"Wohl wohl, hat dich
die gerechte Strafe also jetzt schon erreicht...." -raunte er, und stimmte
dann ein hysterisches Lachen an.
Schließlich drehte er sich
um und eilte fort von der Stätte des Grauens.
Inzwischen floß das Blut
bereits in dünnen Rinnsalen auf den Weg und versickerte langsam im trockenen
Boden.
*
Ich schrak auf, wie aus tiefstem Schlaf,
unfähig meine Gedanken zu ordnen. Schreckliche Bilder von Blut und Gewalt
drangen in mein wiedererwachtes Bewußtsein. Wer war diese Leiche gewesen? Jäh
überfiel mich die Gewißheit ein kaltblütiger Mörder zu sein. Ich setzte mich
auf und wankte ins Badezimmer um mir das Gesicht zu waschen. Meine Hände
zitterten aber so sehr, daß ich mir mit den Fingernägeln unbemerkt die Lippen
aufriss. Der Anblick meines blutverschmierten Gesichtes im Spiegel über dem
edlen Marmorwaschbecken ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Schließlich
löste sich all das soeben erfahrene
Grauen in mir, ein gequälter Aufschrei drang ungehemmt aus meinem Mund, gnädige
Ohnmacht umfing mich, und ich stürzte haltlos zu Boden.
Ein sonderbares Gefühl,
wie auf weichem, morastigen Boden zu liegen, drang sanft in mein Bewußtsein,
nur ganz langsam nahm ich meine Umgebung wieder wahr.
"Herr Graf, um Gottes
Willen, was ist denn mit Ihnen?" -Johannes, mein treuer Buttler und
Vertrauter, hatte meinen Schrei gehört und war sofort herbei geeilt. "Sie
sehen ja furchtbar aus!"
"Hab ich
geschlafen...?" -ich fühlte mich gleichsam außerhalb meines Körpers
stehend. "Johannes...Sie.. ach herjeh, wo kommt denn all das Blut
her?"
Er antwortete mir erst
nicht, sah mich nur aus seinen großen Augen forschend an. Dann meinte er
anklagend ".. Sie haben es wieder alleine versucht, richtig?"
Ich rappelte mich hoch,
und nachdem ich schwankend mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, entgegnete
ich trotzig: "ja, aber diesmal mit Erfolg. Ich habe mich selbst gesehen
Johannes, und bei allen Heiligen, mir scheint ich bin ein gemeiner
Mörder!"
"Bleiben Sie trotzdem
bei meiner Methode" - meinte er eindringlich, "dann kann Ihnen nichts
passieren."
*
Tage später entschloss ich mich nochmals
zurückzukehren, ich wollte, nein, ich mußte einfach wissen was mit mir los war,
warum ich immer wieder diese schrecklichen Albträume von Mord und Verfolgung
hatte. Diesmal wollte ich allerdings alles auf eine Karte setzen, und, entgegen
dem Ratschlag von Johannes, die Taktik ändern. Wenn ich wirklich gemordet
hatte, dann wollte ich dafür auch einstehen. Ich weihte Johannes in meine Pläne
ein, und bat ihn, mir dabei zu helfen.
Schließlich fühlte ich
mich bereit, die Reise konnte beginnen.
Mein Körper lag still und
unbeweglich in tiefster Entspannung auf dem breiten Bett im Schlafzimmer,
keinerlei Reize von außen drangen noch zu mir durch. Das Tor zu meinem
Unterbewußtsein öffnete sich wie gewohnt auf das geheime Signal, ganz so, wie
ich es so oft mit Johannes geübt hatte, und ich versuchte mich auf das Ziel zu
konzentrieren. Abgrundtiefe Dunkelheit umhüllte mich, mit dem gleichzeitigen
Gefühl durch Raum und Zeit zu fallen. Dann schließlich, Ewigkeiten, oder war es
Sekunden später? - ich hatte keine Empfindungen mehr für Zeit, schwache
Lichterscheinungen, kurz aufblitzend, und schon wieder verschwunden, sobald ich
versuchte meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Aber ich wußte daß ich nur
geduldig zu warten brauchte, bald würde ich ankommen.
