Sebastian Seemann

Timmy und die Monster

Timmy spuckte ins Becken, säuberte die Zahnbürste und stellte sie
zurück in seinen Zahnputzbecher. Das Christie-Cross-Gesicht auf dem
Becher entblößte ein strahlend weißes Gebiss.
"Drei mal putzen am Tag hält die Zähne stark", plärrte der
Lautsprecher. Timmy wusste, dass Christie Cross alles wusste und immer
Recht hatte, also hielt er sich daran. Aber die echte Christie Cross
war nicht da, deshalb konnte sie ihm zu dem Problem, das er jetzt
hatte, keine Tipps geben.

"Ma, da ist ein Monster unter meinem Bett", sagte Timmy, als seine Ma ins Badezimmer kam, um nach ihm zu sehen.

Sie tupfte ihm lächelnd die Zahnpastareste vom Mund. Dann nahm sie
ihn auf den Arm. Gemeinsam schauten sie durch seine offenstehende
Zimmertür. Die leuchtenden, tellerrunden, roten Augen unter dem Bett
waren verschwunden, dabei hatte Timmy sie gerade noch gesehen. Timmy
wusste, dass das Monster schlau war. Sicher hatte es seine Augen
geschlossen, als es Ma bemerkt hatte, um sich nicht zu verraten. Nur
der Wind, der durch das geöffnete Fenster hereinblies, zauste leicht an
den Ecken von Timmys Bilderbüchern. Die Abendsonne stand tief und warf
die Umrisse des Teddybären, der auf dem Bett saß, als bedrohlichen
Schatten auf die Tapete.

"Nein Timmy, das ist kein Monster. Das ist nur Mr. Bär, siehst
du?", sagte Ma, deutete auf das Stofftier und schloss das Fenster. Als
sie mit einem Knopfdruck die Jalousien herabließ, verschwanden Mr. Bärs dunkle Schemen von
der Wand.

"Aber Ma", quengelte Timmy, der sich vor der Zimmertür hatte absetzen lassen,
"ich hab ein anderes Monster gesehen. Es ist unterm Bett. Es hat ganz große, runde Augen und ..."

"Meinst du nicht, dass du langsam ein bisschen zu alt für diesen Monsterquatsch wirst?"

Keiner von beiden hatte bemerkt, wie Pa die Treppe heraufgekommen
war. Die große Ader auf Pas Stirn pochte, wie immer, wenn er sehr
wütend war. Pa mochte es nicht, wenn Timmy von Monstern sprach.
Eigentlich wurde er fast nie wütend, aber wenn, dann ...

"Du willst doch bestimmt nur wieder in unserem Bett schlafen. Wie
sieht denn das aus, wenn ein Fast-Schulkind noch bei Mama und Papa im
Bett liegt, hä?"

"Aber Paul, so groß ist er doch noch gar nicht."
Wieder strich Ma Timmy durchs Haar und drückte ihn an sich.
Normalerweise hätte Timmy protestiert, aber jetzt war es ihm egal, was
Ma glaubte, wenn er die Nacht nur nicht über dem Monster verbringen
musste.

"Aber Pa hat Recht, du solltest lernen, in deinem eigenen Bett zu schlafen."

Timmy wollte etwas erwidern, aber Ma ignorierte seine Einwände,
drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und seine Lolli-Box in die Hand.
Dann zuckte sie grinsend zusammen, weil Pa ihr an den Hintern grabschte
und schubste Timmy einfach in sein Zimmer. Er fiel hin, und bevor er
wieder auf den Beinen stand, drehte sich hinter ihm der Schlüssel im
Schloss.


"Hi Timmy", sagte das Monster. Riesige, tellerrunde, rote Augen
stachen aus der Schwärze unter dem Bett. Die Stimme des Untiers
knarzte, als ob es durch ein Dosentelefon sprach. Es stieß seine
langen, haarigen Arme nach vorne und zog sich unter dem Lattenrost
hervor. Timmy riss die Augen auf.

