Maria Peters

Vergangenheit (2. Kapitel)

 
2. Vergangenheit
 
„Miss Jones. Wir brauchen Ihre Hilfe…!“
Der alte Mann war vorgetreten. Der Junge mit den braunen Augen, die Cassie förmlich durchbohrten mit ihrer Tiefe und der Trauer, die sie darin las, blieb an seiner Stelle stehen.
„Haben Sie einen Moment Zeit?“, machte der Alte weiter, doch Cassie war unfähig zu antworten.
Plötzlich hörte sie Geräusche hinter sich und sie wandte sich schlagartig um.
Sie sah ihre zwei Kinder, die im Flur standen und gebannt auf die unbekannten Männer starrten. Beide sahen leicht verängstigt aus.
Cassie ließ sie noch nicht einmal zu Wort kommen.
„Ab in eure Zimmer!“, sagte sie in einem forschen – schon fast zu forschen – Tonfall. „Sofort!“
Alex war den Tränen nahe, doch er rannte in sein Zimmer, gefolgt von Mimi.
Als sie die Tür knallen hörte, drehte sie sich wieder zu den Männern, die, wie es ihr jetzt erst auffiel, gänzlich in Schwarz gekleidet waren.
„Was wollen Sie hier?“, fuhr sie den älteren Mann von beiden an. „Vor allem, um diese Zeit?“
„Mit Ihnen reden. Es gibt da ein paar Angelegenheiten, die uns leider auf Sie zurückkommen lassen. Hätten Sie nun ein paar Minuten?“
Cassie schwieg. Ihr flaues Gefühl im Magen wurde von Minute zu Minuten – wenn nicht sogar von Sekunde zu Sekunde – schlimmer.
Plötzlich trat der jüngere vor und blickte sie an. Es war wie ein Bann, in den sie gezogen wurde. Was hatten diese Augen nur an sich, dass sie alles vergaß?
„Entschuldigen Sie, Miss. Es tut uns sehr leid, dass wir Sie zu dieser späten Stunden stören müssen, doch es ist etwas passiert, dass uns zwingt, so zu handeln. Es wird nicht lange dauern. Das verspreche ich Ihnen.“, sagte er in einem sehr höflichen und vertrauenswürdigen Ton.
Cassie atmete noch einmal tief durch, dann ging sie einen Schritt zur Seite und ließ die beiden eintreten.
Zuerst trat der ältere Mann an ihr vorbei, dicht gefolgt von dem jüngeren. Als die beiden im Haus waren, schloss Cassie etwas mulmig zu mute die Tür und geleitete sie ins Wohnzimmer.
„Setzen sie sich doch bitte!“, wies sie die beiden Herren an.
„Danke, nein. Es wird nicht lange dauern.“
Beide blieben stehen, doch Cassie setzte sich in den Sessel, der ihr am nächsten stand.
„Um was geht es?“, begann sie, damit sie die Männer schneller loswurde.
„Es ist etwas geschehen, was uns ziemlich unfähig macht. Wir, die Boten, sind von den obersten Bossen angesetzt worden, alle möglichen Mitglieder oder auch Ex-Mitglieder von Scarldo zu kontaktieren, um sie mit einem derzeitigen Problem vertraut zu machen. Wir sind sehr auf die Hilfe von Außen angewiesen und vor allem auf Ihre Hilfe, wie man es uns sehr direkt und genau mitteilte. Sie scheinen bei uns einen ziemlichen guten Ruf zu haben und daher mussten wir Sie auch persönlich aufsuchen.“
Cassie schien kein Wort des Mannes zu verstehen. Alles war er sagte machte keinen Sinn. Warum kamen die beiden ausgerechnet zu ihr? Und was war das für ein Problem? Sie hatte so viele Fragen, traute sich aber nicht, diese zu stellen.
„Miss Jones. Ich entnehme ihrem Gesicht, dass sie kein Wort verstehen. Dennoch muss ich Sie bitten, sich das Problem anzuhören. Wir brauchen Ihre Hilfe!“, sagte nun der jüngere fast flehend und trat einen Schritt auf sie zu.
Es trat kurz Stille ein. Stille, in der Cassie ganz genau überlegte. Was schadete es schon, sich das Problem anzuhören? Und irgendwie konnte sie dem Kerl mit den wunderschönen Augen auch nichts abschlagen.
„Nun gut. Ich höre mir das Problem an.“, gab sie nach und sie erkannte sofort die Erleichterung der beiden, doch das war nur der Anfang. „Dennoch stelle ich eine Bedingung. Man scheint mich ja zu kennen und zu feiern, doch ich weiß nicht warum und wo. Und was in Herrgottsnamen ist Scarldo? Erst möchte ich all das wissen, dann kann ich mich vielleicht mit dem Gedanken anfreunden, bei Ihnen mitzumachen, was auch immer Sie tun.“
