Gerhard Wetz

Narren unter Palmen

Der große, schon etwa ältere Mann mit den schönen braunen Augen schwankte unter der gnadenlos brennenden Sonne. Sein Blick fiel auf ein Polizeiauto welches gerade vor einer Bar einparkte. Mühsam taumelte er darauf zu und klopfte mit der Hand auf das Autodach. Der Polizist am Steuer öffnete verärgert die Tür um den anscheinend Betrunkenen zurechtzuweisen.
"Guten Tag, mein Name ist Emma..." -stammelte der Mann und brach dann bewußtlos zusammen.
Ein herbeigerufener Notarzt konnte den Besinnungslosen schnell wieder stabilisieren. Laut dem bei ihm gefundenen Ausweis war er ein gewisser Bernd Oskar aus Berlin, aber da er beharrlich darauf bestand eine Frau namens Emma zu sein, und auch sonst einen sehr verwirrten Eindruck machte, ließ ihn der Polizeiarzt schließlich in die Psychiatrie einweisen.
Zur selben Zeit saß Marianne Solbakken in ihrem kleinen Haus in Tijarafe im Schatten ihrer Gartenlaube. Immer wenn sich ein Sonnenstrahl durch das dichte Blätterdach verirrte, leuchtete Ihr grellrotes kurzes Haar flammend auf. Das hübsche Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den lustigen Sommersprossen wollte allerdings so gar nicht zu ihrem diabolischen Grinsen passen.
"Du blödes Arschloch! Wenn du mich nicht mehr vögeln willst, dann sollst du auch keine andere mehr haben..." -murmelte sie, und leckte sich vergnügt die Lippen. In der Hand hielt sie ein Foto von Bernd Oskar, der inzwischen bereits in eine Gummizelle für eine längere Beobachtung gebracht worden war. Die magischen Symbole, mit denen sie
sein Gesicht auf dem Foto beschmiert hatte, hatten wieder einmal ihre Wirkung nicht verfehlt....

*

Das Dröhnen des schweren Motorrades war wie Musik in den Ohren von Siegfried Reichenberg. Er hatte es geschafft sich eine dieser wunderbaren Maschinen für die Dauer seines Aufenthaltes auf La Palma zu organisieren. Schon kurz nach seiner Ankunft war er auf die andere Seite der kleinen Insel unterwegs. Seine langen, schwarzen Haare quollen ihm aus dem Helm und wehten wie eine Fahne im Fahrtwind. Mit dem beeindruckenden, an den Ecken hoch aufgezwirbelten Schnauzbart sah er wie ein grimmiger Krieger von Dschingis Khan aus. Mit seinen Gedanken war er bereits an seinem ersten Ziel, in Los Llanos de Aridane. Er hatte sich vorgenommen dort sofort mit seinen Nachforschungen zu beginnen.
"Siegfried der Magier“, -so sah er sich selbst am liebsten. Ein gütiges Schicksal erlaubte ihm trotz seiner erst zweiunddreißig Jahre ausschließlich seinen Neigungen nachzugehen, ohne daß er auch nur einen Gedanken an so etwas Profanes wie Arbeit verschwenden mußte.
Vergnügt spitzte er seinen breiten Froschmund, und begann eine Melodie vor sich hin zu pfeifen.
Los Llanos de Aridane, die Metropole auf der Westseite der Insel war erreicht. Siegfried hatte sich gut vorbereitet und lenkte seine Harley Davidson in Richtung des Bus-Terminals. Dort gab es genügend Parkmöglichkeiten, außerdem war er dann bereits ganz in der Nähe der Plaza Chica. An einer Ecke dieses kleinen Platzes sollte sich ein obskurer Esoterik Laden befinden, den wollte er sich zuerst ansehen.