Das Scheusal war blau und hatte schwarze, buschige Augenbrauen und grüne Eckzähne, die wie Nadeln aus seinem Gesicht spießten.
"Was meinst du", fragte das Monster, kam ganz nah und blies Timmy
seinen fauligen Atem ins Gesicht, "schmeckt dein Kopf besser oder deine
Beinchen?"

Die lilafarbene Zunge schleckte in freudiger Erwartung über die
wulstigen Lippen und schließlich auch über Timmys Gesicht, wie um
dessen Geschmack zu prüfen. Timmy spürte einen Kloß in seinem Hals und
trommelte mit den Fäusten gegen die Tür so fest er konnte. Aber hinter
der Tür war nur das gleichmäßige, gedämpfte Stöhnen von Ma und Pa.


"Ma! Ma!" Der Kloß in seinem Hals brach heraus und Tränen liefen
ihm über die Wangen. Das Untier lachte, es klang wie zwei
aufeinanderschabende Metallplatten.

"Deine Eltern können dich nicht hören, mein kleiner Leckerbissen."

Das Monster hatte ihn zwischen der Tür und seinem Körper eingepfercht.
"Du hast aber einen seltsamen Nachgeschmack, lass mich noch mal
kosten." Wieder fuhr Timmy die raue Zunge übers Gesicht. Timmy schloss
die Augen, sein Herz raste wie wild, er spürte schon, wie die Eckzähne
in seine Wange stachen, als das Scheusal plötzlich einhielt und ihn
losließ. Es hatte sich in Grünliche verfärbt und spuckte angewidert
aus.

"Lollis?!", brüllte es, "Lucky Lollies?" Das Gesicht des
Ungeheuers war von Angst verzerrt, als hätte es sich selbst im Spiegel
gesehen.

"Kinder, die diese Lollis essen, sind Gift für jedes Monster!",
sagte das Monster wie in der Fernsehwerbung, sah Timmy vorwurfsvoll an
und ließ vor Entsetzen sein Maul ein großes Stück weit aufstehen.
Timmy zog die Nase hoch und ergriff die Gelegenheit. Er warf der blauen
Bestie einen rotierenden, roten Lucky Lolli aus seiner Box in den
Schlund. Das Untier schluckte ihn aus Reflex mitsamt dem Stil, dann
kotzte es eine gelbe Brühe aus, die sich blubbernd in den Teppich fraß.
Aufgeregt lief es im Zimmer herum und schrumpfte unter leidigem Gejaul
immer weiter zusammen. Schließlich floh es in ein kleines Loch in der
Wand. Das Loch war so klein, dass Timmy es vorher noch nie bemerkt
hatte, aber das Monster passte hindurch.

"Warte nur, bis dir die Lucky Lollies ausgegangen sind", rief es
Timmy nach. Seine Stimme war so hoch, als hätte es eine ganze Scheune
Heliumballons eingeatmet, und gar nicht mehr bedrohlich. Timmy schlug
das Herz bis zum Hals. Schnell schob er die Kiste mit seinen Bausteinen
vor das Loch und sank erschöpft auf den Fußboden.


Das Zimmer zerfloss in einen bunten Strudel, der ihn verschluckte.


Er schlug die verklebten Augen auf. Die Gesichter, die ihn
verschwommen durch die von seinem Atem beschlagene Glasscheibe
anlächelten, gehörten Ma und der Kindergärtnerin. Die Scheibe fuhr zur
Seite. Er spürte, wie die Saugnäpfe von seinem Schädel abgezogen
wurden. Aus der Hand der Kindergärtnerin hingen die Kontakte mit den
Saugnäpfen an den Kabelsträngen im künstlichen Licht wie ein metallenes
Mobile. Die Kindergärtnerin blieb zurück, so dass sich Ma Timmy mit dem
Vorhang vor den Blicken von ihr und anderen fremden Leute schützen
konnte. Danach wurde der nackte Timmy von ihr aus seinem Metallkokon
gezogen.