Der alte Mann schien nicht überrascht. Wahrscheinlich hatte man ihn sogar auf solche Attacken vorbeireitet.
Gelassen schlenderte er zur Couch und ließ sich nieder. Er klopfte neben sich, damit auch sein Begleiter sich setzte.
„Das kann etwas dauern.“, teilte er mit und atmete tief ein und aus. „Aber gut. Ich konnte mir so etwas schon denken. Man hat mir genau gesagt, was ich antworten soll, wenn es zu solchen Fragen kommt. Okay… womöglich wird es Ihnen aber nicht gefallen. Scarldo ist eine geheime Organisation, wie man sie im Allgemeinen nennt. Wir sind nicht gerade das, was man ein unbeschriebenes Blatt nennt. Unter allen Methoden, die es in der Geschichte gab, haben wir sicher alles schon getan: Foltern, Meuterei, Raubzüge… eben das Übliche. Es ist jedoch selten, das wir zu solchen Mitteln greifen. Wir handeln vor allem mit den großen Konzernen. Auch wir haben unsere Sponsoren. Natürlich dringt davon nie etwas an die Öffentlichkeit, das versteht sich natürlich von selbst. Selbst wenn jemand versucht, uns auffliegen zu lassen, wird er getötet. Grundregel… daran kann ich nichts ändern. Selbstschutz ist unser höchster Kodex.“
Er machte eine kurze Pause und ließ Cassie all das erst einmal verdauen.
„Soll ich weitermachen?“, fragte er danach, doch sie gab ihm Einhalt.
„Wenn ich das jetzt schon höre, wird mir schlecht. Aber wenn ich daran denke, dass ich auch einmal dort war, dann kann ich mich gar nicht mehr halten. Aber ich habe gesagt, dass ich mir alles anhöre, also hör ich mir auch alles an. Machen Sie weiter!“
„Bei Scarldo gibt es verschiedene Bereiche in denen verschiedene Menschen tätig sind. So wie ich Ihnen als Bote gegenüberstehe, gibt es auch Menschen, die die so genannte „Drecksarbeit“ erledigen müssen. Zu dem haben wir auch zigtausend Spitzel, Detektive, Idioten, die den Papierkram erledigen, wir haben einige Anwälte, die natürlich ohne das Wissen der anderen in irgendwelchen Kanzleien arbeiten, Ärzte in Krankenhäuser und noch einiges mehr. Wie Sie sehen haben wir überall unsere Finger im Spiel. Wissenschaftler zählen wir unter anderem auch zu unserem Team. Sie arbeiten in Laboren, die in unseren Räumen zu finden sind. Natürlich versteckt. Es ist alles sehr diskret und auch nur die besten Leute werden in den Kreis von Scarldo aufgenommen. Und Sie waren eine der besten.“
„Einen Augenblick!“, unterbrach Cassie den Mann. „Worin genau war ich die Beste?“
Der ältere Mann und sein Freund sahen sich an, dann machte dieser auch schon weiter.
„Er sprach von Leuten, die die „Drecksarbeit“ machen. Leute, die also die Leichen wegräumen. Heutzutage gibt es da ja verschiedene Möglichkeiten. Na ja, egal. Und um überhaupt Leichen zu haben, brauchen wir gewissen andere Leute, die sich gut mit Waffen auskennen und die, wie es immer heißt, schneller ziehen, als ihre Schatten. Die schwarzen Katzen, einer jeden Organisation.“, erzählte er und ließ Cassie dabei keine Sekunde aus den Augen. „Sie waren so eine Katze. Und dazu noch eine ziemliche gute.“
Cassie sprang auf und schüttelte perplex mit dem Kopf.
„Nein, ich habe nie irgendwelche Menschen umgebracht.“, sagte sie voller Überzeugung. „Ich bin unschuldig. Ich kann noch nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun!“
„Das bewirkt das Serum, das wir ihnen vor genau fünf Jahren auf Ihren Wunsch hin gespritzt haben. Es vernebelt die Gedanken, wenn man es mal ganz höflich ausdrückt.“
„Und was ist, wenn man es nicht ganz höflich ausdrückt?“