"La Brujita" - das Hexlein, stand in verschnörkelter Schrift über der Eingangstür. Die kleine Auslage daneben war überfüllt mit allem möglichen und unmöglichen Kram. Bücher über Mentaltraining und allgemeine Lebenshilfe lagen direkt neben Duftkerzen, Seelenfängern und Dämonenmasken aus verschiedenen Ländern.
Er trat energisch in den Laden. Seine hellblauen Augen, versteckt hinter einer dunkel getönten Nickelbrille, mußten sich erst an das Halbdunkel gewöhnen. Im Geschäft war niemand zu sehen, aber aus einem kleinen Nebenraum rief jemand "Momentito".
Der Anblick der wunderschönen Frau, die schließlich in den Verkaufsraum trat, raubte ihm schier den Atem.
"Hola, soy Marisol“, -begrüßte sie ihn, und wie sie das sagte trieb es seinen ohnehin zu hohen Blutdruck noch ein Stück weiter in die Höhe.
"Hola, äh, sprichst du Deutsch?" -Siegfrieds Spanisch war zwar durchaus nicht so schlecht, aber das wollte er zu diesem Zeitpunkt noch niemandem auf die Nase binden.
"Klar, ich bin Marisol, und du?" -ihre wunderschönen grünen Augen leuchteten interessiert auf.
"Siegfried, also ich äh..."
"Siegfried, mmmmh, welch schöner Name für einen tollen Mann!" -sie schnurrte wie eine Katze und berührte wie zufällig seinen Arm.
"Ja also..." -Siegfrieds Verwirrung stieg, "... hast etwas für einen Liebeszauber?" -doch schon bevor er es ganz ausgesprochen hatte, war ihm klar sich total blamiert zu haben. Was war nur los mit ihm, er war doch sonst immer Herr der Lage gewesen in solchen Situationen?
Marisol kicherte vergnügt, "Hombre, du brauchst wohl eher etwas zur Abwehr...." -sie sah ihm nochmal tief in die Augen, und drehte sich dann mit einem provozierenden Schwung ihres wirklich sehenswerten schlanken Po´s zu einem Regal, welches voll war mit kleinen Fläschchen und Töpfchen mit geheimnisvollem Inhalt. Siegfried Reichenberg war drauf und dran sich bedingungslos zu verlieben, kaum daß er auf der Insel angekommen war.

*

Siegfried hatte im Westen der Insel sein geplantes Quartier für die nächsten Wochen bezogen. Beim Anblick eines wunderbaren Sonnenunterganges auf der Terrasse seines Miethauses versuchte er nochmals alle Fakten durchzugehen.
Also, es gab hier auf der Insel eine auffällige Häufung von offensichtlich Verwirrten, um nicht zu sagen Verrückten, und auch überdurchschnittlich viele Selbstmörder.
Natürlich, wie immer in solch exponierten Lagen gab es auch in La Palma große Probleme mit Drogenmißbrauch, das erklärte aber nicht wirklich die große Anzahl der Betroffenen. Siegfried war hierher gekommen weil er sich für mental begabt hielt, und versuchen wollte dieses Rätsel des "kollektiven Irreseins" auf La Palma zu lösen. Schwarze und weiße Magie interessierte ihn brennend, hier schien er die Gelegenheit zu bekommen mehr darüber zu erfahren. Über Inselhexen gab es Gerüchte, eine Sekte vielleicht?
Die Idee mit dem Esoterik Laden in Los Llanos war ein Reinfall gewesen, er hatte keinerlei schwarze Magie aufspüren können, "ganz im Gegenteil“, -dachte er vergnügt.
Er nippte versonnen an einem Drink, als ein Klopfen an der Türe einen Besucher ankündigte. Als er verwundert öffnete, sah er sich bereits zum zweiten Mal an diesem Tag seiner Traumfrau gegenüber. Marisol, die Frau aus dem Esoterik Laden sah ihn mit ihren grünen Augen verführerisch an.
"Du siehst, hier auf der Insel kann man nichts geheimhalten, es war ganz leicht herauszufinden wo du wohnst" -sagte sie leise, während sie ihre Arme um ihn legte. Ihr sinnlicher Mund näherte sich seinem langsam, und bevor er etwas sagen konnte begann sie ihn leidenschaftlich zu küssen.
„Wo ist dein Schlafzimmer?“ –flüsterte sie und ließ es zu dass Siegfried ihr leidenschaftlich die Kleider vom Körper riss.
Danach hatten sie sich die ganze Nacht heiß geliebt, waren erst beim Morgengrauen erschöpft eingeschlafen. Immer wieder hatte sie ihn zum Sex aufgefordert, weiter und immer weiter hatten sie ihre wilden Spiele getrieben.

"Marisol...?" -seine Hand suchte vergebens nach ihr. Er war alleine in seinem Bett als die Sonne ihre ersten warmen Strahlen durch die halb geschlossenen Fenster schickte. Mit starkem Kaffee versuchte er seine Lebensgeister soweit zu wecken, damit er sich wieder erinnern konnte was eigentlich geschehen war.
Irgendwie kam ihm alles so unwirklich vor, war er betrunken vor Liebe, oder hatte er etwa alles nur geträumt?
Marianne Solbakken aber wußte sehr genau was sie von diesem attraktiven Mann wollte. Es hatte wie immer perfekt funktioniert, ihre „Bestellung“ war eingetroffen.
"Du warst gut Siegfried“, murmelte sie. "Du darfst mich noch eine Zeitlang vögeln, aber streng dich an mein Lieber, sonst geht es dir wie Bernd."

Die Morgensonne kroch über die östlichen Berghänge und ließ die fernen Kiefern golden aufleuchten während Marianne Solbakken bereits in ihrem schicken roten Kabrio dem fälligen Treffen mit den Herrscherinnen des Nordens und des Ostens entgegenfuhr.

