Dieses Vesrtändnis verdanke ich selbständigem Studium von religiöser Literatur, Weisheitslehren und Introspektion. Ich gebe auch selber Weisheiten von mir, wie zum Beispiel: "Keiner Sklaverei erspürt, der sich nie gefickt gefühlt." Ich habe verstanden, dass die Welt hauptsächlich aus Prostituierten besteht, besser und weniger gut situierten. Ich bin ein Prostituierter, Du bist ein Prostituierter, wir sind Prostituierte; aber auch dafür habe ich Verständnis.
Ab und zu platze ich fast vor lauter Verständnis, das ist ein schönes Gefühl, ein sehr beruhigendes. So beruhigend wie die Erkenntnis, dass einfach alles im Fluss ist. Und doch wird dieser Fluss, in ungeduldigen Schluchten etwas turbulent. Da fange ich an zu wünschen, dass doch der eine oder andere und eigentlich ziemlich viele endlich in diesem Fluss ertrinken mögen. Sie zerrt an mir, die Ungeduld, sie zerrt mich aus der Welt des grenzenlosen Verständnisses, zurück in die innere Zerrissenheit. Ich habe Verständnis für diese Zerrissenheit, für innerlich zerrissene Leute, für alle Leute.
Ich habe Verständnis für sie und doch: Ich verachte sie. Ich verachte die pädophilen Zuhälter ihres inneren Kindes und die Schänder der inneren Kinder ihrer Kinder. Ich verachte die nekrophilen Zuhälter, diese verkrüppelten Wesen die voller Stolz zugeben, Kapitalisten zu sein. Ich verachte ihre Überzeugung, dass es allen Bewohnern dieses Freudenhauses noch niemals so gut ging und welch eine Freude es doch sei zu verstehen, wie das Kapital die Erde in Schwung hält, wie es die Menschheit bereichert und wie Wohlstand befreit. "Kauft euren Nächsten wie ihr euch selber verkauft." - Ich verachte euch!
Ich verachte ihre Jünger, diese schlafenden Schlampen, die ihnen jeden Furz vom Hintern lecken würden, wenn diese nur nicht so flüchtig wären. Ich verachte ihre Ablehnung von Verantwortung, sich selbst und dem ganzen, heruntergekommenen Milieu gegenüber. Ich verachte ihr nicht verstehendes Verständnis für dieses kranke Spiel, ihre Akzeptanz und ihre Toleranz. Ich verachte ihren Unglauben, ihre Verschlossenheit, ihr Desinteresse, ihre Feigheit. Ich verachte ihr gegenseitiges auf die Schulter klopfen, ihr sich gegenseitig Mut machen. Ich verachte ihre Art sich gehen zu lassen, sich frei zu fühlen, sich selber zu achten um die Verachtung ihrer selber geschaffenen Feinde nicht spüren zu müssen. Ich verachte ihr Unverständnis, ihre Ignoranz den Verlierern in diesem Spiel gegenüber, wie auch die selbstmitleidigen Verlierer selber. Ich verachte sie alle!
Trotzdem bin ich auch selbstkritisch. Ich verachte meine Verachtung und doch: Ich habe Verständnis. Denn alles ist im Fluss. So wäre es dumm erstaunt darüber zu sein, dass dabei so manches bachab geht. Es erstaunt mich nicht, nein, ich habe Verständnis. Es lebt in mir, gleich neben der ungeduldigen Verachtung. Sie leben in mir, spielen in mir, spielen mit mir, toben in mir und ich tobe mit ihnen. Sie zerreissen mich, seit Jahr und Tag tagtäglich.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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