Im Gegensatz zu meinen bisherigen Versuchen
schlüpfte ich dann unversehens in dieses andere Bewußtsein. Nicht mehr nur
Beobachter war ich, ich vergaß wer ich gewesen war, wurde ganz eins mit den
Gedanken und Empfindungen dieser meiner eigenen vorherigen Existenz.
Riesige Bäume begannen
sich aus dem schwarzen Nichts ringsum zu formen, schließlich dichter Wald,
jedoch konnte ich im fahlen Licht eines Neumondes nicht allzuviel erkennen. Ich
tastete mich einen schmalen Weg entlang, vorsichtig darauf bedacht nicht gehört
zu werden.
An den Stamm einer
mächtigen Eiche gelehnt versuchte ich
meine rasenden Gedanken zu beruhigen.
"So sei es denn,
ich werde also nach Bautzen gehen und mich dem Landvogt ergeben."
-meine eigenen Gedanken erschreckten mich, hatte ich nicht soeben noch auf
Flucht gesonnen? Man würde mich nicht anhören, sondern sofort in das Verließ
der mächtigen Ortenburg stecken. Bevor ich noch Gelegenheit hatte mich zu
verteidigen, um die Wahrheit zu verkünden, würden meine Gebeine bereits
vermodern in dem dunklen, stinkigen Loche unter dem Matthiasturm. Allzu
einflußreich schien mein Gegner, ging er doch ein und aus im Hause des
Landvogtes Andreas Graf Schlick.
Wohin allerdings sollte
ich flüchten? Die dichten Wälder in der Lausitzen beherbergten so manch
gefährliches Getier. Man hatte mir von einem mörderischen Wolfsrudel berichtet,
welches kürzlich bis in die Nähe von Auritz vorgedrungen war. Aber selbst wenn
ich nicht Opfer dieser schrecklichen Bestien wurde, wie sollte ich überleben?
Niemand würde es wagen mich zu beherbergen, zu groß war die Angst der einfachen
Bürger vor der Willkür der rücksichtslosen herrschenden Grundherren.
Resignation machte sich in
mir breit, eine nahegelegene Schenke fiel mir ein. Der Wirt, Vinzent, war ein
redlicher Mann und mir bislang immer freundlich begegnet. Er hatte kürzlich
auch das Amt des Ortsrichters übertragen bekommen, ihm würde ich mich stellen
und darauf vertrauen Gerechtigkeit zu erlangen.
*
Das alte Schenkhaus, welches etwas verdeckt
am Rande des Pfades lag, war gerade zu erahnen im Dunkel der Nacht, als mich
auch schon der Wachhund durch lautes Gebell ankündigte. Ich öffnete das Tor und
wurde sofort von dem riesigen Tier schweifwedelnd begrüßt.
"Gib Ruh, du
Untier..." -mißmutig versuchte ich
mich der stürmischen Begrüßung zu entziehen.
Mißtraurische Augenpaare
beobachteten mich aus den dunklen Winkeln der Gaststube. Schließlich kam der
Gastwirt zögernd auf mich zu.
"Seid
willkommen!" -rief er laut, und fügte leise hinzu, so daß nur ich ihn
hören konnte: "seid ihr verrückt hierher zu kommen Georg? Ihr wißt ja
sicherlich daß man euch bereits überall sucht!"
"Guten Abend Vinzent.
Ja, natürlich weiß ich das..." -Georg, so hieß ich jetzt, wie mir mit
einem Male bewußt wurde. Die vergangenen Tage der verzweifelten Flucht drangen
mir wieder ins Gedächnis, mein Gutsherr Valentin von Hennigh, der mich unter
Androhung von schweren Prügeln vom Pachtgrund jagen hatte lassen, und am Tag
danach, der Anblick der schrecklich zugerichteten Leiche eben jenes Valentin
von Hennigh. Zufällig hatte ich mitangesehen wie es passiert war, mein Herr war
vom Friedrich von Petschen, dem Rittergutsbesitzer, im Streite erschlagen
worden. Ich hatte mich unendeckt geglaubt und dem Erschlagenen genähert,
nachdem der Mörder überstürzt das Weite gesucht hatte. Friedrich von Petschen
mußte mich aber doch bei seinem Opfer beobachtet haben, und hatte flugs die
Gelegenheit beim Schopfe gepackt und mich fälschlich als den schändlichen
Mörder bezeichnet.