"Warum hast du mich mit dem Monster eingesperrt, Ma?", brüllte
Timmy und drückte sich fest an das neue Business-Kleid seiner Mutter.
Sein Gesicht hinterließ dort eine dunkle, feuchte Stelle.
"Es wollte mich fressen, und, und ..."
Ma strich Timmy über den Kopf, während er weiter weinte und auf sie einredete.

"Ist ja gut", beruhigte sie ihn. Mrs Stephenson, die Kindergärtnerin,
schien ihren fragenden Blick auch ohne Sichtkontakt zu spüren und
setzte die Unterhaltung über den Vorhang hinweg fort.

"Es kann ab und zu schon vorkommen, dass ein Kind sich erst an die
neue Methode gewöhnen muss. Wenn er Alpträume bekommen sollte, ist das
zu Anfang ganz normal. Das bekommen wir schon hin".

Schließlich hatte Timmy sich so weit beruhigt, dass Ma ihn absetzen und ihm beim Anziehen helfen konnte.
"Ich weiß nicht - ich werde darüber noch einmal mit meinem Mann reden müssen."

Als Timmy wieder in seiner Kleidung steckte, öffnete seine Ma den
Vorhang und stöckelte mit ihm auf dem Arm zurück auf den Parkplatz.

"Tun Sie das. Auf Wiedersehen, Mrs Stephenson."

"Auf Wiedersehen, Mrs Miller. Vielleicht bis Morgen, Timmy."


Der Parkplatz kochte unter der Sommersonne, aber der Gleiter stand
im kühlen Schatten einer alten Buche. Nachdem Ma Timmy auf dem Rücksitz
verstaut hatte, wies sie sich mit einem Fingerabdruck aus und drückte
auf die Zündung. Surrend hob der Gleiter ab, am Meer mit seinen Reihen
von mit Windkraftwerken besetzten künstlichen Inseln vorbei. Aus der
Ferne sah es ein bisschen aus, als ob ein Bauer Windmühlen anbaute. Auf
den Hauptluftwegen war die ganze obere Spur frei, so dass sie die 300
Kilometer nach Hause in einer Viertelstunde schafften.


"Muss ich morgen wieder in den Kindergarten, Ma?", fragte Timmy,
als sie vor dem Haus landeten, in dem er mit seinen Eltern und seiner
großen Schwester Lara wohnte.

"Nein", sagte Ma, während sie den Sicherheitsgurt löste und Timmy
an der Hand auf die Haustür zuführte, "du musst nie mehr in den
Kindergarten."

"Gut", sagte Timmy.

"Weißt du auch wieso?", fragte Ma und ihre Stimme bekam einen
seltsam metallischen Klang. Timmy sah sie nur erschrocken an und sagte
nichts.

"Weil du schon so lange keinen Lolli mehr gegessen hast, dass wir Monster dich wieder fressen können."
Die Haustür öffnete sich und darin stand das Ungeheuer. Es trug Pas
Anzug und seine schwarze Lieblingsmelone. Als es Timmy sah verbog es
das Maul zwischen seinen Eckzähnen zu einem fiesen Grinsen.

"Ma, hör auf. Halt an!", Ma ignorierte ihn und zog ihn immer
weiter. Blaue Haare schossen aus ihrer Haut und Eckzähne aus ihrem
Gesicht. Das Monster in der Tür wartete, und als Timmy nahe genug war,
schnappte es ihn mit seinen Pranken. Timmy zappelte und brüllte. Das
Scheusal lachte und sperrte sein Maul auf. Timmy sah in gewaltigen
Reihen von spitzen Zähnen über einem unendlichen Schlund und dachte an
seinen rettenden Lutschervorrat, den er dem Monster jetzt in den Rachen
werfen wollte und den er auf dem Rücksitz liegen gelassen hatte.
Dann verblasste die Szene.


