Gaby Schumacher

Ein schwingendens Leben (2: Teil)

 
 
Sehr früh am nächsten Morgen betrat unser Meister sein Geschäft. Währenddessen wir Regalbewohner noch schläfrig ins Helle blinzelten, war er dagegen schon putzmunter und voller Tatendrang.

Erinnert Ihr Euch?
Gestern hatten wir, mein spiegelverkehrter Zwilling und ich, doch diese eigenartigen Schildchen mit den für uns total unbekannt klingenden Aufschriften entdeckt. Heute würden wir unseren Meister, den Schuster, deswegen zur Rede stellen.

Nach etwa einer halben Stunde bot sich eine günstige Gelegenheit. Kein Kunde da, unser Schuster machte Frühstückspause. Also, ran an den Feind!

Unsere Lederhaut hob und senkte sich zitternd, so tief atmeten wir ein letztes Mal durch, beovr wir mit unserer Aktion starteten.

"Meister!", sprach ich ihn an und versuchte, mit fester Stimme zu reden, um möglichst souverän zu wirken. Nicht, dass der am Ende glaubte, es mit Angsthasen zu tun zu haben.
"Na, habt Ihr euch schon mit den Anderen bekannt gemacht?", fragte der doch tatsächlich noch so ganz unschuldig. Dem würde die Unschuld noch vergehen!

"Ja, haben wir!", klackten wir wie aus ein- und demselben Riemchenloch heraus.
"Hm, und da haben wir etwas entdeckt..., hub mein Zwilling an
und ließ seine blitzende Schnalle als aufforderndes Zeichen an mich, jetzt zum Angriffe überzugehen, noch mehr aufblitzen als sonst. Ich kapierte sofort und schoss zur Bestätigung ein grelles Blinken zurück.
"...was uns nicht so ganz gefiel, um nicht zu sagen, weswegen wir echt sauer sind!", setzte ich eins drauf.
Verunsichert guckte unser Meister mehrmal erst meinen Partner an, dann mich und umgekehrt:
"Was sollte das sein...?", forschte er nach.

"Also, vor den Anderen kleben Schilder. Auf denen stehen Namen. Vor unserem Stellplatz klebt kein Namensschild. Warum nicht??!"
"Genau, wieso nicht? Wir sind doch angeblich besonders edle Exemplare. Und ausgerechnet die bleiben dann ohne Namen...??", hakte ich nach.

Unser Schuster wand sich wie ein Aal, wusste ofdfensichtlich nichts Vernünftiges zu seiner Verteidigung vorzubringen und entschied sich für die Wahrheit:
"Entschuldigt, dass war mein großer Fehler. Ich hab`s schlichtweg vergessen!", gab er es zu. Das schlechte Gewissen war ihm deutlichst anzusehen.

So einfach käm` er uns nicht davon. Da hatten wir auch schon die passende Idee:
"Eigentlich, Meister, steht uns jetzt eine Entschädigung für diese lange Nacht zu, die wir unbenannnt neben all den Namensträgern im Regal verbracht haben. Schließlich hätte das unserem noch neugeborenen Selbstwertgefühl sehr schaden können."
"Hat es aber gottlob nicht!", sagte ich mir in Gedanken.

"W..was verlangt ihr?"
Der Schuster stand da vor uns, mittlerweile ein gebrochener Mann.
"Wie wäre es mit einem ganz persönlichen Vornamen für jeden von uns? Damit fielen wir deutlich aus dem Schuhrahmen."
"Zudem möchte ich auch endlich wissen, welche Schuhart wir vertreten. Das hast Du uns immer noch nicht verraten!", bearbeitete mein Zwilling den armen Mann.

Vor lauter Ärger kräuselte sich inzwischen schon unser sonst so wunderbar glattes Oberleder. Der Schuster registrierte das und erscharak:
"Bitte, bitte nicht!". flehte er. "Wie soll ich denn dann einen Käufer für Euch finden?"

Ein paar Minuten Bedenkzeit gönnten wir ihm notgedrungen. Zu seinem Glück war er ein fixer Denker. Bald kam seine Antwort:
"Ihr seid wirklich edle Schuhe, nämlich Tanzschuhe. Ihr werdet wunderschöne Räumlichkeiten kennen lernen und Euch auf wertvollem Parkett zu romantischer Musik immer im Kreise drehen. - Das ist noch längst nicht allen Schuhen vergönnt," ergänzte er hastig, um uns zu versöhnen.
Prompt glättete sich unser Leder, verrauchte unser Zorn. Verflixt, der wusste, wie er mit seinen Pappenheimern reden musste!

"Und was ist mit dem Namen...?!", bohrten wir hatnäckig.
Eine Sekunde des Schweigens, dann schlug der Schuster vor:
"Wasx haltet Ihr von ´Isabelle`? Zwillinge teilen doch alles. Eine von Euch hieße ´Isa`und die Andere ´Belle`?"
Wir erklärten uns einverstanden. Zur Buße erlegten wir ihm auf, sofoort das betreffende Schildchen zu schreiben und unter unseren Logenplatz dort auf dem Regal anzubringen.

Er beeilte sich sogar damit. Kurz darauf hing der betreffende Zettel da, wo es schon längst hin gehört hätte. Der Schuster hatte sich sehr viel Mühe gegeben. Unser Namensschild war eindeutig das Schönste von allen.
Der Frieden zwischen uns war damit erneut besiegelt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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