Der Wirt zog mich rasch in
die verrauchte Küche und sah mich fragend an. "Sagt Georg, ihr habt doch
nicht etwa wirklich euern Herrn erschlagen?"
"Helf mir der Himmel,
nein im Leben nicht!" -ich hatte mich erschöpft auf einen Schemel
niedergelassen und sprang wieder erregt hoch. "Das werdet ihr ja wohl
nicht denken Vinzent! Aber nachdem ihr hier auch der Ortsrichter seid, will
ich hiermit mein Schicksal in eure Hand
legen."
Daraufhin etwas ruhiger
geworden, erzählte ich Vinzent was mir in den letzten Tagen widerfahren war.
"Friedrich von
Petschen sagst du? Dieser elende Lumpenhund! Den hab ihn schon lang im Verdacht
von unredlichen Machenschaften!" -er sprang vom Stuhl auf und ballte seine
Fäuste. "Nun sollte er also gar zum Mörder geworden sein?"
Er sah mich aus blitzenden
Augen an, "hört mir gut zu, Georg! Seid ihr bereit gegen diesen
schändlichen Kerl vor dem Landvogt auszusagen?"
Wiewohl mir die schiere
Vorstellung gegen so einen einflußreichen Mann anzukämpfen die Kehle
zuschnürte, so gab ich Vinzent schließlich doch zu verstehen daß ich es wagen
würde. Was hatte ich schon zu verlieren? Schlimmer als meine Situation ohnehin
bereits war konnte es ja doch nicht mehr werden.
"Wir müssen
vorsichtig sein, niemand darf euch finden bevor ich diesen Schuft offen
anklage... ihr werdet euch also vorerst auf das sorgfältigste im Heu der
Scheune hinter dieser Schenke verstecken." - er drückte mir noch einen
Krug mit Wein in die Hand und schob mich entschlossen zur Hintertüre hinaus.
*
Schweißüberströmt war ich in der dunklen
Nacht aus dem unruhigen Schlaf geschreckt. Wie angewiesen hatte ich im Heu der
Scheune, hinter der Schenke, ein Versteck, und einen Platz zum Ausruhn
gefunden. Meine Blase war prall gefüllt, hatte ich doch in meinem Kummer den
ganzen Krug Wein ausgetrunken. Halb ausgekleidet kroch ich aus meinem Versteck,
und näherte mich in Gedanken versunken dem Tor um mich draussen zu erleichtern.
Wut und Angst kreisten in meinem Kopf in einem wilden Tanz.
"Andreas Graf
Schlick war bekannt für seine gerechten Urteile, würde er allerdings mir, Georg
dem einfachen Landpächter, mehr Glauben schenken als seinem Freunde, dem
Friedrich von Petschen? Wohl kaum... daß ich von meinem Herrn vom Hofe gejagt
worden war, war ihm sicherlich Beweis genug meinen Herrn im Zorn erschlagen zu
haben. Niemand würde es für nötig befinden nachzuforschen, warum ich in solchen
Streit geraden war mit Valentin von Hennigh. Dieser Unhold hatte sich in
unzüchtiger Weise meiner erst zwölfjährigen Tochter genähert, worauf ich ihn
scharf zur Rede gestellt hatte."
Ich nahm soeben den Verschlußbalken
aus der Verankerung, da wurde das Tor zur Scheune mit lautem Getöse von außen
aufgestoßen. Schwarze Schatten erfassten mich, ehe noch ich begriff wie mir
geschah.
