Anna Möller

On The Road

Der kugelrunde Bert macht sich nun auf den Weg. Eine dickes
Jäckchen und feste Stiefel schützen ihn vor dem Eiswind, der draußen pfeift.
Türe auf und schon HUI! Tritt der Wind in die gewärmte Stube. Bert stapft einen
ersten und zweiten Schritt nach draußen in den frischen Schnee. Er geht nur
raus, weil seine Vorräte frühzeitig ausgegangen sind und er nun zu Frau
Blaubart muss, um sich neue zu kaufen; ein Bisschen von diesem, ein Bisschen
von jenem. Nur noch für die kurze Zeit in der das Frostväterchen noch im
Poseidonwald wohnt und alles frieren und glänzen lässt.  Poseidonwald heißt der Wald, weil einmal ein
fremder Mann hierher gekommen ist und gesagt hat:
„Der Wald ist so blau wie Poseidons Welt! Ich nenne ihn
somit Poseidonwald!“ und so blieb das auch.
Bert hat nun schon einige hundert Meter hinter sich
gelassen, im Wald ist es etwas angenehmer, als auf seiner großen Lichtung, wo
im Frühling und Sommer viele schöne Feste gefeiert werden, mit leckerem Punsch
und leckerem Essen. Und vielen, vielen verwandten und bekannten Gästen aus dem
ganzen Poseidonwald.
„Hallo, hallo Bert!“ ruft es da plötzlich und der Genannte
schaut sich um.
„Was machst du hier? Der Frostvater ist nicht gnädig mit
Leichtsinnigen, wie du weißt, mein lieber kugelrunder Bert!“ Schneefuchs, der
jeden Winter hierher kommt, trabt auf Bert zu, dieser Antwortet:
„Ich bin nicht leichtsinnig, Schneefuchs. Ich bleibe immer
auf der Waldstrasse. Nimm du dich lieber in Acht, der du aus dem Unterholz
geschlichen kommst!“ so geht Bert weiter und beachtet Schneefuchs nicht weiter.
Der sagt dann auch nichts mehr.
Als Bert ein bisschen weitergegangen ist, so etwa zehn
Minuten, fliegt Schneeeule über ihn hinweg und keift:
„Guten Tag Bert! Du bist leichtsinnig, dass du in den Wald
gehst. Das Wintertreiben vom Frostvater ist noch nicht zu Ende!“ Bert versucht,
Schneeeule in ihrer Stimme nachzumachen:
„Ich bin nicht leichtsinnig, Schneeeule. Ich bleibe immer
auf der Waldstrasse. Nimm du dich lieber in Acht, die du durch den ganzen Wald
flatterst!“ Bert beachtet Schneeeule nicht weiter und die sagt dann auch nichts
mehr.
Ein wenig später, aber nicht viel, sieht Bert unter einer
der großen Blautannen etwas liegen. Es glänzt und sieht schön aus. Aber ach! Es
liegt leider nicht auf dem Weg! Bert zögert, aber er will nicht von dem
Frostvater bestraft werden und bleibt auf der Strasse. Wie das glitzert!
Er geht weiter und das war bestimmt gut so, denn als er
zurückblickt, ist das Glitzern wie vom Eiswind weggepustet.
Noch ein bisschen später steht der kugelrunde kleine Mann
vor dem Haus der Frau Blaubart, die mindestens 134 Jahre alt ist, wie Bert
glaubt, und klopft an.
„Wer ist da?“ krächzt eine Stimme, aus der man die Altersfalten
des dazugehörigen Gesichtes fast schon erhören kann.
„Bert ist hier! Der kleine kugelrunde Bert! Mit dem Kieselsteinhaus
auf der Brombeerlichtung!“ ruft er.
„Komm herein, mein Bester!“
Drinnen ist es so kuschelig wuschelig warm, dass Bert so
gerne länger bleiben möchte, aber das geht nicht. Gleich muss er zurück auf die
Strasse, die zu seinem zu Hause führt.
„Ich brauche ein paar mehr Vorräte. Kannst du mir bitte ein
Bisschen von diesem und ein Bisschen von jenem geben?“ Bert nimmt seine
Wollmütze ab.
„Aber natürlich, mein Bester. Setz dich, hier ist eine Tasse
Tee. Trinke sie während ich etwas einpacke für dich. Bist du auch brav auf der
Strasse geblieben?“ Frau Blaubart blinzelt ihn aus gefährlich guckenden Augen
an.
„Ja Frau Blaubart, ich bin nämlich nicht leichtsinnig.“ Sagt
Bert schlau. Die Alte nickt und packt Brot in Berts Tasche, drei Laibe. Das
schöne mit den vielen Körnern. Dann packt sie trockenes Obst ein; Brombeeren,
Himbeeren und Blaubeeren. Und noch einen riesigen Sack voller Trüffelpilze. Und
noch ein kleines Fässchen Schmalz und noch einen ordentlichen Schinken. Jetzt
sind Berts Taschen rappelvoll und er kann wieder nach Hause gehen.
„Danke liebe Frau Blaubart. Ich werde sie im Frühling und
Sommer nicht vergessen, einzuladen. Auf Wiedersehen also.“
„Auf Wiedersehen, Bert.“
Der kleine Mann geht los. Die Vorräte geben noch etwas Wärme
aus der guten Stube ab und das freut ihn. Ihn freut sowieso, dass er wieder
etwas zu essen hat. Somit hat er alles was er braucht und ihn glücklich macht.
Unterwegs sieht er das Glänzende nicht mehr, doch an der
Stelle, wo es unter der Tanne hervorblitzte liegt Schneeeule. Sie sagt nichts.
Bert bedauert das und weint leise. Doch er geht weiter und achtet nun ganz
besonders darauf, dass er auf der Strasse bleibt. Doch dann muss er stehen
bleiben, denn dort im Dickicht liegt Schneefuchs und sagt auch nichts. Bert
weint auch dieses Mal und fragt sich, warum der Schneevater nur so gemein ist. Ihm
ist, als würde er ein höhnisches Lachen hören und bekommt es mit der Angst zu
tun. Er läuft los und macht sich Vorwürfe, dass er nicht nett zu Schneefuchs
und Schneeeule war. Das macht ihn noch trauriger und weint weiter und ist böse
auf sich und auch auf den schlimmen Frostvater, der immer noch lacht und ruft
„Selber Schuld, man bricht meine Gebote nicht. Man bleibt auf dem rechten Weg
wenn ich es sage! Und das müssen alle befolgen sonst wird meine Strafe
furchtbar sein!“
Bert ist nicht mehr glücklich als er nach Hause kommt. Er
legt das Essen in den Schrank, zieht sich den Schlafanzug an, legt sich ins
Bett und denkt:
„Nächstes Mal, da gehe ich auch von der Strasse herunter.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.09.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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