Sabine Gabriel

~ Eis und Schnee am Epprechtstein ~

 
Es war in den ersten Tagen, als es langsam anfing hier im Fichtelgebirge warm zu werden, als Erwin und ich beschlossen, am Epprechtstein wandern oder spazieren zu gehen. Der Epprechtstein ist der Hausberg der Kirchenlamitzer, unserem Nachbarort.
 
Um den Epprechtstein ranken sich einige nette Geschichten, die die Burgruine betreffen, die dort oben ursprünglich zur Bewachung und Sicherung einer der Handelsstraßen, die durch das Fichtelgebirge führen, gebaut wurde. Später soll sie sich dann zum Raubritternest entwickelt haben.
 
Am Epprechtstein hat es viele Steinbrüche gegeben, u.a. einen direkt unter der Burg. Nachdem dann eine Wand der Burg in den Steinbruch eingestürzt war, wurde dieser Steinbruch aufgrund von massiven Protesten der Einwohner still gelegt, damit ihm nicht die gesamte Burg zum Opfer fällt. Nun steht also noch die Ruine mit einem Aussichtsturm, dem Ziel unserer Wanderung.
 
Wie gesagt: eigentlich war es ja warm, aber hier um die Ecke in einem Hohlweg zum Galgenberg lag immer noch eine tiefe oder dicke Schneewehe, aber ansonsten war der Schnee fast gänzlich weg getaut. So gingen wir also davon aus, dass es keinen Schnee mehr am Epprechtstein gab. Aber weit gefehlt: ein paar Schritte hinter dem Parkplatz lag auf dem Weg so weit man sehen konnte eine dicke Schicht aus gefrorenem, aufgetautem, gefrorenem und wieder aufgetautem, vereisten Schnee, zum Glück leicht bestreut mit Fichtennadeln und Fichtenzapfen. Der Waldboden daneben sah eher matschig bis flüssig aus – aber fast schneefrei. Was nun?
 
Nachdem ich schon öfter mit Erwin unterwegs war, habe ich vor allem eins gelernt: ziehe niemals gute Schuhe an, wenn du zu faul zum Putzen bist! Also hatte ich meine alten, ausgelatschten, matsch- und wasserfesten Treter an, die aber leider kein Profil mehr haben, also nicht ganz rutschfest sind. Also besah ich mir den Weg und fragte mich, ob ich heil da hinauf kommen würde. Die Nadeln auf dem Eis suggerierten Halt, also gingen wir los. Halt gab es auch, weil der Schnee teilweise doch noch locker war und man deshalb bis zum Knie einsank.
 
So ging es dann bis zur Wetterschutzhütte durch Schnee, Eis und einige Rinnsale von Tauwasser. Danach ging es irgendwie leichter, der Weg war besser, und dann wurden wir auf einer sonnenüberfluteten Plattform etwas unterhalb der Ruine für unser Durchhalten fürstlich oder eben raubritterlich belohnt. Wir trafen sogar eine kleine Kreuzotter, die ebenfalls von den Sonnenstrahlen ins Freie gelockt worden war und am Wegrand auf den Steinen die Wärme genoss.
 
Zur Ruine selbst führt ein treppenartiger Weg, der dann kein Problem mehr war. Von hier hat man einen wunderschönen Blick auf das Fichtelgebirge – aber der vom Turm müsste noch schöner sein … Leider lag die Treppe hinauf leicht im Schatten und war dementsprechend vereist. Aber Sabinchen kommt ja überall rauf(!). Irgendwo gab es ein wenig Halt für die viel zu glatten Schuhe, den Rest bis zur ersten eisfreien Stufe hangelte ich mich halt am stabilen Geländer hoch, und dann gab es nur noch „normale“ Treppenstufen aus Stein bis zur ersten Plattform, auf die man später noch eine weitere hölzerne aufgesetzt hatte. Also noch eine Treppe hoch, und von dort oben hat man wirklich einen überwältigenden Blick auf die ganze Gegend. Über Kirchenlamitz hinweg erkannte ich dann Marktleuthen in der Ferne, und dahinter ging es dann noch weiter mit Bergen, Hügeln, Ortschaften bis hinein nach Tschechien und sogar bis hinüber – über den tschechischen Zipfel um Asch hinweg bis nach Sachsen.
 