"Timmy, Timmy, das war gar nicht gut", sagte die Christie-Cross-Puppe
ein wenig traurig und schüttelte bedauernd den Kopf. Aber gleich darauf
lächelte sie aufmunternd. Timmys Herz pochte in seiner Brust, als wäre
er zwei Stunden lang gerannt.

"Aber es ist ja dein erster Tag, da kann man noch nicht alles wissen."

Die Augen der Puppe leuchteten in einem strahlenden Grün. Christie
Cross wusste alles, sogar Timmys Lieblingsfarbe. Grün wie die Wiese,
auf der Timmy immer mit seinem kleinen Hund Robby herumtobte. Grün wie
die Augen, mit denen Kayla ihn gerade abschätzend musterte. Auf der
Tafel war noch zu sehen, wie das Monster genüsslich Fleischreste von
Timmys Knochen kaute.
"Wisst ihr, warum das Monster Timmy gefressen hat?"

Kayla und ein paar andere Kinder streckten schnell den Zeigefinger nach
oben. Die Christie-Cross-Puppe nickte Kayla zu, dabei quietschte leise
das Gelenk in ihrem Hals.

"Weil er seine Lucky-Lolli-Box vergessen hat", sagte Kayla. Es klang wie eine

Anklage. Dabei verzog sie ihr Gesicht, so dass die Sommersprossen um ihre Nase noch ein wenig näher zusammenrückten.

Christie Cross lächelte. "Das ist richtig, Kayla." Ihre Augen
nahmen ein dunkles Blau an. Blau wie das Meer, in dem die Delfine
wohnen, dachte Kayla und fühlte nach dem Delfinbilderbuch, das auf
ihrem Schoß lag.

"Warum noch?"

Ein kleiner blonder Junge druckste auf seinem Stuhl herum.

Die Christie-Cross-Puppe drehte ihm quietschend den Kopf zu.

"Weißt du es, Phillipp?"

Phillipp nickte mit dem Kopf und schwieg.

"Warum denn?" Die Christie-Cross-Puppe lächelte aufmunternd.

Phillipp schaute an der Puppe vorbei, während er antwortete, als wäre es ihm unangenehm.

"Weil er gedacht hat, dass seine Mami kein Monster sein kann."

"Richtig", sagte Christie Cross, zog die Mundwinkel noch weiter
nach oben als gewöhnlich und zeigte ihre
"drei-mal-putzen-am-Tag"-Zähne.

"Du hast ja wirklich viel gelernt, Phillipp."

Als Phillipp wieder zu ihr sah, waren Christie Cross' Augen
kornfarben, kornfarben wie das Haar von Phillipps Ma, die vielleicht
ein Monster war.


Dann war Kayla an der Reihe mit dem Traumspiel. Ihr Körper blieb
steif auf dem Stuhl sitzen und starrte stumpf geradeaus, während die
anderen Kinder ihre Erlebnisse auf der Tafel verfolgten. Die Monster
hatten sich bei ihr einmal im Kühlschrank versteckt und eines sah aus
wie ihre Oma, bevor das Gesicht über dem riesigen Monsterschädel in
tausende Fetzen zerriss, die langsam auf den Boden segelten. Anders als
Kayla sahen die anderen Kinder das schon, bevor das Spiel begann. Als
Kayla im Spiel etwas aus dem Kühlschrank holen wollte, legte sie ihre
Lutscherbox auf den Küchentisch.

Blöde, doch nicht so oberkluge Kayla mit den grünen Augen, dachte
Timmy und grinste in sich hinein. Vielleicht erwischte das Monster sie
jetzt auch. Aber als das Monster aus dem Kühlschrank sprang und an ihr
roch, rümpfte es nur die Nase und lief angewidert vor ihr davon.

"Warum hat das Monster Kayla nicht gefressen?", fragte die Christie-Cross-Puppe.

