Harald Saul

Peter, der Wolf ..... NR. 17

 Wolf Nr. 17

 

Peter lag in seinem Bett und stierte an die Zimmerdecke. Er dachte an die vergangenen Stunden zurück und ließ alles noch mal Revue passieren. Gekonnt hatte ihn Elviras Mutter ausgebootet, das war ihm erst während der langen Heimfahrt bewusst geworden. Als ihn die beiden Fleischergesellen vor das Hoftor geführt hatten und es krachend zufallen ließen, war ihm so richtig bewußt geworden, dass ein neuer Lebensabschnitt begonnen hatte. Einen halbgefüllten, blauen Abfallsack hatte man ihm noch über das geschlossene Tor vor die Füße geworfen und an den Fenstern hingen die Verkäuferinnen und freuten sich über den traurigen Abgang von Peter, dem hoffnungsvollen Juniorchef. Da stand er nun in seinem etwas zu engen Trainingsanzug aus der Dienstzeit bei der Nationalen Volksarmee. Er fühlte sich auch nicht wohl, denn er hatte noch nicht mal geduscht, sich nicht rasiert und er bildete sich ein, wegen der nichtgeputzten Zähne aus dem Mund zu riechen. Er nahm den Sack über die Schulter und trottete los. In der nächsten Parkanlage hielt er an, suchte sich eine versteckte Parkbank und schüttete den Sackinhalt auf den blanken Erdboden. Die alte Brieftasche und der NVA Brustbeutel fiel ihm sofort ins Auge. Führerschein, Personalausweis und ein paar kleine Geldscheine waren in der Brieftasche. Es waren 240 Euro in Scheine und 9 Euro in Hartgeld, er würde heimfahren können. In einem Geheimfach entdeckte er auch einen Sicherheitsschlüssel. Es war der „Generalschlüssel“ für alle Eingangstüren in Elviras Haus und für bestimmte Geschäftsräume. Der Alte war mal besoffen gewesen und da war ihm dieser Schlüssel aus der Hosentasche gefallen und Peter hatte ihn heimlich eingesteckt. Ihn in der geöffneten Hand haltend, mit einem bösen Lächeln betrachtete er ihn und er wusste, dass er wieder einen Trumpf in der Hinterhand hatte. Die Brieftasche stopfte er in seinen Brustbeutel und hängte ihn um. Da waren seine Hemden, etwas Unterwäsche und ein paar Strümpfe. Alles war alt und von ihm mitgebracht, als er in Elviras Familie gekommen war. Alles andere hatte Elvira damals bei der vollständigen Neueinkleidung in 2 riesige Kleidersäcke zum Deutschen Roten Kreuz gegeben. Da waren noch seine Personalunterlagen. Er nahm sie heraus und ihn überraschte eine perfekt geführte Personalakte. Die Ohlmert verstand schon ihr Handwerk. Sogar eine Beurteilung war dabei. Ihm stach sofort ins Auge, dass es eine Musterbeurteilung aus dem Computer war, mit einer schwungvollen Unterschrift von Elviras Vater versehen. Das alles soll in einer viertel Stunde abgehandelt worden sein ? Ihm kam mehr und mehr der Verdacht, dass war alles vorbereitet und sogar mit Professionalität.  Er suchte vergebens etwas zur Körperpflege. Er packte wieder alles ein und ging aus dem Park, zur Straßenbahn. An der Straßenbahnhaltestelle stand er wie verloren herum und wartete auf eine Bahn zum Bahnhof. Zusammengekauert auf einer Bank im hinteren Teil der Haltestelle  beobachtete er die vorbeihuschenden Autos. Da zuckte es in ihm zusammen, Elviras Vater fuhr mit dem neuen BMW langsam vorbei und neben ihm saß Elvira und Peter konnte sehen, dass sie lachte. Sie konnten ihn nicht sehen, da er im Schatten  saß. Gedankenverloren blickte er ihnen hinterher. Das er eines Tages dort wieder einen Absprung machen wollte, wusste er vom ersten Tage an. Aber so und vor allem hatten andere seinen Untergang bestimmt, das wurmte ihn und fraß, wie eine giftige Pflanze in ihm. Peter merkte gar nicht, wie die Zeit verging und die Straßenbahn kam. Am Bahnhof angekommen, ging er erst mal in die Toilette und wusch sich und roch wenigstens etwas angenehmer, nach der Flüssigseife der Deutschen Bundesbahn.  Eine Fahrkarte kaufte er sich und da der Zug hier eingesetzt wurde, stand er schon am Bahnsteig. Peter stieg ein und setzte sich, zog die Sportschuhe von Germina ( Sportschuhfabrikation in der DDR ) aus und leget die Beine hoch. Den Müllbeutel stopfte er zwischen sich und der Wand. Ihm war schläfrig und wenn er einmal schlief, dann schlief er , da konnte ja sonst was passieren.  Versunken in Gedanken merkte er nicht wie zwei Bundesgrenzschutzbeamte sich näherten und ihn musterten. Während sich der eine im Hindergrund hielt und die Hand auffällig auf das  Pistolenhalfter legte, kontrollierte der eine den schlafenden Peter. Er stupste ihn unsanft an die Schulter.  Peter rappelte sich auf und schaute in ein verkniffenes Gesicht, die Personalpapiere, bitte ! Wurde er angeherrscht. Als Peter nicht sofort reagierte, kam die Aufforderung in einer ihm unbekannten Sprache. Klang wie tschechisch oder so ähnlich. Peter zuckte mit den Schultern und stammelte, das er heim wolle, nach …..  Da huschte über das Gesicht des Beamten, der sich im Hintergrund hielt und er fragte auch sofort, ob er nicht der künftige Schwiegersohn von dem stadtbekannten Fleischereibesitzer sei ?  