Da es dort oben sehr windig und leicht schwankend war, hielt es uns dort nicht allzu lange, und so gingen wir wieder eine Etage tiefer nach unten in die Sonne. Durch eine der alten Mauern war es dort auch ein wenig windgeschützter. Und wir hätten die Aussicht und die Wärme dort oben noch länger genossen, wenn nicht auf einmal schwarze Wolken aufgezogen wären, in denen es verdächtig blitzte und grummelte. Ein Gewitter oben auf der Bergspitze! Das war es schon immer, wovon ich geträumt hatte … Alpträume natürlich … Was nun? Wo ist man denn bei Gewitter im Wald und auf dem Berge am sichersten? Vermutlich nicht gerade auf der höchsten Stelle, da da ja bekanntlich der Blitz am ehesten einschlägt.
 
Also machten wir uns langsam an den Abstieg, wobei das erste Problem ja schon bald kam: Sabinchen kommt überall RAUF, aber nicht so leicht wieder runter. Die vereiste Stelle an der Treppe war einfach zu groß, um sie mit einem einzigen Schritt zu überwinden, und das mit dem Geländer funktionierte in die andere Richtung ja auch nicht so recht. Also stand ich da, und wenn Erwin nicht gewesen wäre, der mich aufgefangen hatte, dann stände ich wohl heute noch da oder zumindest so lange, bis das Eis weg gewesen wäre, oder hätte mich auf den Hintern setzen müssen und runter rutschen, was dann eine ziemlich feuchtkalte Angelegenheit geworden wäre … Dank Erwin kam ich also unversehrt wieder auf dem Boden der Ruine an. Der Weg bis zur Schutzhütte war dann wieder kein Problem, da nur ein Schneefeld zu überwinden war.
 
Als wir dort ankamen, war es noch trocken, das Gewitter war noch(?) weiter weg. Mir war klar, dass es mir auf dem Weg, den wir hinauf gegangen waren, nicht möglich wäre, schnell zu laufen, um vor dem nahenden Gewitter Reißaus zu nehmen. Also suchten wir einen anderen Weg, aber da fing es schon an zu schütten wie aus Eimern, und so flüchteten wir mit anderen Mutigen oder Leichtsinnigen oder so in die Schutzhütte. Wir gingen mal davon aus, dass diese auch bei Gewitter Schutz bieten würde, da sie bis jetzt schon jahrelang ohne Blitzeinschlag überlebt hatte. Aber – o Wunder! Was war aus dem Gewitter geworden? Anscheinend hatte es sich aufgelöst, denn außer Regen kam nix mehr vom Himmel, der aber ganz gewaltig!
 
Als es aufgehört hatte zu regnen, war mir immer noch nicht danach, den Hinweg auch wieder zurück zu gehen. Mir schwante Fürchterliches, was nach dem Regen aus dem Weg geworden sein mochte. Also nahmen wir einen von mehreren Wegen bergab, der nicht so steil aber dafür wohl länger war. Außerdem konnte man hier leichter im Wald neben her gehen als bei dem anderen, da der Weg insgesamt nicht so aufgeweicht war. Nachdem wir heil unten angekommen waren, gingen wir erstmal im Naturfreundehaus ein paar Meter weiter Kaffee trinken. Ein Bekannter von mir hatte dort gemeinsam mit seiner Frau Dienst und freute sich natürlich über unseren Besuch dort. Das Naturfreundehaus ist ein Gasthaus der Naturfreunde und wird ehrenamtlich betrieben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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