Yvonne Brendel

Düstere Erinnerungen - der Mann ohne Gesicht (Prolog)

Düstere Erinnerungen – Der Mann ohne Gesicht
 
Die Zeit heilt nur die äußeren Wunden,
die inneren begleiten dich,
damit du deine Vergangenheit nie vergisst 
 

Prolog

 
Schritte hinter mir. Ich bin nicht allein. Panisch drehe ich mich um doch hinter mir befindet sich nichts als gähnende Leere. Schon wieder ein Laut – mein Herz schlägt mir bis zum Hals und droht zu zerspringen.
 
Selbst mein dünnes T-Shirt klebt bereits an mir, wie eine zweite Haut. –Angstschweiß-
Ein Kälteschauer überkommt mich. Ich fröstle.
Ein feiner Luftzug.
Vielleicht hat Jemand eine Tür geöffnet, und sie führt nach draußen. Raus aus diesem schrecklichen Albtraum. – Doch was wenn sie zu IHM führen würde?
Bei diesem Gedanken erstarre ich und mein Blutdruck schnellt in Sekundenschnelle in die Höhe. Mein Körper erzittert merklich und ich spüre wie mich weitere Schweißausbrüche übermahnen.
 
Dort – Schon wieder diese Schritte, doch diesmal scheinen sie ganz aus der Nähe zu kommen. Ich spüre die Angst meine Glieder hinauf kriechen,  mein Atem rasselt hörbar, doch ich reiße mich am Riemen.
Verdammt!! Ich muss einfach leise sein. Sonst würde er mich finden und weiter vermag ich gar nicht denken.
Ein Knacken – schnell folgte die Gewissheit, dass es bereits zu spät ist.
 
„Hallo Engelchen“. Diese kalte und doch wohl bekannte Stimme, ich spüre wie meine Nackenhaare sich aufstellen. Trotz der Dunkelheit fühle ich seine lüsternen Blicke auf meiner Haut. Es klingt verrückt... schließlich ist es Dunkel, aber ich spüre es förmlich wie sie mich aufspießen und innerlich zerfressen.
 
In mir schreit es bereits gellend nach Hilfe, als ich seinen heißen Atem an meiner Haut fühle. Ich habe einfach den Drang davon zu laufen, doch ich kann mich nicht von der Stelle bewegen. Ich zittere immer noch – doch diesmal ist es nicht die Kälte.
 
Plötzlich regt sich etwas, er hat es bemerkt.
„Was ist denn mein kleiner Engel?“ dürre, knochige Finger graben sich in meine Schulter. „Du hast doch nicht etwa Angst?“ Er lacht schrill auf. Seine spitzen Finger bohren sich immer weiter und tiefer in meine Haut. Ein stechender Schmerz  -  Ich schreie qualvoll auf. „Er will, dass ich leide. Doch warum?? Ich muss hier einfach weg.“ schießt es mir durch den Kopf. Der Schrei, der immer noch in der Dunkelheit widerhallte,  hatte mich aus der Starre befreit.  So schnell wie mich meine Beine tragen können renne ich in die Dunkelheit. Mit nur einem Ziel.
- Weg von ihm.
 
Doch umso weiter ich komm’, umso dünner und schneidender wird die Luft, oder kommt es mir nur so vor?
Keuchend und nach Luft ringend laufe ich weiter, bis ich stolpere. „Ach je, wo wolltest du denn hin mein Engel, ich bin doch hier“.
Mit einem Satz stehe ich wieder auf beiden Beinen und will weiter laufen, doch bevor ich nur einen Handschlag tun kann schleudert mich etwas zu Boden und ich pralle hart auf meinen Rücken auf. Benommen bleibe ich dort eine Weile liegen und sacke in mich zusammen.
Es ist ein erlösendes Gefühl, die pochende Platzwunde an meinem Kopf nicht mehr zu spüren. Ein dünnes Rinnsal läuft warm an meiner Schläfe herab und tropft auf den dunklen Boden, den ich in dieser Dunkelheit nicht erkennen vermag. Zwei knorrige Hände packen mich – seine Hände – und pressen mich noch stärker zu Boden.
Was nun passiert ist klar, wehren ist zwecklos.
 
Ich bin nicht in der Lage mich zu wehren, einfach machtlos... doch wird  er noch weiter gehen, wird er mich töten? Voller Angst kneife ich meine Augen fest zusammen bis meine Lider schmerzen.
Er beäugt mich, dass spüre ich, in seinen Augen muss der Wahnsinn toben.
Er beleckt sich die Lippen, wie ein wildes Tier, das über sein Opfer herfällt. Seine spitzen Nägel fahren über meinen Körper und hinterlassen, tiefe, blutende Narben. Seine Lippen pressen sich schließlich auf die meine. Ich habe das Gefühl zu ersticken, es ist als wenn ER an dem seidenden Faden meines Lebens spielen und ganz langsam an einem Hahn meine Luftzufuhr abdrehen würde.
Meine Kehle wird trocken.
Ich schlage um mich, doch ich bin zu schwach, jede Bewegung verbraucht Sauerstoff, an die ich mich klammern muss, um weiter zu leben – um zu kämpfen.
Langsam sinken meine Arme leblos zu Boden, ich habe den Kampf aufgegeben.
 
