Michael Mews

Das Labyrinth

Das Labyrinth

 

Aus beruflichen Gründen flog ich nach Kairo und die zu erledigenden Arbeiten konnte ich schneller als erwartet fertig stellen. Nun hatte ich noch drei freie Tage bis zum Rückflug. Und diese wollte ich auch genießen.

 

Entspannt und zufrieden saß ich in meinem Zimmer des Siag- Pyramids- Hotels, blickte auf die fremdartigen Dächer von Kairo und überlegte, wie ich die vor mir liegenden, freien Tage nutzen sollte, während nicht ich, sondern die Klimaanlage leise summte.

 

„Ich miete mir ein Auto und erkunde die Gegend außerhalb von Kairo.“, dachte ich, packte meine kleine Reisetasche, bestellte an der Rezeption ein Auto mit Klimaanlage und schon war ich unterwegs. Im drängelnden Verkehr von Kairo bekam ich den Eindruck, dass alle ohne Führerschein fuhren, ein ständiges Hupen begleitete mich.

 

Endlich war ich außerhalb der Stadt, auf einer Wüstenstrasse, in Richtung Giseh. Von weitem konnte ich schon die Pyramiden sehen, die Kraftwerke der geistigen Energie. Ich fuhr noch immer auf der staubigen Piste, die Pyramiden lagen schon längst hinter, weit und breit war endlich kein Auto mehr zu sehen. Nur das gleichmäßige Brummen des Motors hörte ich.

 

Dann bog ich rechts ab, fuhr auf einem festgefahrenen Weg weiter, landete in der Sakkara- Ebene, parkte das Auto und stieg aus. Eine Wand aus heißer Luft begrüßte mich. Schwitzend, staunend und fasziniert betrachtete ich die hohen Dünen. „Und nun ein kleiner Dünenspaziergang und dann zurück in das klimatisierte Hotel“, sagte ich zu mir, nahm die Reisetasche mit den Getränken und stapfte durch den weichen Sand, immer höher und höher, bis zum obersten Punkt der Düne.

 

Unterwegs hörte ich ein leises, singendes Geräusch, aus tiefen Brummtönen.

Ich wusste, dass diese Töne durch den abrutschenden Sand entstanden.

 

Eine riesige Dünenlandschft lag vor mir, Welle an Welle, wie ein im Sturm erstarrtes, hellbraunes Meer. Ich konnte mich daran nicht satt sehen, drehte mich dann aber doch um, um zurück zum Auto zu gehen.

 

„Aber was ist das?“ Links von mir und 20 Meter tiefer, in einem Dünental sah ich einen schwarzen Schatten. „Ob der einen Höhle ist, eine Höhle in einer Düne?“

 

Neugierig rutschte ich von der Düne runter und betrachtete das Loch, das einen Durchmesser von 60 cm hatte und vermutlich vom Wind freigelegt wurde. Mit den Händen vergrößerte ich es und sah große Sandsteinblöcke, die es einrahmten und auf denen sich Hieroglyphen befanden.

 

„Ist das ein alter Bewässerungskanal, oder der Zugang zu einer Grabkammer, aus der Pharaonenzeit, oder vielleicht zu einem Tempel der Götter Isis und Osiris?“

 

Immer, wenn ich verreise, packe ich auch eine Taschenlampe ein, die ich jetzt aus der Reisetasche holte, knipste sie an, und ging in den Gang, der so breit wie meine Schulter war und so hoch, dass ich gebückt gehen musste.

 

„Die alten Ägypter mussten ja wirklich sehr klein gewesen sein“.

 

Der Gang hatte ein leichtes Gefälle nach unten und als ich mich umdrehte, konnte ich den Ausgang nicht mehr sehen. Von meiner Neugier getrieben, ging ich weiter. Links und rechts entdeckte ich verschiedene Abzweige. Inzwischen war der Gang nur noch so hoch, dass ich krabbeln musste, daher entschloss ich mich, in den rechten Abzweig zu gehen, da dieser etwas höher war.

 

Ich merkte nicht wie schnell die Zeit verging, bestimmt war ich schon über zwei Stunden hier unten. Es war angenehm kühl hier. Jetzt waren drei Abzweige vor mir, ich nahm den rechten und ging neugierig weiter.

 

Plötzlich ließ der Schein meiner Taschenlampe nach, voller Schreck betrachte ich das schnell schwächer werdende Licht und drehte mich um. Ich ging zurück und die Taschenlampe aus.

 

Schlagartig war es dunkler, als in einer sternenlosen Nacht. Tastend ging ich weiter, fühlte links einen Abzweig, den ich bekrabbelte. „Hoffentlich gibt es hier keine Skorpione“. Der Gang wurde höher, so dass ich gebückt gehen konnte. Mit dem Fuß stieß ich gegen einen losen, leichten Stein, tastete ihn ab, merkte, dass er zwei Löcher hatte und fühlte auch Zähne. Ein Totenkopf.

 

Vor Angst zitternd bewegte ich mich weiter.

 

„Gehörte der Kopf vielleicht jemandem, der so wie ich auch neugierig die Gänge untersuchen wollte, aber dann nicht mehr den Ausgang fand?“

 

Erst vor einigen Tagen las ich, dass in Kairo ein Tourist spurlos verschwand. Bestimmt hatte ich ihn gerade gefunden. Aber wer hat in der kurzen Zeit seine Gesichtshaut abgenagt?

 

Mein Mund war trocken, voller Sehnsucht dachte ich an meine Reisetasche, die noch am Eingang stand, hungrig und durstig ging ich und bald wieder krabbelnd weiter. Langsam besuchte mich die Platzangst in dem finsteren, unendlich langen Sarg, durch den ich krabbelte. Ich musste mich sehr beherrschen, nicht zu schreien.

 

„Vermutlich kann ich hier in der Finsternis wochenlang krabbeln (wenn ich genug Nahrung hätte), bis ich durch Zufall in diesem Labyrinth den Ausgang finde. Wäre ich doch nur im Hotel geblieben!“

 

„Nur nicht aufgeben, vielleicht habe ich Glück und finde schon in zwei, oder drei Stunden den Ausgang.“

 

Plötzlich bemerkte ich nicht nur einen leichten Luftzug, sondern auch einen Lichtschein vor mir. Mit unendlicher Freude ging ich schneller und stand erleichtert am Ausgang. „Glück gehabt und nun schnell zurück zum Hotel.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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