Natascha Meyer

Ein Neuer Anfang

Ein kurzes brummen und der Bus setzt sich in Bewegung. Erst jetzt, wo ich hinter mich schaue und die Straße entlang fahre, weiß ich dass es das Richtige ist, was ich tue.

 
Außer mir fahren noch drei weitere Personen in dem Bus mit. Eine ältere Dame, zwei Reihen vor, mit ihrem Cocker Spaniel. Sie hält die Hände schützend um den kleinen Hundekörper. Die Finger dünn und zerbrechlich und die Haut zeigt viele Falten. Ihre Nägel sind brüchig und gelb.

Doch ihr Gesicht strahlt und ihre Augen glänzen.

 
Vorne bei dem Fahrer steht ein junger Mann. Ich kenne ihn. Er ist etwas zurück geblieben, was man aber auf den ersten Blick nicht sofort erkennt.

Nachdem ich den Bus bestiegen hatte, stotterte er meinen Namen und begrüßte mich auf seine ganz eigene herzliche Art. Er streckte mir seine Hand entgegen und ich schüttelte sie. Er lachte und freute sich. So wie nur er es kann. Und niemand sonst.

 
Schräg gegenüber von mir, sitzt ein kleines Mädchen. Sie trägt einen Schulranzen bei sich.

Ihre Hände hält sie wie eine Schale vor sich. Sie hebt ihren Kopf und ein Teil der Haare fällt ihr ins Gesicht.

Verlegen lächelt sie mich an. Mir fällt es nicht leicht, doch ich erwidere es. Dann widmet sie ihre ganze Aufmerksamkeit, wieder dem kleinem Geheimnis in ihren Händen.

 
Ich schaue aus dem Fenster und merke wie ich förmlich, Meter für Meter, meine ganze Vergangenheit hinter mir lasse. Es ist eine bedrückendes, jedoch auch ein erleichterndes Gefühl. Wie das Zusammenspiel von  Liebe und  Leid.

Man kann jemanden lieben und doch gleichzeitig darunter leiden.

 
Ich schließe meine Augen und spüre wie mein Herz schlägt. Eine leichte Brise weht durch den Gang und ich bekomme eine Gänsehaut.

Langsam öffne ich die Lider und sehe, dass das kleine Mädchen und die ältere Dame nicht mehr im Bus sitzen. Wie schnell die Zeit vergeht, wenn man nicht drauf achtet.

Die Sonne wechselt von einem orange-gelblichen Ton zu einem Blutrot. Alles erscheint wie in Farbe getaucht. Ich streiche mir sanft übers Gesicht.

Bei jeder kleinsten stärkeren Berührung, zucke ich zusammen.

 
Das Handy klingelt. Mein Herz schlägt schneller. Ich traue mich nicht aufs Display zu schauen. Ich habe Angst und doch hoffe ich insgeheim, dass er es ist und mich anfleht zurück zu kommen.

Ich nehme das Handy in meine zitternde Hand. Er ist es!

Es läutet weiter. Ich weiß er wird sauer, wenn ich nicht rangehe.

Abnehmen oder wegdrücken?

Es schmerzt.

So sehr, dass mir Tränen über die Wangen laufen. Ich schaue hoch und schluchze etwas. Keiner bemerkt es.

Ich drückte auf die rote Taste.

Er wird ausrasten.

 
Meine Augen sind gerötet und ich tupfe sie mit einem Taschentuch trocken. Draußen sehe ich die nächste Haltestelle. Ich nehme meine Tasche und laufe in die Mitte des Busses.

Er wird langsamer und kommt kurz daraufhin zum halten und beim hinausgehen höre ich noch ein freundliches „Auf Wiedersehen“.

 
Vor mir ist ein kleiner Antiquitätenladen. Ich laufe auf das Schaufenster zu und erkenne schon von weitem mein entstelltes Gesicht.

Das bin nicht ich!

Meine Augen sind blau geschlagen. Meine Nase ist gebrochen. Überall sind Pflaster und violette Flecken.

Mein ganzer Körper sieht verprügelt aus. Beim hinschauen tut es noch mehr weh.

Ich trete vom Fenster zurück, greife in die Tasche und ertaste kühles Metall.

Der Schlüssel liegt leicht in meiner Hand und ich betrachte ihn einen Moment.

 
Die Straßenlampen brennen und werfen lange Schatten. Ein Blick auf die Uhr und ich mache kleine und zögerliche Schritte.

Meine innere Stimme drängt mich schneller voran zugehen. Diesmal höre ich auf sie.

Ich schaue mich um. Alles hat sich verändert. Die Bäume, Häuser, Straßen, Geschäfte, Wege.Aber es ist dennoch so vertraut.

 
Und dann sehe ich es. Der Garten mit den Rosen Büschen. Dem weißen Zaun und der gleichfarbigen Veranda. Der Rasen in einem satten grün und die Bäume hoch gewachsen. Ich gehe durch das Gartentor und halte noch einmal inne.

Ich richte meinen Blick gen Himmel und schließe die Augen. Der Duft aller Blumen umringt mich. Es wird besser, sag ich mir.

Ich fühle Tropfen auf meiner nackten Haut. Doch es stört mich nicht. Lange ist es her, dass ich mich so wohl gefühlt habe, wie jetzt in diesem Moment.

 
Die Tropfen gehen über zu einem warmen angenehmen Strom. Meine Kleidung zieht sich zusammen und liegt eng am Körper. Die Pflaster lösen sich und der Regen prasselt auf meine Wunden.

Ich strecke meine Arme, wie ein Vogel seine Flügel. Nur kann ich nicht wie er einfach davon fliegen.

Ich bleibe für ein paar Minuten in dieser Position und fühle mich frei.

 
Dann merke ich es. Ein Blick. Ich lasse die Arme sinken und neige den Kopf nach unten. Ich wische mir den Regen aus dem Gesicht und schaue nach vorn.

Die Haustür ist auf und vor ihr steht jemand. Ich zögere einen Moment. Und dann ist es auf einmal so als würde die Last, von vielen schrecklichen und unterdrückten  Jahren, einfach von mir fallen.

Wir sehen uns an. Niemand sagt etwas.

Wir verstehen uns auch ohne Worte.

Also, denkt immer daran Zuhause ist es immer noch am schönsten!   

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.07.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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