Gaby Schumacher

Bärentraum (3.Teil)


Weiter und weiter, tiefer und tiefer ging es in den dichten Wald. Für Sofie zogen sich die Minuten, die sie so dahin marschierten, wie Stunden.

„Fast ein Rotkäppchenwald!“, ging es ihr durch den Sinn.
„Ob hier auch der böse Wolf irgendwo herum läuft?“
Bei diesem unheimlichen Gedanken erschrak sie doch ein wenig, suchte ihn schnellstens zu vergessen und beruhigte sich dann wieder. Denn:
„Ich hab` ja meine starken Teddybärenfreunde bei mir. Wenn der mir was Schlimmes antun wollte, dann verhauten Pu und Benjamin den bestimmt ganz feste!“

Wieder mutiger genoss sie lieber das blitzende Sternenlicht, das sich seinen Weg durch das Laub der Baumkronen gebahnt hatte. Gleich der Laternen in ihrer Heimat, die die Straßen erleuchteten, tauchten jene Himmelskörper den Wanderpfad in ein schwach rotgoldenes Licht, verdrängten so ein wenig die Finsternis und malten ein zauberhaftes Bild. Das Rot kam von den vielen, herbstlich bunt gefärbten Blättern, die in kleinen Haufen über dem Weg verstreut lagen.
„Nur noch um diese Baumgruppe. Dann sind wir da!“, verkündete Benjamin fröhlich.
Ob es Sofie bei ihnen gefallen würde?

Das kleine Mädchen bezähmte seine Neugierde nicht länger und hopste die letzten Meter des Weges ungeduldig voraus. Unsere drei Wanderer verließen das Dunkel des Waldes und traten heraus ins Freie. Schon wieder einmal war es an Sofie, sich zu wundern. Statt der Dunkelheit, die sich doch für eine anständige Nacht gehörte, umgab sie urplötzlich freundliches Tageslicht. Einen Moment lang blinzelte sie mit halb geschlossenen Augen ins Helle. Dann aber riss sie diese weit auf vor lauter Staunen und blieb wie angewurzelt stehen.

Es war nicht nur Tag, sondern da brannte die Sonne vom blitzblauen Himmel und streichelte mit ihren wärmenden Strahlen Mensch, Tier und Pflanze. Sofie, Pu und Benjamin standen auf einer riesengroßen Wiese mit leuchtend grünem, saftigen Gras und vielen, vielen Blumen in allen Größen und Farben, die bis zum weit entfernten, nächsten Wald zu reichen schien.

Sofie konnte sich einfach nicht satt sehen an dem, was sie da um sich her entdeckte. Am Himmel flatterten die Vögel im übermütigen Spiel umeinander und sangen der Sonne dankbar ihr schönstes Lied vor. Überall summten Bienen im emsigen Flug vor Lebensfreude laut vor sich hin. Andere Insekten surrten von hier nach da, ließen sich kurz auf einer Blüte nieder, um dann eilig zur nächsten zu starten und am Boden zirpte ein Grillenorchester stolz seine feine Melodie.

„Ooh, ist das schöön!“, jubelte die Kleine los. 
Zottel und Benjamin tauschten einen verschwörerischen Blick. Die Beiden hüteten noch ein Geheimnis, von dem Sofie keinerlei Ahnung hatte. Guckten sie jetzt in das Gesicht ihrer Freundin, dann waren sie sich ganz sicher:
„Sie freut sich ja jetzt schon so sehr. Wie erst wird sie heute Abend strahlen...!“, flüsterten sich die Beiden zu.
Allein die Vorfreude darauf machte auch sie glücklich.

Sofie selbst aber beschäftigte in dieser Minute ein völlig anderer, enorm wichtiger Gedanke:
„Hier gibt es aber viele Bienen. Habt ihr auch eine Biene Maja dabei und den Willi?“, forschte sie.
Biene Maja war nämlich Sofies Lieblingssendung im Fernsehen. Die verpasste sie fast nie.
Benjamin lächelte sie zärtlich an. Wie süß sie doch fragen konnte...!
„Wir haben ganz viele Majas und auch Willis!“, gab er Antwort.
Das war so richtig eine Auskunft nach Sofies Geschmack. Sie nickte zufrieden. Damit hatte die Bärenwelt vor ihren Augen die erste Prüfung mit `Toll!“ bestanden. 

Zottel und Benjamin führten das kleine Mädchen einen schmalen Spazierweg an der Wiese entlang. Nach ein paar Minuten blieben sie stehen und deuteten nach vorne:
„Da, dort hinter den Sträuchern liegt unsere Heimatstadt.“

Mit schnellen Trippelschritten folgte ihnen Sofie. Kurz darauf waren sie da. Das kleine Mädchen blickte auf mindestens zwanzig farbig gestrichene Holzhäuser. Jedes stand in einem kleinen Garten. Die niedrigen Zäune, die die Gärten von einander trennten, waren ebenfalls bunt gestrichen. So sah alles freundlich und heiter aus.

Neugierig lugte Sofie in einen der Gärten hinein. Begeistert stellte sie fest:
„Eine Schaukel und ein Klettergerüst. Bestimmt für eure Bärenkinder, nicht?“
Sie wartete gar keine Antwort ab, sondern lief auf den Nachbarzaun zu.
„Die haben ja sogar ein richtiges Planschbecken aufgestellt, toll!“
Ja, die Tante im Kindergarten hatte mal erzählt, dass Bären gerne baden. Immerhin das hatte die richtig gewusst. Deshalb stieg ihre Kindergärtnerin in Sofies Achtung wieder ganz enorm.

Die Drei schlenderten durch die Straßen, zeigten, beschrieben und erklärten alles, was Sofie über die Stadt wissen wollte. Da war das kleine Mädchen gar nicht bescheiden, sondern im Gegenteil überhaupt nicht zu bremsen. Es löcherte seine beiden Freunde geradezu mit Fragen:"Wo sind denn der Kindergarten und die Schule? Wo arbeiten die Erwachsenen? Ich möchte alles, alles sehen!“

Zu Sofies Zufriedenheit kamen sie bald auch an einem Polizeihaus vorbei. Damit jeder es sofort fände, war es grellgrün gestrichen. Drei Häuser weiter stand sogar ein kleines Feuerwehrhaus mit einer offenen Garage, in der das zugehörige Feuerwehrauto mit seiner langen Leiter abgestellt war. Das Haus war knallrot und das Auto natürlich erst recht. Selbstverständlich durfte die schwarze Feuerwehrautohupe nicht fehlen. Die fand Sofie links neben dem Steuerrad. Sie konnte einfach der Versuchung nicht widerstehen:

„Tööt!“ machte es und weil es so schön war, gleich noch einmal „tööt!“
Ein bisschen schlechtes Gewissen hatte das kleine Mädchen denn doch deswegen. Aber anscheinend schliefen die Feuerwehrleute oder sie waren woanders arbeiten. Jedenfalls blieb zu Sofies Glück alles ruhig. Niemand hatte ihre Schandtat bemerkt und Zottel und Benjamin kniffen beide Augen zu. Die wollten ja alles tun, um Sofie fröhlich zu sehen.

Weiter bummelten sie durch die Straßen. Auf unser kleines Mädchen warteten noch viele Überraschungen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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