Timmy fiel sofort sein eigenes Erlebnis mit dem Monster wieder ein.
"Weil sie vorher rechtzeitig einen Lolli gegessen hat", rief er dann einfach in die Runde.

"Richtig." Christie Cross lächelte grünaugig.
"Sehr gut." Auf der Tafel war schon die zweite Szene zu sehen.
Kayla redete mit ihrer Oma. Es ging darum, warum ihre Eltern damals
gestorben waren. Die Oma erzählte etwas von einem Gleiterunfall. Sie
schienen beide traurig zu sein, hielten sich in den Armen und weinten.
Zur Belohnung für ihre richtigen Antworten bekamen Timmy und Phillipp
einen Lucky-Lolli-Monsterblaster. Der Lutscher war so groß, dass er
kaum in Timmys Mund passte und an seinen Zähnen schabte. Er hatte einen
Knopf, mit dem man die süße Kugel surrend im Mund rotieren lassen
konnte. Im Tafelvideo schrie Kayla erschrocken auf, als aus ihrer
Großmutter, die Kayla immer noch auf dem Schoß hatte, ein Monster
schlüpfte. Kayla griff reflexartig nach ihrer Lollibox, aber sie war
leer. In dem Film auf der Tafel biss das Monster Kayla den Kopf ab.
Timmy war plötzlich gar nicht mehr nach Lachen zumute.

"Was hat Kayla falsch gemacht, Kinder?", fragte Christie Cross, als Kayla wieder zurück in ihrem Körper auf dem Stuhl war.
"Ihre Box nicht rechtzeitig aufgefüllt", antworteten die Kinder im Chor.
"Und was noch?"

"Sie hat gedacht, dass ihre Oma kein Monster sein kann", flüsterte Phillipp.
Er war so weiß wie das Stück Kreide, das auf der Ablage unter der Tafel lag.

Kaylas Körper starrte nur vor sich hin, so als ob Kayla immer noch im Traumspiel war.


"Ich weiß gar nicht, was du hast", sagte Timmys Pa am Handy in der
realen Welt zu Timmys Ma, die aufgeregt auf ihn einredete, "nur weil es
ungewohnt aussieht, ist es deshalb nicht schlecht für ihn".
"Du hättest das sehen sollen, Paul", sagte Timmys Ma, "sie haben ihn
nackt ausgezogen und Elektroden an seinem Kopf befestigt wie bei einem
Affen im Labor. Bei allen diesen Kindern."

"Die Elektroden sind halt ihre Methoden, ihm was beizubringen. Was
sollen sie sonst tun, während er schläft, gut auf ihn einreden?"

"Nein, aber ..."

"Er erhält die beste Ausbildung, die es im Vorschulalter gibt",
sagte Timmys Pa, "Schreiben, Rechnen, Algebra, Naturwissenschaft ...
Alles schon vor der Grundschule."

"Hör auf, mir aus den Prospekten vorzulesen", sagte Timmys Ma.
"Ich weiß nicht, ob das richtig für ihn ist. Gute Ausbildung hin oder
her."

"Immerhin", meinte Timmys Pa, "können wir so die ganze Zeit als
Computersimulation bei ihm sein und brauchen kein schlechtes Gewissen
zu haben, weil sie uns aus seinen Erinnerungen naturgetreu
rekonstruieren. Für ihn ist es, als ob wir wirklich da wären. Und du
kannst dich endlich ganz deinem Job widmen."

"Ich hab gesagt, hör auf damit. Ich habe einfach kein gutes Gefühl dabei."

"Meine Mittagspause ist zuende", sagte Timmys Pa.
"Lass uns heute abend noch einmal in Ruhe darüber reden. Wir können
dann ja auch den Kleinen fragen, wie ihm sein erster Tag dort gefallen
hat. Bis dann."

"Bis dann."


