keine Socke. „Tut mir leid mein Schatz heute müssen die wohl ohne deine Socken spielen, jetzt zieh halt die an,“ und halte ihm Digimon, Bayern und noch ein paar von den neuen dunkelblauen hin zur Auswahl. Ich sehe genau, an dem Gesicht meines Sohnes, wann er sich mit Wutkrämpfen in die Ecke schmeisst. Jetzt.
Ich geh schon mal Brote schmieren, 6 Scheiben Brot, 3 Scheiben Salami, 3 Scheiben Käse, alles nach der reihe: Brot – Salami – Käse - Brot....... in die Boxen, blaue mit Pokemons für die Jungs, die gelbe mit der Barbie für Mädchen.
„Maammaaa“ , höre ich „ ich will aber die deutschl....“ „ Mamiii? Ist das da meine? Mit der Barbie ? Meine Liebsingbox?“ piepst es von links. „Mama? Hast du mal 2 Euro? Dröhnt es von hinten rechts. „Gua,Gua......Hallo, Mama, Papa oller düdeldüblablü sabbelt der Kleinste“ (wenigstens weiß der nicht was Socken sind) 2 Euro mal 30 Tage macht 60 Euro ( =120 Mark waren das mal ) geht es mir durch den Kopf. Laut höre ich mich sagen „Nicht schon wieder, ich hab keine Münzen und außerdem.........“ er hört mir schon gar nicht mehr zu. „Mami? kann ich die gleichen Hosen anziehen wie Lucia? So lillane mit .........?“ piepst es nun von rechts.“ Kind wir haben solche Hosen nicht „ ich will aber auch so lillane....“ (wo soll ich jetzt lillane Hosen, egal ) „ Schau mal Maus, ich hab hier dein Lieblingskleid!“ „Ooh, wie schön mein Liebsingkleid...“ hüpft sie davon. Wenigstens eine die sich freut. Kurzer Blick, 7.25 Uhr,“ ihr müsst jetzt los. Eure Brote nicht vergessen, hast du dein Schlüssel ?dein Sportbeutel? „ Jaa, aber ich will die Deutschl...“ „ Ich hab nur den einen, und ich weiss nicht wo der zweite ist!“
(Wahrscheinlich frisst die Socken unsere Waschmaschine oder der Trockner)
Beleidigt schleicht er sich zu seinen Schulsachen, um dann mir noch mal einen vorwurfsvollen Blick zu schenken. (Er tut mir ja leid, ich bin mir sicher, das ich die blöde Socke in den Trockner habe....)
„Sei bitte so lieb, und nimm deine Schwester mit, in den Kindergarten.“
„Nur, wenn ich meine Deutschland...“
Ich halt mir jetzt die Ohren zu, ich kann es nicht mehr hören.
„Los geh! Sonst ist es zu spät, und dann klingelt es zur ersten Stunde .... bla, bla“
Die Tür fällt ins Schloss,. Jetzt sind Sie mal wieder auf dem Weg. Geschafft.
Eine Ruhe überfällt mich. Stille in der Wohnung.
„Gua labalülodada?“ er sitzt mittlerweile,, mit einer Banane in seinem Hochstühlchen, grinst verschmitzt und freut sich, dass der Zucker aus der Zuckerdose sich so schön mit der Banane vermanschen lässt. Das hält doch viel besser in den Haaren als jedes Gel, von Drei – Wetter – Taft!
Ich lass mich auf den nächsten Stuhl plumpsen, trinke endlich mal meinen Kaffee, den ich mir zwischen durch noch gekocht habe, und stelle mal wieder fest das es jetzt zu ruhig ist. Radio an, Staumeldungen, Nachrichten und dann folgt etwas Musik. Als mein Blick langsam zum Schuhschrank schweift, wo noch die Sandalen meiner Tochter, die Barbiepuppen samt Pferden und Kutsche liegen. Ausnahmsweise mal nicht wild über und untereinander, nein sie hat sie in die Kutsche gelegt, zugedeckt,............mit.........nee oder? Ich traue meinen Augen nicht. Mit der fehlenden Deutschland Socke meines Sohnes. Fürsorglich um die Taillen der Puppen gewickelt. Damit Hochzeitsbarbie und Sternschnuppenbarbie nicht frieren, (32° C in Heidelberg , 34°C Mannheim am Wassserturm....... meldet gerade der Radiosprecher) Deutschland verliert heute damit Barbie nicht friert ?! Ironie des Schicksals? Ich fühle definitiv, ein klitzekleines, hysterisches glucksen in meiner Kehle.

Autor: Anja Christmann

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.07.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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