Das Letzte was ich in
diesem Leben sah, war ein im schwachen Mondlicht aufblitzendes Messer welches
mit einer schnellen Bewegung in meinen Hals fuhr. Ich konnte nicht mehr
schreien, blutiger Schaum drang mir aus Mund und Wunde, gnädige schwarze
Schatten legten sich über meine Sinne. Erst versagten meine Augen ihren Dienst,
dann verging auch das tosende Rauschen von Blut in meinen Ohren.
Obschon ich wußte daß ich
starb, wollte ich es nicht wahrhaben, wollte noch wissen wer mich verraten
hatte, aber schon wurde ich unaufhaltsam in den Strudel von Sterben und
Wiedergeburt gezogen.
*
"Ich werde jetzt bis drei
zählen, und sie werden wieder ganz im Hier und Jetzt sein! Eins... zwei...
drei!" - die sanfte Stimme von Johannes hatte mich aus der tiefen Trance
zurückgeholt.
Es dauerte eine ganze
Weile, bis ich erkannte daß ich wieder Graf Sigmund von Reichenstein war. Welch
albtraumhafte Erfahrung lag hinter mir. Ich stöhnte unwillkürlich laut auf, war
kaum fähig mich zu bewegen.
"Das war es also
gewesen, das gewaltsame Ende in diesem meinem vorherigen Leben als Georg der
Landpächter hatte mir all diese schrecklichen Visionen und Albträume beschehrt."
Noch waren mir alle
Details der vergangenen Erfahrung klar und gegenwärtig, ich rappelte mich
mühsam auf um mir schnell Notizen zu machen. Während ich eifrig Namen und
Geschehnisse niederschrieb sprang mir ein Name förmlich ins Auge.
"Schauen sie sich das
mal an!" - ich zeigte Johannes meine Notizen.
Seine Augen weiteten sich
vor Überraschung. "Sollte es möglich sein daß... natürlich, jetzt entsinne
ich mich daß er mir gestanden hat einer jetzt verarmten Familie ehemals
begüterter Großgrundbesitzer zu entstammen. Auch wenn jetzt das 'von' im Namen
fehlt..."
"Nun denn, dann ist
es wohl an der Zeit abzurechnen." - unsere Blicke begegneten sich in
stillem Einvernehmen.
Ich beeilte mich zu duschen
um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Dann zog ich mich um, wählte den neuen
maßgeschneiterten Anzug, dazu die passende Seidenkrawatte und exklusive
Wildlederschuhe. Ein kurzer Blick in den Spiegel bestätigte mir daß ich gut
aussah, gerade richtig für das was ich jetzt zu tun gedachte. Beschwingt eilte
ich die breite Treppe zum großen Eingangsbereich hinunter, wo das reizende
Dienstmädchen soeben eifrig Staub wischte.
"Martha? Rufen sie
mir umgehend den Gärtner!" - ich fühlte mich wie neugeboren, mein
vergnügtes Lächeln ließ mich sicherlich um Jahre jünger aussehen.
"Herr Graf
wünschen?" -der alte Gärtner war leise ins Haus gekommen, und stand in
devoter Haltung vor mir.
"Packen sie ihre
Sachen und verschwinden sie von hier. Sie sind fristlos entlassen!" -sagte
ich mit unbewegter Miene.
Nachdem er gegangen war,
begab ich mich gelassen zur Bibliothek, um meine späte Rache mit einem kühlen
Drink zu genießen.
Adam Petschen aber, so
nämlich hieß der Gärtner, verließ kopfschüttelnd mit seinen wenigen Habseligkeiten
das gräfliche Anwesen, nicht ahnend, daß die schreckliche Tat des Friedrich von
Petschen, eines seiner Vorfahren, ihn um seinen Broterwerb gebracht hatte.....
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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gerhard Wetz).
Der Beitrag wurde von Gerhard Wetz auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.08.2006.
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Schriftliche Kunstwerke
von Manuela Dechsheimer
Mein erstes Buch ist endlich fertig.
Alle die mich schon kennen können sich endlich auf neue Gedichte von mir freuen und ein paar alte wieder finden.
In diesem Buch hab ich von allem etwas reingepackt, damit es euch auch ja nicht langweilt :)
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