„Das Serum enthält Spuren von Stoffen, die Wahrnehmungen hervorrufen. Es wird Ihnen ein Traum vorgegaukelt, der Sie glauben lässt, dass all das, was sie wirklich erlebt haben, eigentlich doch nicht geschehen ist. Jedenfalls in Ihrer Fantasie. Trotz dessen ist alles wahr. Sie werden manchmal bei bestimmten Geschehnissen ein Gefühl verspüren, als würden sie die Handlung genau kennen. Vielleicht eine Verhaftung, ein Brandfall, bei dem es Tote gab… ich weiß es nicht so genau, wie es bei Ihnen ist. Solche Dinge halt, die Sie an Ihre Zeit erinnern.“
„Also haben Sie mich unter Drogen gesetzt?“, fasste Cassie noch einmal zusammen.
„Wenn Sie es so wollen, ja. Wobei dieses Serum jedes Jahr gespritzt werden muss, um seine Wirkung zu behalten.“, erklärte der Kerl mit den wunderschönen Augen.
„Wenn das so ist, wie haben Sie das denn angestellt?“, wollte Cassie fast schnippisch wissen.
„Kam nicht jedes Jahr mindestens einmal ein Zettel, zur Kontrolluntersuchung im Krankenhaus?“
Cassie überlegte und nun wurde ihr schlagartig klar, was dieser Quatsch zu bedeuten hatte. Sie hatte sich schon immer gewundert, wäre aber nie auf die Idee gekommen, dass sie dort unter Drogen gesetzt wurde.
„Da haben Sie ihre Antwort. Man hat Ihnen Bilder gezeigt von einem normalen Haushalt und genau diese Bilder haben Sie sich seitdem als Ziele gesetzt. Man hat sie also vollkommen beeinflusst. Sie sind schon lange nicht mehr die Cassie, die sie mal waren. Gespielte Ziele, gespielte Verhaltensweisen. Sie glauben doch nicht wirklich, dass Sie eine solche nette und ruhige Person geworden wären. Nein, nicht die Cassie, die mit 20 Jahren zu uns kam. Aber wie gesagt… all das geschah mit Ihrer Erlaubnis.“
Cassie schwieg. Ihr schlugen diese Informationen auf den Magen.
„Also klebt an meinen Händen Blut?“, kam sie auf das Thema zurück.
„Es tut mir Leid für Sie, dass sie es so erfahren mussten. Nur hatten wir keine andere Wahl. Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können.“
Bevor Cassie noch etwas sagen konnte, hörte sie Schritte im Flur.
„Schatz, ich bin zu Haus.“, rief ein Mann mit einer ziemlich tiefen Stimme. „Bist du im Wohnzimmer? Ich habe dir etwas mitgebracht.“
Cassie blickte zu den beiden Männern, die ihr zu nickten. Mit diesem Zeichen stand sie auf und ging ihrem Mann entgegen.
„Ja, ich bin hier, Tony.“, sagte sie matt und er merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.
Besorgt sah er sie an.
„Was ist geschehen?“, fragte er und nahm sie in den Arm.
„Nichts. Nichts von Bedeutung. Wir haben nur Besuch, doch die Herren wollten gerade gehen.“, erklärte sie kurz und blickte dann zurück ins Wohnzimmer, in dem die beiden Fremden sich gerade erhoben hatten.
Sie kamen zu Tony und schüttelten ihm die Hand.
„Es war nett, Sie kennen zu lernen. Doch wir werden jetzt gehen. Wir haben schon viel zu viel Zeit in Anspruch genommen.“, sagte der ältere erneut.
„Können wir Sie anrufen?“, fragte der jüngere nun und Cassie nickte.
Sie wollte schon nach einem Zettel und einem Stift greifen, als der jüngere ihr sanft auf die Schulter griff und sie aufhielt.
„Wir haben alles, was wir brauchen. Sie müssen uns Ihre Telefonnummer nicht geben.“
Und mit diesen Worten gingen die beiden aus der Tür und ließen eine niedergeschlagene Cassie und einen verwirrten Tony zurück.

Hier hätten wir dann das zweite Kapitel, in dem es - wie auch schon die Überschrift es sagt - langsam um Cassies wahre Vergangenheit geht.
Plötzliche Besucher, die nachts vor ihrer Haustür stehen, unterbreiten ihr ein Geheimnis aus ihrem Leben, dass sie für wenige Zeit an sich zweifeln lässt.
Ja, so geht die Reise ihrer Vergangenheit weiter. Nur ist das nicht das einzige Problem, was sich vor ihr auftut. Denn... vergessen sollte man nicht den Grund der Besucher, weswegen sie höchstpersönlich Cassie aufgesucht haben.

Für alle die, die weiterlesen... macht euch auf was gefasst... denn DAS ist erst der Anfang... !!!
Maria Peters, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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