In Timmys Welt zählten die Kinder Lollis und Monster. Timmy war gut darin. Die Christie-Cross-Puppe sah ihn an.

"Du hast nur noch einen Lucky Lolli. Drei Monster kommen auf dich
zu. Wie viele Monster bleiben übrig, wenn ein Monster deinen Lolli
isst?"

Timmy stellte sich vor, wie die Monster auf ihn zukamen, wie eines
den Lolli aus seiner Hand fraß und dann zusammenschrumpfte und
verschwand. Er zählte in seinem Kopf noch zwei Monster.
"Zwei!", rief er.
"Richtig", sagte die Christie Cross Puppe. "Sehr gut." Die Puppe ging
weiter im Kreis und stellte die Aufgabe immer mit verschieden vielen
Monstern und Lollies.


Als Mrs. Miller ihren Sohn am Abend seiner ersten Kindergartentages
in der realen Welt abholen kam, ging sie noch ein wenig durch die große
Halle, während Timmy aus seinem künstlichen Schlaf aufgeweckt wurde.
Die beängstigenden Zuckungen, die er dabei vollführte, konnte sie nicht
ertragen, aber die Kindergärtnerin hatte ihr versichert, dass das
völlig harmlos war. Sie war nicht überzeugt, aber was blieb ihr anderes
übrig, als zu warten?


In Timmys Kokonbatterie waren mittlerweile die meisten Kokons leer.
Obwohl Mrs. Miller sich bemüht hatte, früh von der Arbeit wegzukommen,
hatte sie es nicht so früh geschafft wie erhofft.

"Wir wären dann soweit", rief die alte Kindergärtnerin. Mrs Miller
ging zurück zu dem Kokon, in dem ihr Sohn lag. Timmy blinzelte unter
der von seinem Atem beschlagenen Glasscheibe. Die Kindergärtnerin
entfernte die Scheibe und dann auch die mit Saugnäpfen versehenen
Kontakte, die schließlich alle lose an den Kabelsträngen in ihrer Hand
hingen.
"Wie ein metallenes Mobile", dachte Mrs. Miller und lächelte ihrem Sohn
zu. Timmy sah sie an, als wüsste er nicht, was er von ihr halten
sollte.
"Was hast du, Schatz?", fragte sie besorgt.

"Wo ist meine Lolli Box?"

Mrs. Miller lachte.
"Im Gleiter. Ich glaube, ich hab sie mitgebracht."

"Okay. Gut", sagte Timmy und beschielte sie weiterhin misstrauisch.

Sie zog den Vorhang zu und half Timmy beim Anziehen.

Dann stiegen sie in den Gleiter, der auf dem Parkplatz in der
Abendsonne unter der alten Linde stand. Timmy fand seine Lollibox und
atmete erleichtert auf, als noch einige Lutscher darin waren. Sofort
schob er einen in den Mund.

"Willst du auch einen Lolli, Ma?", fragte er und lauerte.
"Nein danke, ich will nicht dick werden", sagte Ma, während sie am Steuerknüppel drehte und den Gleiter auf den Weg brachte.

"Oh, okay", sagte Timmy und zog auf dem Rücksitz ein Gesicht. Fast die ganze Rückfahrt über schwieg er.
"Und, wie hat es dir im Kindergarten gefallen? Willst du morgen
wieder hin?", fragte Ma, als sie an den Windmühlenfeldern
vorbeizischten. Timmy dachte daran, was beim letzten Mal passiert war,
als er gesagt hatte, dass er den Kindergarten nicht mochte. Und das tat
er überhaupt nicht, obwohl Monsterzählen Spaß machte.

"Ja, gerne", sagte er trotzdem und sein Herz schlug ihm auch mit
dem Lucky-Lolli-Lutscher mit Kirschgeschmack im Mund bis zum Hals, als
seine Ma ihn auf die noch verschlossene Haustür zuführte.

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Der Beitrag wurde von Sebastian Seemann auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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