*

Die Hexen hatten sich rund um den kleinen Altar gestellt, welcher im Halbdunkel einer Höhle aufgebaut war. Die ziemlich dicke junge Frau neben Marianne streute duftende Rosenblätter auf hell brennende rosafarbige Kerzen auf dem Altar. Dichtes, strohblondes Haar fiel ihr beinahe bis auf die Hüften. Auf der anderen Seite stand eine sehr große, und gertenschlanke Frau mit strähnigem schwarzen Haaren. Ihre stechenden dunklen Augen waren voller Ernst auf die Kerzenflammen  gerichtet. Sie begann eine Art von Singsang, dessen einzelne Strophen sie ein ums andere Mal wiederholte.

"Im Norden rufe ich dich, neue Liebe, der du der Richtige bist für mich. Der Erde entsteigst du; schnell kommst du; voll Weisheit kommst du. Ich habe die Tür zu meinem Herzen geöffnet, und nun rufe ich dich herbei. Materialisiere dich, o Geliebter; nun ist es der Wille der Göttin!
Du siehst mich nicht, aber ich kann dich sehn.
Daß sich dies bald ändert, dafür wird was gescheh'n.
So wie diese brennenden Kerzen,
werden bis Vollmond brennen unsere Herzen."

Marianne Solbakken, Dörthe Krause, und Janica Drago fassten sich feierlich an ihren Händen um die Wirkung des Zaubers zu bekräftigen.
"Ey, Janica, was ist denn mit deinem Bock passiert, wieso brauchst du schon wieder Frischfleich?" -fragte Marianne schließlich neugierig.
"Frank? Der Scheißkerl hat es doch tatsächlich gewagt eine andere zu ficken!" -Janica fuhr sich erregt mit den langen Fingernägeln durch ihre fettigen Haare. "Aber er wird noch in dieser Nacht dafür büßen!" -verkündete sie triumphierend.
"Darauf laßt uns einen trinken." -kreischte die dicke Dörthe aufgeregt, und stellte flink eine Flasche mit Schnaps auf den Tisch.

Während die drei Inselhexen im Bewußtsein ihrer grenzenlosen Macht ein ausgelassenes Fest feierten, verabschiedete sich in El Paso kurz vor Mitternacht Frank Turnwald von seinen Freunden in seiner Stammkneipe „Secadero", und ging dann ein Stück auf der Straße in Richtung Los Llanos. Hinter einer unübersichtlichen Kurve entledigte er sich all seiner Kleider, und legte sich schließlich  vollkommen nackt quer über die Fahrbahn um zu sterben. Der betrunkene Fahrer des großen Lastwagens merkte erst daß er jemanden überfahren hatte, nachdem er über das unerwartete Hindernis gerollt, und in Folge ins Schleudern geraden war. Er hielt kurz an, doch der Anblick der blutigen Fleichfetzen an seiner Stoßstange bewog ihn dazu erst gar nicht mehr nachzusehen was oder wen er da erwischt hatte. Er zog es vor schnell und unauffällig zu verschwinden.

*

Siegfried war Marianne sofort total verfallen und bereits nach wenigen Tagen bei ihr eingezogen. Sein Fühlen und Denken drehte sich nur mehr um sie, um Marianne, oder Marisol, wie sie sich auch nannte. Er hatte seinen Meister gefunden, konnte mit seinen nur schwach ausgeprägten magischen Fähigkeiten nicht gegen die geballte Kraft von drei Hexen ankämpfen.

"Kommst du Siegfried?"
"Ja Schatz, ähh, Moment..."
Sie hatten es gerade eben noch stundenlang im Bett getrieben, wilden, animalischen Sex gehabt. Danach nur kurz etwas gegessen, und jetzt lockte sie ihn bereits wieder zu sich! Siegfried wurde das manchmal einfach zuviel, er war doch keine Sexmaschine! In diesen kurzen Momenten des Aufbegehrens schlich sich die schreckliche Ahnung in eine Falle geraden zu sein in sein Bewußtsein. Er kroch leicht genervt in das breite Bett, wo ihm allerdings der Anblick des wunderbaren, sich nach ihm verzehrenden Körpers seiner Geliebten sofort wieder jeden klaren Gedanken raubte.
Während sich Siegfried erneut willenlos dem wilden Liebesspiel mit Marianne hingab, traf im Norden der Insel, in Garafía, Sepp Oberlechner aus Bayern mit Janica Drago zusammen. Er hatte sie vor einigen Tagen über eine Partnerbörse im Internet kennen gelernt, und war kurz entschlossen nach La Palma geflogen.

Für Sepp war es Liebe auf den ersten Blick.....

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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