Doch er denkt nicht daran sich damit zufrieden zu geben. Er macht weiter und fordert mehr, wo nichts gegeben werden kann. Ich fühle meine Lippen nicht mehr – sie sind taub. Ich fühle nichts. Nichts, als Ekel, Abscheu und den Schmerz, der unerbittlich weiter pocht.
Küsse ohne Emotionen und Gefühlen sind nichts als pure Begierde.
Begierde macht blind.
Begierde tötet. Nicht den Körper, da die Narben schwinden werden, Wunden werden heilen und Schmerzen versiegen. Doch die Seele wird sterben.
Ich schmecke bereits mein eigenes Blut, doch es stört mich nicht.
Ich kann nichts mehr tun.
Es hat keinen Zweck sich länger zu wehren.
Jede einzelne seiner Berührungen auf meinem Körper hinterlassen brennende Spuren, als wenn ein heißes Eisen sich in meine Haut bohren würde. Doch nicht nur in meine Haut sondern auch in mein Innerstes, es schreit und erleidet Höllenqualen, doch äußerlich bin ich nicht mehr in der Lage wirkliche Schmerzen zu empfinden. Ich kann nicht Schreien, meine Stimme hat mich schon lange verlassen, genauso wie meine Hoffnung all dies zu überleben.
 
Ein reißendes Geräusch durchbricht die Stille. Stofffetzen rieseln auf meinen Körper nieder.
–       Mein T-Shirt.
Völlig entblößt liege ich nun dort.
Ich will das alles nicht, doch mittlerweile kann ich nichts mehr ändern. Stumme Tränen rinnen über mein Gesicht, doch ich merke es nicht mehr.
Er atmet schwer.
Mein benarbter Körper brennt und dieser stechende Schmerz, der immer wieder meine Glieder durchzuckt.
„Engelchen..., Engelchen“ dröhnt es immer wieder in meinem Kopf.
 
***
 
Schweißgebadet schrecke ich hoch und sitze kerzengerade in meinem Bett. Schwer atmend und mit klopfendem Herzen verkrieche ich mich unter meiner Bettdecke. Sie gibt mir etwas Schutz, obwohl es doch nur ein Fetzen Stoff ist – wie mein T-Shirt es war.
Ich wimmere leise und rolle mich am Ende meines Bettes zusammen.
Immer wieder –
Jede Nacht dasselbe.
Leere, als hätte dieser Traum mir die Seele geraubt.
Die Angst sitzt immer noch tief.
Ich zittere.
Erst jetzt bemerke ich die erdrückende Dunkelheit um mich herum, die mich beinahe zu verschlucken droht.
– Dunkelheit – mein Traum!
Wieder packt mich Angst.
Nochmals atme ich tief durch... es ist normal... ich muss erst einmal begreifen, dass ich mich in der Realität befinde.
„Realität, kein Traum“ flüstere ich langsam vor mich hin, und versuche mich damit zu beruhigen. Allerdings ist es nun doch besser für mich, mich dieser Dunkelheit zu entreißen, es wird mich schneller von der Wirklichkeit überzeugen, als meine Worte.
Denn Worte können Lügen.
 
Ich kraxle aus meinem Bett und taste mich vorsichtig an der Wand entlang, suchend nach dem Lichtschalter.
Endlich… –  Gefunden!
Mit Schweißnassen Fingern betätige ich den Lichtschalter, doch es geschieht nichts – Stromausfall.
NEIN!
Langsam gleite ich an der Wand zu Boden. Kraftlos.
„Realität...“ flüstere ich erneut. „Nichts als Realität“
Ich umschlinge mit beiden Armen meine Beine und presse sie so nah wie möglich an meinen Körper.
Ein Knacken – Schritte ... – ich schaudere.
„Hallo Engelchen“
 
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals – Mein Puls rast. Ein eisiger Schauer auf meinem Rücken – meine Nackenhaare stellen sich auf.
Seine langen Finger fahren über mein Gesicht: „Manche Träume verfolgen dich auf Schritt und Tritt. Ein Leben lang. Du kannst mir nicht entkommen. Niemand kann vor seinen Albträumen davon laufen. Was ist mit deinem süßen Wörtchen „Realität“?“ er lacht laut auf und streicht über mein Kinn. „Aus der Realität kannst du nicht aufwachen.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.09.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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