Peter lächelte und sagte, dass man ihn hinausgeworfen habe, weil er nicht mit ansehen konnte, wie man das Personal schikaniere. Es sei nun mal nicht sein Ding und er sei dazu auch nicht erzogen um in diese Familie zu passen. Nun lächelten beide anders, anders als vorher. Man habe ihn hinausgeworfen und er wolle wieder heim zu seinen Eltern. Nun fange er wieder von vorn an. Noch setzte er hinzu, dass man ihn nicht mal für seine Arbeit richtig entlohnt habe. Peter hatte sich im Nu eine rührselige Geschichte ausgedacht. Der eine Beamte bot ihm an, im Polizeistützpunkt sich etwas zu pflegen und was zu essen, der Zug fahre erst in einer Stunde.  Zu dritt gingen sie ins Bahnhofsgebäude und während Peter sich dem angebotenen Körperpflegemittel wieder richtig „ ausgehfertig „ machen“ konnte, hörte er von dem älteren Beamten, warum man für ihn Symphatie habe. Der Fleischermeister hatte vor ein paar Jahren  die Kantine der Beamten und Bahnangestellten beliefert und mehrmals versucht die Kantinenkräfte zu betrügen......  Da der Fleischermeister stadtbekannt war und man es am Anfang  ihm es nicht so richtig zutraute, passte man besser auf und man hatte bald Beweise für die gestellten, falschen Rechnungen. Man hatte sich noch fast vor Gericht streiten müssen, weil Elviras Vater das zuviel gezahlt Geld nicht zurück zahlen wollte. Als plötzlich 3 Uniformierte mit drohenden Gesichtern in seinem Geschäft standen und sehr laut auftraten, zahlte er das Geld sogar cash.  Peters Magen knurrte und ein netter Uniformierter holte ihm eine Bockwurst mit Kartoffelsalat, ein anderer schob ihm eine Büchse Cola zu. Peter aß dann auch noch die Pausenbrote von mehreren Beamten, die sie ihm angeboten hatten.  Dazwischen erzählte er von dem Erlebten, schmückte es mit Details aus, die er erlebt hatte. Etwas färbte er sich schon edel dastehend ein und stellte Elviras Eltern als raffgierige und ausgekochte Schlitzohren hin. Peter merkte nicht, wie die Zeit verging. Die letzten Meter zum Zug musste er rennen, weil dieser schon anfuhr und er noch gerade noch eine sich eben schließende Tür erwischte. Ein Passagier half ihm noch reinzuspringen.  Schnaufend setzte sich Peter auf einen Notsitz und atmete schwer. Die Wurstbrote, die er hinunter geschlungen hatte, versuchten wieder den Weg umgekehrt zu nehmen. Der Zug fuhr nun in voller Fahrt und näherte sich seiner Heimatstadt. Der Mann, der ihm geholfen hatte, musterte ihn und fragte ob ihm nicht gut sei ? Peter, in seinem Trainingsanzug auf einer Bank kauernd, sagte, dass er es etwas übertrieben habe mit dem Sport. Interessiert schaute, der ältere Mann zu ihm herüber. Wobei denn und welchen Sport machen Sie denn  ? Peter versuchte einen möglichst erschöpften Eindruck zu machen und erzählte, dass er an einem Triathlon – Wettbewerb teilgenommen habe. Ihm die gesamte Ausrüstung gestohlen worden sei, Rad – dass er sich erst gekauft habe und sein gesamte Sportausrüstung. Er war duschen und da sei es eben passiert. Es habe ihn bestimmt jemand schon lange beobachtet. Den Trainingsanzug habe ihm der Sportplatzwart geschenkt, die Schuhe ein anderer Sportler und etwas Fahrgeld die Wettbewerbsleitung. Jetzt fahre er zu seinen Eltern und habe noch eine Woche Urlaub. Was er denn vom Beruf sei, fragte sein Gesprächspartner. Ich arbeite im alten Bundesgebiet bei einer Wachschutzfirma und fahre täglich mit viel Geld herum, lenke einen superschweren Spezialsicherheitstransporter. Da Peter erst einen Film über solche Männer gesehen hatte, fiel es ihm nicht schwer darüber zu erzählen.  Da der alte Herr weiterfuhr, reichte er Peter eine Visitenkarte und einen Fünfziger. Wenn sie mal Arbeit brauchen, rufen sie mich an. Ich kenne viele vermögende Menschen und deren Sicherheitsbewusstsein wächst und wächst. Sie können da Kariere machen, junger Mann !

Peter ging zur Tür und sah hinaus. Da war er schon, der vertraute Bahnsteig, wo er als junger NVA-Offiziersschüler immer angekommen war. Nur dass der Vater heute nicht da stehen würde. Er war wieder in der Heimat und nahm sich vor, alles anders zu machen. Morgen sofort zum Arbeitsamt. Der Vater hatte da einen ehemaligen Lehrer, der heute als Personalberater tätig war. Der würde ihm doch bestimmt helfen.

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Harald Saul).
Der Beitrag wurde von Harald Saul auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Harald Saul als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Lebensscherben von Flora von Bistram



Susanne, eine kranke und depressive Frau erinnert sich durch die behutsame Führung eines Psychotherapeuten an verschüttete Erlebnisse in ihrer Kindheit, die geprägt sind von Misshandlungen durch die Eltern und Missbrauch eines Onkels vom 4. Lebensjahr an

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Lebensgeschichten & Schicksale" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Harald Saul

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Peter, der Wolf im Schafspelz Nr. 45 von Harald Saul (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Kurze Geschichte meiner Donnerstage von Heino Suess (Lebensgeschichten & Schicksale)
Als meine Katze mir das Leben rettete von Katja Ruhland (Wahre Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen