Hans-Peter Zürcher

Regen

26. September 2006

Die ganze Nacht hindurch trommelte der Regen seine Trauermelodie auf das Dach. Die Tropfen, die über die Pflanzen vor dem Fenster im Garten fallen, singen und klingen in den verschiedensten Tönen und bereichern so das monotone Getrommel. Um das Licht der Straßenlaternen bilden sich feine Nebelschleier, die durch das verdampfen der Regennässe auf der heißen Glühbirne entstehen.  Im Widerschein dieser Straßenlaternen und von denen einzelner beleuchteter Zimmer in den Häusern rund herum entstehen auf dem Blattwerk von Bäumen und Pflanzen lustig glänzende Lichtlein, die im leichten Wind sich wie wandelnde kleine Laternen bewegten. Die Luft roch angenehm frisch, roch nach feuchter Erde und nassem Grün. Trotz aller Traurigkeit eine schöne Stimmung, die einem letztendlich in einen ruhigen Schlaf entführten ließ...

Mit großen, traurigen Augen saß sie am Fenster und versuchte ihren Abendstern zu finden. Aber die Tränen in ihren Augen trübten den Blick. Ihre Tränen glichen einem Regenstrom, der unablässig über ihren Körper tropfte, über den Boden lief und zu einem See anschwoll und dabei eine Melodie der Trauer erklingen ließ. Das junge Mädchen war eine einfache, aber sehr schöne Person. Trauer und Sorge verströmte ihre Ausstrahlung und verfloss mit dem Tränenstrom im See. Ein Rauschen und leichter Wellenschlag waren vernehmbar, oder war es der Durst, der in mir solche Gefühle hervorrief. In der Wüste schien die Sonne unerbittlich, mein ganzer Körper schien völlig durchnässt und trotzdem hatte ich das Bedürfnis, Wasser trinken zu müssen, aber nichts als Sand, im Mund, in der Kehle. Und da war es wieder, das Bild des traurigen Mädchens, ich wollte ihren Tränenstrom auffangen, trinken, aber nichts als trockener Sand berührten meine Lippen. Mitten in der Wüste war es, dürstend und ausgehungert, mit letzter Kraft einer Oase mich nähernd habe ich sie wieder gesehen. Sie lächelte und weinte zu gleich, ich in Schweiß gebadete, am Ende meiner Kräfte, einer Ohnmacht nahe. Die wenigen Menschen, die die Oase bewohnten, fanden uns nicht weit voneinander, im heißen Sand liegend. Sie nahmen uns auf und boten ihre Hilfe an, versorgten uns mit süßesten Datteln und herrlichstem Wasser. Ich sah mich selbst, wie war so was nur möglich, eine Fata Morgana oder wähne ich mich in einem bösen Traum. Das stetige Rauschen in den Palmen und die große Hitze ließen indes nicht nach. Immer dieselbe Melodie.

Kaum waren wir wieder Herr unserer Kräfte begann eine Romanze, die nicht schöner sein könnte. Es wurden Feste gefeiert und getanzt, dass selbst die Bewohner dieses kleinen Wunderlandes in Verzückung gerieten. In den Sternenklaren Nächten, schauten die beiden jungen Leute eng umschlungen in den klaren Nachthimmel, in die wunderschönen Sternbilder und der Mond gab ihnen ein schönes aber kühles Nachtlicht ab. Sie fanden nicht nur ihren Abendstern, sonder verleibten sich derart in einander, dass es schon fast schmerzte, wenn sie sich nur für kurze Zeit aus den Augen verloren.  In Decken gehüllt am knisternden Feuer, ein leichter kühler wind, der die Hitze des Tages vergessen ließ, gab ihnen ein wenig wärme. Noch mehr Wärme aber strömte aus ihren Herzen, Wärme der Liebe und Leidenschaft. Eine herrliche Zeit, die die beiden all ihre Sorgen und Nöte vergessen ließ. Beide waren im Glauben, dass sein Gegenüber eine Prinzessin oder ein Prinz sein muss, den so schön und edel waren sie und gebildet. So vergingen Tage und Wochen als wahren es nur Stunden, aber eine herrliche Zeit. Sie wurden reichlich beschenkt mit Kleidern, Weihrauch und Schmuck und genossen so dieses süße Leben. Denn die Menschen in dieser Oase waren dem Glauben verfallen, dass es sich um ein Prinzenpaar handeln müsste.

Das Rauschen wurde stärker und eh ich mich versah, war ich in einer großen fremden Stadt, die aus lauter Felsen und Eis bestand. Ein kalter bissiger Wind ließ mich in meinem  Wüstengewand erschauern. Alles sah so unwirklich aus. Von weitem hörte ich eine Stimme rufen „ich lieb dich“, ja, diese Worte hörte ich ganz deutlich durch den Wind. Dann kamen sie, mit großen Trommeln um die mächtigen Felsen herum, ein Heer von Fratzen, ja Fratzen waren es, die diese Wesen hatten, keine Gesichter. Nun fror es mich noch viel heftiger, ja plötzlich kam in mir große Angst auf, die ich so noch nie fühlte. Ich versuchte wegzulaufen, aber beständig kamen mehr von diesen Fratzen, das trommeln wurde heftiger. „Ich liebe dich doch auch“, rief ich in den Wind, als ob ich damit die Fratzen verscheuchen müsste, immer wieder dieselben Worte und plötzlich hörte ich es ganz deutlich, ihre Stimme war es, die Stimme diese Mädchens, einer Melodie gleich in rhythmischem Takte, fein wie Silberfäden in dunkler Nacht, leuchteten sie klingend durch das Dunkle. Tanzende Lichtlein, klingende Silberfäden, ein Käuzchen rief einmal, zweimal, die Fratzen waren weg und die Trommelschläge waren weit zurückgewichen und machten der Silberfädenmusik platz, einer lieblichen, süßen Musik.

...wieder war der Ruf des Käuzchen zu hören, ich erwachte aus einer unwirklichen Welt, müde und erschlagen fühlte ich mich. Das Zimmer mit schwachem Licht getüncht, der Himmel draußen noch ziemlich düster und dunkel, Nebelfetzen über der nahen Wiese und ein unablässiges feines Tropfen eines leichten Regens über die Pflanzen und deren Blätter war zu vernehmen. Halb abgedeckt und trotzdem Schweißdurchnässt, im abgekühlten Zimmer bin ich aufgewacht, noch Schlaftrunken, versuchte ich mich zu Recht zu finden im beginnenden Tageslicht. Mich fror. Das Fenster weit geöffnet, feuchter, frischer Duft von nasser Erde und nassen Pflanzen. An den Ästen des nahen Winterjasminstrauches glitzern hunderte von kleinen Wassertropfen im frühen Tageslicht, die der leichte Regen dort abgesetzt hatte.

Ein Regentag kündigt sich an, mit all dem schönen, das es auch zu solchen Zeiten in der Natur zu sehen, riechen und fühlen gibt. Traurigkeit und Liebe, Freude und Glück, all das und noch vieles, vieles mehr.       

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